Das Restaurant an der Alster

Ich habe vor einigen Jahren bei der Eröffnung eines neuen Restaurants in einer neuen Einkaufspassage gearbeitet. Das Restaurant hatte einen wunderbaren Blick über die Alster. Die Menschen sind in Scharen gekommen um den Ausblick kurz ansehen zu können oder sogar einen Tisch zu bekommen um bei etwas Leckerem zu essen die Aussicht auch länger zu genießen.

Selbstverständlich wurden jede Menge Servicekräfte, Barmitarbeiter, Köche und Pizzabäcker eingestellt.

Gearbeitet wurde im Chef/Commis System, was bedeutet, dass es Stationskellner gab, die die Bestellung mit dem Orderman aufnehmen, dafür zu sorgen hatten, dass die Gäste sich wohlfühlen und kassierten. Die Commis waren dafür zuständig, die Getränke und das Essen an den Tisch zu bringen und gewisse andere Dinge zu erledigen, die der Stationskellner nicht selber ausführen konnte, da er die Station ja nicht verlassen durfte. Es wurde immer abgewechselt, damit es fair bleibt.

Eine meiner Kolleginnen kam aus Perleberg, ihr Name war Steffi und sie hatte irgendwo im Osten Deutschlands ihre Ausbildung in einer Hotelfachschule gemacht. Wir hatten uns ganz gut verstanden und viel unterhalten, während wir Tische und Stühle durch die Gegend schleppten und Geschirr, Besteck etc. auspackten und abwuschen um den Laden einzurichten. An dem Tag, an dem es dann endlich losging und wir zum ersten Mal Gäste haben sollten, war sie auf einmal völlig durch den Wind und unnormal nervös. Ich fragte ob alles ok sei und sie sagte mir, dass sie Angst hätte vor den Gästen. Ich fragte wieso es so sei und sie sagte, sie hätte noch nie Gäste gehabt. Meine Überraschung könnt ihr Euch vorstellen, oder? „Ich dachte Du hast eine Ausbildung gemacht?“ fragte ich. „Ja das habe ich ja auch, aber wir haben nie Gäste gehabt, es war ja nur eine schulische Ausbildung! Da waren nur so ein paar Leute, höchstens 1 Tisch pro Person.“ war ihre Antwort. Oh je, dachte ich im Stillen! Nach außen hin versuchte ich sie ein wenig zu beruhigen. Ich sagte Ihr sie müsse einfach nur ruhig bleiben, egal was passiert, denn mehr als alles der Reihe nach ab zu arbeiten können wir auch nicht tun. Leider hat sie ja auch gleich als Stationskellnerin angefangen.

Als die ersten Gäste kamen war es schlimmer als erwartet, wir wurden regelrecht überrannt. Das Restaurant wurde in 3 Stationen aufgeteilt und Steffi hatte den Mittelteil. Ich hatte den kompletten hinteren Bereich und vorne war jemand anderes eingeteilt. Irgendwann waren die Leute im Mittelbereich unruhig und wütend. Ich sagte ihnen, dass meine Kollegin gleich da wäre, leider war das nicht der Fall. Ich suchte und suchte und fand sie nicht, bis auf einmal  meine Vorgesetzte vor mir stand und sagte: „So, wir haben ein Problem, die Steffi ist gerade nach Hause gegangen.“ Ich war fassungslos. „Wie jetzt, mitten in der Schicht?“ fragte ich ungläubig. „Ja, Du weißt was das heißt?“ kam als Antwort. „Augen zu und durch?“ „Ja, gib einfach Dein Bestes!“ „Mir bleibt wohl nichts anderes übrig, oder?“ Diesmal bekam ich ein resigniertes Lächeln als Antwort. Ok, das geht schon irgendwie, dachte ich und hab richtig Gas gegeben. Bis heute werde ich aber nie verstehen, wieso ich zwei Stationen komplett machen musste und wir nicht die mittlere Station einfach aufteilen konnten, so dass wir das zu zweit hätten wuppen können. Aber es ist am Ende auch egal, denn ich habe es geschafft und ich habe nach der Schicht noch gestanden. Was wohl am wichtigsten ist. Anfangs sind ja die Gäste immer noch ein wenig verständnisvoller, da die meisten wissen, dass man sich bei einer Neueröffnung eben noch eingrooven muß.

In diesem Restaurant habe ich so viele Stunden verbracht wie selten irgendwo sonst! Ich hatte im ersten Monat 220 Stunden gearbeitet,  die uns angeblich alle + einer Umsatzbeteiligung bezahlt werden sollten. Leider gab es weder das eine noch das andere. So landete am Ende alles vor Gericht.

An meinem letzten Arbeitstag lief es ähnlich ab und das nur, weil unser Chef mit seiner cholerischen Art und seinem Nichtbezahlen der Stunden schon viele Kollegen vergrault hat. Zu dem Besten aller afrikanisch stämmigen Abwäschern sagte er mal: “Du bist soviel wert wie der Dreck unzer meinem Schuh.” (Nur damit ihr wisst wie übel er wirklich drauf war.) Ich hatte also eine große Gruppe von ca. 10 Personen da, die nichts anderes als Kaffeespezialitäten wollten. Leider war niemand an der Kaffeebar. Da alle anderen Ihre Getränke vor meinen Gästen bekamen, obwohl meine Gruppe die ersten Gäste waren, die das Restaurant betraten, ging ich hinter den Tresen um den Kaffee selbst zu machen. Mein Chef hat das gesehen und ist verbal dermaßen auf mich losgegangen, dass ich dachte, das war’s! Ich suche mir einen neuen Job. Doch ich machte weiter und hatte später Gäste, die sich darüber beschwerten, dass in ihrem Risotto mit Filetspitzen nur je 3 Stücke Filetspitzen waren. Sie wollten weder was neues, noch etwas anderes. Ich brachte es also zurück und ging zu meinem Vorgesetzten um es stornieren zu lassen. Der Chef bekam das mit und ging zum zweiten Mal an diesem Tag auf mich los, dass es kein Wunder wäre, das die Gäste nichts mehr wollten, bei so einer beschissenen Kellnerin. Er würde von mir auch nichts mehr haben wollen und ähnlich üble Dinge.

Ich ging zu meinem Vorgesetzten, atmete tief durch und sagte ihm, dass dies meine letzte Schicht sein würde, er versuchte mich zu beruhigen und sprach ein wenig auf mich ein, dass ich es nicht persönlich nehmen sollte. Ich wollte aber einfach nicht mehr, denn ich habe mir den A… bis zum geht nicht mehr für meinen Job aufgerissen und das ging für mich persönlich zu weit. Er konnte das schon verstehen und fragte, ob ich denn sofort gehen wollte. Ich versicherte Ihm dass ich die

Schicht noch beenden würde, weil ich niemanden während der Schicht hängen lassen würde, besonders nicht wenn wir sowieso schon unterbesetzt sind. Allerdings liefen mir während der restlichen Schicht die Tränen in Strömen über das Gesicht, was mir extrem peinlich und andererseits auch egal war.

Aber ich habe mich gerächt!!!

Nach der Schicht habe ich noch mit meinem Vorgesetzten gesprochen und ihm auch erzählt, dass meine Blutwerte ganz schlecht sind. Ein Arzt hat damals gesagt es wäre vermutlich Hepatitis (war es zum Glück nicht!) und ich hatte Angst, nie mehr in meinem Beruf arbeiten zu können.

Als ich dann Tage später nochmal zurück kam um meine Arbeitsklamotten zurück zu bringen, lief ich dem Chef schnurstracks in die Arme. Ich redete mit meinen Kollegen, da kam er dann auf mich zu, räusperte sich und fragte mich fast schon verlegen, wie es mir geht. Ich sagte, dass alles ok sei. Er stand vor mir wie ein kleiner Junge zu dem ich allerdings aufschauen musste. Er sagte auf einmal: „Also, äh Frau … Wenn Sie ihren Job aus gesundheitlichen Gründen brauchen, können sie ihn selbstverständlich gerne behalten.“ So war das also, mein Vorgesetzter hatte ihm also gesagt, was los war und er hat gemerkt wie dumm er war, weil er wusste, dass er mich brauchte und hat das nun als Samariternummer hingestellt. Also antwortete ich, ihm fest in die Augen schauend: „Wissen sie was Herr …, ganz ehrlich, ich bin nicht bereit weiterhin für einen cholerischen, sozial völlig inkompetenten Idioten wie Sie zu arbeiten.“ Da musste er mal ganz schön hart schlucken, ich drehte mich auf dem Absatz um und ging befriedigt und in dem Wissen, dass alle Kollegen es mitbekommen hatten heim. Manche mögen es blöd finden, für mich war es dennoch eine Genugtuung


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