Einen neuen Namen für das ehemalige Nesthäkchen zu finden, ist nicht leicht. Es ist jetzt einfach ein Nesthäkchen a.D.. Das beschreibt es einfach am besten. Sie hat schon mächtig damit zu kämpfen nicht mer die kleinste im Bunde zu sein. Sie ist zwar auch begeistert von ihrer kleinen Schwester, möchte sie halten, knuddeln und küssen, aber sie schimpft auch oft, das Baby solle aufhören so laut zu weinen. Sie ist ungestümer als sonst, haut auch mal um sich und beschimpft mich. Sie verfällt in Babysprache und blödelt sehr viel mehr als sonst. Eigentlich kann sie auch weiterhin toll allein spielen, malen usw., aber von einem Moment auf den anderen wird sie plötzlich wild, laut, frech. Als wolle sie verhindern, vergessen zu werden. Dabei bemühen wir uns wirklich, das keiner zu kurz kommt. Jedes Kind hat mich auch mal ganz für sich allein. Möglichst einmal am Tag, aber wenn zum Beispiel das Nesthäkchen a.D. besonders viel einfordert und ständig dazwischenfunkt, wenn es gerade mal nicht geht, dann zehrt das an meinen Nerven. Es kostet mich auch viel Kraft ruhig zu bleiben. Das klappt natürlich nicht immer und so kann ich schon mal mächtig schimpfen. Hinterher frage ich mich dann schon oft, ob das jetzt vermeidbar gewesen wäre oder wie ich die Situation anders in den Griff hätte kriegen können. Nunja, man kann die Zeit aber nicht zurückdrehen.
Für das Nesthäkchen gab es in diesem Sommer eine Menge Umbrüche. Die nächstgrößere Schwester kam in die Schule. Damit einher gingen ein Riesenspektakel bei der Verabschiedung aus dem Kindergarten und ein gebührender Schulanfang mit viel Tamtam und Geschenken (nicht nur für den Schulanfänger). Aber der größere Umbruch war sicher die Geburt unserer Kleinsten. Dazu kam jetzt noch der aufregende Urlaub. Selbst wir Erwachsenen haben an all diesen Umstellungen und Aufregungen zu knabbern. Mir stehen schon wieder die Tränen in den Augen, wenn ich an diese Nacht mit dem Hornissenstich denke. Als mich diese erschrockenen, großen Augen aus dem kleinen geschwollenen Gesicht ansahen und ich wusste, dass jetzt alles ganz schnell gehen muss. Wie du immer schwächer wurdest und schließlich, als der Notarzt dir schon einige Medikament gespritzt hatte, doch noch zusammengebrochen bist. Wir haben schon enormes Glück gehabt. Ein besonders wachsamer Schutzengel war in dieser Nacht bei uns. Und trotz dieses Schocks ist sie wieder ganz der kleine Trotzkopf. Ich weiß nicht, wie sehr sie diese Erfahrung beschäftigt. Als so kleines Kind auf die Intensivstation zu kommen, dann auch noch ohne Mama (mit so kleinem Baby war es mir weder erlaubt im Krankenwagen mitzufahren noch im Krankenhaus mit zu übernachten), ist sicher nicht ohne. Zum Glück durfte sie nach 36 Stunden das Krankenhaus wieder verlassen und wir waren bis dahin abwechselnd immer bei ihr. Trotzdem. Diese Sache wird auch ihren Teil beigetragen haben. Ein weiterer Punkt ist, dass eine sehr gute Freundin den Kindergarten verlassen hat und weggezogen ist. Zur Verabschiedung fehlte die Zeit, denn wir waren im Urlaub.
Nun hoffe ich einfach auf die Zeit, darauf, dass weniger Hektik den Alltag bestimmt und das Nesthäkchen a.D. langsam merkt, dass es nicht wirklich vom Tron gestoßen wurde, sondern immer noch genausoviel Zuwendung erhält, dass es nicht schlimm ist, größer zu werden und gleichzeitig kleiner als die großen Schwestern zu sein, dass es nicht weh tut sich an Regeln zu halten, dass man nicht immer laut und wild sein muss, dass alles seinen Gang geht!