De auditu

Derzeit liest man häufiger den Slogan, mit dem die japanische Regierung versucht, die Lebensmittel aus dem atomar verseuchten Raum doch schmackhaft zu machen. "Lasst uns dem Norden helfen, indem wir seine Lebensmittel essen", lautet der. Und er vermittelt eine Wir-Front. "Lasst uns..." und "...wir" - zusammen trotzen wir der unsichtbaren Gefahr, will das wohl sagen; zusammen bewahren wir den Absatzmarkt für Lebensmittel vor den Kollaps. Es soll hier bei de auditu nicht um die moralische Wertigkeit gehen - der sprachliche Aspekt soll behandelt werden. Mit einem pathetischen "Lasst uns... !" läßt sich im kommerzialisierten Europa keine Botschaft vermitteln. Das Kollektiv ist, obwohl es täglich regiert, verpönt und nur das Individuum ist dazu geeignet, Botschaften in sich zu saugen.

Wäre dergleichen hier geschehen, müssten in der Folge die Lebensmittel einer bestimmten Region wettbewerbsfähig geworben werden, würde kein Marketingstratege Losungen wie "Lasst uns... !" oder "Wir meistern das!" in die Arena werfen. Der individualistische Europäer mag es zugeschneiderter. "Hilf auch Du mit!" oder "Steh' auch Du dem Norden bei!" oder "... indem Du seine Lebensmittel isst!" - Du ist das Übertragungswörtchen; ohne Du keine Vermittlung. Gleichwohl der Europäer im Kollektiv lebt, obwohl er in Fragen der Musik, Kleidung oder Essgewohnheit einer ausgeprägten Mainstreamkultur nachäfft, erliegt er gerne der Vision, gänzlich individualistisch sozialisiert zu sein. Deshalb waren auch nicht wir Deutschland - Du warst Deutschland. Aus diesem Grunde werden etwaige Vorteile für das Gemeinwesen nicht erwähnt, sondern auf den Einzelfall verrechnet: "Das lohnt sich auch für Sie!"

Die Wir-Botschaft der japanischen Losung ist das, was man "am Japaner" besonders schätzt. Sein kollektiver Fatalismus und sein Gemeinschaftssinn, der dem Zeitgeist trotzt. Es ist der im Angesicht Fukushimas so gelobte Stoizismus, der jegliche Panik angeblich unmöglich machte. Und es ist polemisch gesagt die Kernzelle des Kamikaze. Die Aufforderung, dem Norden zu helfen, es ist ein wir-bezogener Slogan, der in den Tod winkt - bei uns geschähe dies individualistischer. Wir gingen im unsichtbaren Nebel der Verstrahlung nicht einig und kollektiviert in den Krebs mittels Nahrungsaufnahme. Jeder ginge für sich selbst in die Metastasierung. Einsam in der Masse - die Sprache verrät es. Das heißt nicht, es wäre Hand in Hand, mit "Lasst uns zusammen... !" viel schöner. Es wäre wahrscheinlich auch nicht schlechter. Viele Wege führen nach Tod.


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