Das Samenkorn Missverständnis …

ist die Erwartungshaltung und am besten ist, man hat keine.
Um verständlich zu machen wie ich das meine, hier eine kleine Geschichte als Beispiel:
man schreibt einem alten Freund, zu dem man schon lange keinen Kontakt mehr hatte aber gern wieder hätte, einen Geburtstagsgruss. Mit allen lieben guten Wünschen, die man für ihn im Herzen hat. Gleichzeitig hat man in Gedanken die Vorstellung: er geht an den Postkasten, holt die Karte heraus, ist ganz berührt über die Geste und freut sich sehr darüber. Man freut sich auch, an dieser Idee, und wartet gespannt auf eine Rückmeldung.

Das Samenkorn Missverständnis …

Nun ist einige Zeit vergangen, die Post müsste längst angekommen sein, nichts passiert. Man hat erwartet, dass da vielleicht ein kleines Dankeschön für’s drandenken kommt. Oder vielleicht ein Anruf, wie: hallo, hab ich mich über diese Überraschung gefreut! Dass du nach all den Jahren an mich gedacht hast, oder Ähnliches. Der Gedanke beim Schreiben war ja, sofort kommt die freudige Reaktion.

Nun ja, denkt man entschuldigend, vielleicht ist der liebe Mensch ja im Urlaub, krank oder sonstwas. Es vergehen viele Tage, es passiert immer noch nichts. So langsam fängt man an sich zu ärgern und das Pflänzchen Enttäuschung wächst: also das finde ich ja nun garnicht gut, aber der war ja schon früher so, das war ja auch ein Grund des Zerwürfnisses … also wirklich, jetzt habe ich ein Kärtchen geschrieben und der sagt nichtmal Danke, so eine Gleichgültigkeit!
So steigert man sich förmlich in die Empörung hinein. Schliesslich hatte man ja eine Art Anerkennung erwartet!

Das Samenkorn Missverständnis …
Text & Fotos © Dagmar Hiller

Schön, schön, aber hat man auf die Karte geschrieben: bitte lieber  Freund, melde dich mal wieder, ich würde mich sehr freuen? Nein! Man hat ganz selbstverständlich angenommen, dass der Empfänger Gedanken lesen kann und sich meldet. So, und über was ärgert man sich nun? Über Nichtreaktion und über das ignorieren der gut gemeinten Wünsche?
Ganz schön dumm, oder? Da verbraucht man sehr viel gute Energie für nichts. Denn wenn man ganz objektiv über die Geschichte nachdenkt: man sollte sich doch eher über sich selbst ärgern, über die eigene Erwartungshaltung und die daraus resultierende Enttäuschung. Dass man für etwas, was man ohne Aufforderung getan hat, die Erwartung des Dankes hat. Man hat das Geburtstagskind aber nicht wissen lassen, dass man eine Rückmeldung erwartet.

Das Samenkorn Missverständnis …

Woher soll der Empfänger also wissen was man von ihm möchte, wenn man ihm den Wunsch nicht mitteilt. Der Ärger über das vermeintliche Desinteresse des Geburtstagskinds ist also völlig unberechtigt.

Wenn man seinen Mitmenschen nicht sagt was man von ihnen wünscht, können diese es nicht wissen und so auch keine Erwartung erfüllen. Schliesslich kann niemand Gedanken lesen. Und doch setzt man ganz selbstverständlich voraus, dass dem so ist!
Ich finde … wenn man lernt zu sagen was man vom anderen will, ist das Klarheit. Z.B: ich tue dieses für dich und erwarte jenes von dir dafür. Dann kann der andere entscheiden, ob er damit einverstanden ist, er kann zustimmen oder ablehnen. So muss man auch nicht enttäuscht, beleidigt oder verärgert sein, wenn man ungefragt etwas für jemanden tut und der nicht reagiert.

Das Samenkorn Missverständnis …

Doch besser ist: wenn man anderen eine Freude machen möchte, sollte man keine Erwartungshaltung auf ein Dankeschön haben und sich einfach freuen, wenn doch eins kommt.


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