Dave: Auf der Couch

Dave: Auf der CouchDave
„Psychodrama“
(Neighbourhood)
Das Konzeptalbum gilt ja im HipHop nicht gerade als State of the Art, natürlich gibt es mit Kendrick Lamar, Ghostface Killah, The Roots, Aesop Rock und Jay-Z einige mehr als gelungene Beispiele, doch zählen diese eher zur Ausnahme denn zur Regel. Insofern ist der Ansatz des jungen Londoner Rappers Dave Santan zunächst einmal ein ungewöhnlicher, sich für sein Debütalbum „Psychodrama“ auf die Therapiecouch zu legen und diese Sprechstunde dann hernach als Platte zu veröffentlichen. Das, was den einleitenden Worten des „behandelnden Arztes“ folgt, dreht sich dann natürlich wenig überraschend, weil von allgemeiner, dringlicher Relevanz, um die Sozialisation farbiger Jugendlicher in den Brennpunktvierteln westeuropäischer Megacities, um Alltagsrassismus, fehlende Chancengleichheit, gesamtgesellschaftliche Verwerfungen, Abstiegsängste, Empathieverlust. Und die arbeitet Dave Santan stellvertretend für seine Generation in seiner Sitzung ab.
Und zwar auf eine Weise, die sich hören lassen kann. Wo der kürzlich hier vorgestellte Grime-Rap von Little Simz ganz auf Toughness und Aggression setzt, wählt Santan die etwas feinere Klinge. Auch wenn er durchaus deutlich und derbe reimt, so tut er dies vor einer vergleichsweise sphärischen, dem tiefen Blau des Covermotivs entsprechenden deepen Soundkulisse. Pianoloops, Streicher, die Beats pochen und klackern dunkel und bedrohlich, alles wirkt sorgsam aufgeräumt und reduziert. Der Track „Screwface Capital“ beispielsweise kommt mit einem Instrumentalteil daher, der zeitweise an den großen Mark Griffin alias MC 900 Ft. Jesus erinnert. Hypnotisch klingt das, dramatisch auch, getrieben zusätzlich von Santans Monologen, die sich kaum Pausen gönnen und deshalb um so eindringlicher wirken. Da wäre also die Hommage an sein Geburtsviertel „Streatham“ im Süden Londons, die gleichzeitig als ungeschönte Abrechnung gedacht ist, weiter „Black“ als Manifestation von Schmerz und Stolz, aber eben auch als Hinweis darauf, dass „schwarzen“ Lebensläufen die gleiche Vielfältigkeit zusteht wie allen anderen (wie er gerade dem britischen Guardian in einem Gespräch erläutert hat).

Herausragend die Arbeit mit dem Kollegen J Hus für „Disaster“ samt packendem Synth-Thema und natürlich das gut elfminütige „Lesley“. Angelegt als Geschichte in der Geschichte, wird hier von einer Frau erzählt, die sich mit dem falschen Typen eingelassen hat und hier stellvertretend für alle jene steht, denen es an Kraft und Stimme fehlt, Gewalt und Misshandlung nicht zu verschweigen. Ganz am Schluß dann das „Drama“ als family issue, schließlich rappt neben Santan auch dessen älterer Bruder Cristopher Omoregie (per Telefon zugeschaltet), der gerade eine Gefängnisstrafe absitzt und mit dem Zwiegespräch für Dave die Steilvorlage für die Albumidee lieferte. Ein düsterer Abgang, mit dem der gerade mal Zwanzigjährige hier sein Debüt zum Ende bringt – eines, das sich mit den erstgenannten Beispielen durchaus messen darf, von dem Jungen werden wir also hoffentlich noch einiges mehr zu hören bekommen. https://santandave.com/

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