Das Sarrazin-Prinzip

Under false flag

Um keinen Schriftsteller der letzten Zeit und seine Bücher wurde solch ein Rummel „verunstaltet“ wie um Thilo! Die vermeintlichen Political Correctness-Prinzen der etablierten Presse und Fernsehmedien (Sarrazin ist ein Rassist, Sarrazin verkennt die Lage, Sarrazin ist ein EUGenetiker), verfolgen augenscheinlich eine ganz klare Agenda: den Sarrazynisten zu entblößen. Was aber, wenn alle nur zur Schau auf Sarrazin herum trampeln, um seine Inhalte bis hinein in die letzte Fernsehsendung und die denkbar kleinste Stammtischzelle zu knüppeln. Funktioniert hat es ja prima. Titelstories in Stern und Focus, Dauerpropaganda durch die BILD und letzthin auch eine erneute Diskussionsfarce bei Bundesschwiegersohn Jauch!

Aus heiterem Himmel platzte „Deutschland schafft sich ab“ in die schwächelnde Sündenbockdebatte (Moslems vs. Banker) und zog den Blickwinkel weg von der Finanzelite hin zu den unintegrierbaren Sozialkassenschächtern aus dem Morgenlande und „Europa braucht den Euro nicht“ kommt gerade recht zur abflauenden Schuldenbockdebatte (Nationalismus vs. Griechen). Beide Bücher besitzen im Übrigen eine interessante Farbwahl. Jetzt wo der faule Grieche keinen mehr hinter dem Ofen hervorlockt, kommt der Finanzexperte des kleinen Mannes daher und suggeriert, dass der Heilsbringer der EU, dass die deutsche Wertarbeit auch ganz gut ohne Europa kann. Schon der Untertitel „Wie uns politisches Wunschdenken in die Krise geführt hat“ hält alle anderen Wegbereiter der Krisen aus dem Focus heraus.

Ein Buch/ein Schriftsteller der medial ignoriert und tabuisiert wird, kann seine Thesen nicht breitenwirksam an den Mann bringen! Also ist die schlechteste Kritik ist immer noch die beste Werbung! Solch ein Aufsehen wurde leider nicht die aktuellen Bücher von Sahra Wagenknecht („Freiheit statt Kapitalismus“), Tim Jackson („Wohlstand ohne Wachstum) oder um „Grenzen des Wachstums – Das 30-Jahre-Update“ des Club Of Rome gemacht, obwohl es deren Inhalte verdient hätten, weit in Gesellschaft und die Zukunftsdebatte hinein getragen zu werden. Bücher die eine Handreichung zum gemeinsamen Verbessern der Lebensumstände für alle darstellen und dafür keine Ressentiments bedienen müssen. Sarrazin dagegen kann nur dissen! Aber konstruktiver Veränderungswille kommt den Lenkern dieses Systems nicht zupass. In diesem Zusammenhang ist immer noch die Vita Sarrazins interessant: Vorstandsmitglied der Deutschen Bahn AG, Berliner Senator für Finanzen, Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank. Trotz aller sozialdemokratischer  Parteien-Fassade bringt er die also besten Voraussetzungen für Handlangerdienste der Finanzoligarchie mit. Eine schöne Anekdote dazu gibt es im Krass-Verpeilt-Blog: „Also ist Thilo Sarrazin der John McClane Deutschlands. John McClane musste im dritten Teil (Stirb Langsam, Anm. d. Verf.) mit einem Schild mit  einer krassen rassistische Parole, durch Harlem laufen. Da Simon der Terrorist aus dem Film Stirb langsam meinte, eine Zuwiderhandlung würde mit einer Strafe bestraft werden. Wird also Sarrazin erpresst? Anders kann man sich die stets ins rechte gehenden Äußerungen von Thilo Sarrazin nicht erklären. (http://www.krass-verpeilt.de/thilo-sarrazin-jetzt-erst-recht/405)

HimmelhochJauchzend

Zur Jauch-Sendung gab es auf den NachDenkSeiten eine ebenfalls schöne (hier gekürzte) Bestandsaufnahme: „… Ja, so eine Diskussion muss möglich sein, dann aber nicht – wie bei Jauch – zwischen einem rechtspopulistischen Sarrazin und einem rechten Sozialdemokraten wie Peer Steinbrück. Das war eigentlich gar keine Diskussion, zumindest kein Streitgespräch. Denn beide waren sich in ihren währungs-, finanz- und wirtschaftspolitischen Glaubenslehren einig. Sarrazin und Steinbrück sind beide der Meinung, dass die Europäische Zentralbank eigentlich nur für die Geldwertstabilität zuständig sein müsse, dass die Schuldenregelungen des Maastricht-Vertrages eingehalten werden müssten, dass gegen das Verbot, für die Schulden des anderen einstehen zu müssen, verstoßen worden sei und dass es wirtschaftspolitisch vor allem um die Exportsteigerung der deutschen Wirtschaft gehe. Da Steinbrück auf diese ideologischen Prämissen teilt und deshalb auch nicht auf die Ursachen für die wirtschaftlichen Ungleichgewichte und die unterschiedlichen Inflationsraten innerhalb der Währungsunion eingehen konnte, musste er Sarrazin, der ständig mit den in seinem Buch ausgewählten Zahlen und Daten hantierte, was die ökonomische Entwicklung in der Vergangenheit angeht, weitgehend zustimmen. Steinbrück konnte nur hilflos darauf hinweisen, dass der Verweis auf die Fehler der Vergangenheit nichts zur Lösung der bestehenden Probleme beitrage und dass das neue Buch Sarrazins keine Handlungsempfehlungen enthalte.

Wieder einmal wurde deutlich, was für ein schlechter Ökonom Steinbrück tatsächlich ist. Den Thesen Sarrazins, dass der deutsche Aufschwung auch ohne den Euro stattgefunden hätte, ja sogar besser gelaufen wäre, dass der Euro – wie man beobachten könne – Europa eher desintegriere als die Einigung vorantreibe, dass die Wirtschaft etwa in Schweden stärker gewachsen sei, dass der Euro gegenüber dem Dollar um 30% aufgewertet worden sei und damit die außenwirtschaftliche Position auch der deutschen Wirtschaft eher verschlechtert worden sei, kurz: dass Deutschland durch den Euro keine Vorteile und für die europäischen „Süd- und Westländer“ nur Nachteile gebracht hätten, hat Steinbrück kaum etwas an Fakten entgegengestellt. Steinbrück fiel noch nicht einmal ein, dass das schwache Wachstum der „exportgetriebenen“ deutschen Wirtschaft vor allem an der vergleichsweise schwachen Binnennachfrage (verursacht durch die reale Lohnstagnation der letzten zwei Jahrzehnte) lag, dass die restriktiven Zinspolitik der EZB die Konjunktur mehrfach abwürgte oder dass die rückläufigen öffentlichen Investitionen (verursacht durch den Steuersenkungswahn) die Beschäftigung hemmten. Steinbrück widersprach noch nicht einmal der Behauptung Sarrazins, dass die deutschen Kreditgarantien von 80 Milliarden Euro gegenüber Griechenland längst „futsch“ seien – und das, obwohl der deutsche Fiskus durch die Zinseinnahmen aus den Krediten und dadurch, dass deutsche Staatsanleihen derzeit sogar mit einem negativen Zinssatz vergeben werden, bisher nur profitiert hat.
Man hätte Sarrazin mit seinen angeblichen Fakten auskontern können und müssen. So etwa mit der Gegenfrage, ob die D-Mark allein angesichts der deutschen Leistungsbilanzüberschüsse gegenüber dem Dollar nicht noch viel mehr aufgewertet worden wäre als der Euro. Man hätte erklären müssen, warum durch die Exportlastigkeit der deutschen Wirtschaft die anderen Länder der Euro-Zone Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze verloren haben. Usw. usf….“ (http://www.nachdenkseiten.de/?p=13294)

Cui Bono?

Bemerkt niemand dieses perfide Doppelspiel?! Ganz egal, ob das Sarrazin-Blatt „zur RECHTEN Zeit am RECHTEN Ort“ bewusst ausgespielt wird oder ob es Zufall ist, dass Thilo immer zur passenden Stunde absenft. In beiden Fällen wurden und werden die üblichen alten Ressentiments bedient und die Sündenbocktaktik bis ins Äußerste ausgereizt. Postwendend sind Bankster sind nun wieder Banker, die Griechen sind die neuen Muslime und Hedgefonds sind weiterhin Hedgefonds. All das, was um Sarrazin herum passiert, spielt den Kapitaklysten in die Hände und lenkt ab vom eigentlichen Problem der Finanzmarkstrukturen und den Verwachsungen zwischen Politik und Wirtschaft. Und nun, wo wieder tagtäglich Occupy-Proteste aufkeimen, wo Bankfurt eigentlich von Hunderttausenden umstellt werden sollte und ironischerweise von der Polizei selbst blockiert wurde, da stolziert Zauberkünstler Sarrazin aufs Tapet, okkupiert wieder einmal alle Titelseiten, Schlagzeilen und Fernsehsendungen, stammelt ein wenig Finanzkauderwelsch und macht innerhalb von 10 Tagen auch noch den letzten Stammtischlegastheniker zum Finanzexperten, zum Gläubigen der Finanzelite, weil alle vermeintlichen Gegner Sarrazins die Kunde vom ewigen Wachstum und der „Kapitalismus wird doch siegen“-Parole nun in allen Medien offen und offensiv weiterhin kundtun dürfen.

Viel Spaß beim Alles-bleibt-anders…

Konstruktive Anregungen und Hinweise (ggf. auch zur Verfestigung dieser These) sind erwünscht!


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