Das Nachhallen der riots

Seit den riots im August dieses Jahres scheint in England kein Tag zu vergehen, an dem kein themenverwandter Artikel in einer Tageszeitung erscheint. Der Ton reicht dabei von populistisch-reaktionären Regierungsbeschluss-Unterstützungen bis hin zu, meistens leider viel zu schüchternen und marginalen Artikeln über mögliche politische Ansätze, die über das Reiz-Reaktions-Schema á la „zero tolerance” + harte Bestrafung hinausreichen.

Das Nachhallen der riots

London, Tottenham High Road im August 2011 Foto: Nicobobinus via flickr

Steinzeitliche Rachegelüste scheinen immer noch in der Mehrheit der menschlichen Gene einprogrammiert zu sein. Es empört sich der berufstätige Sklaven-Mittelständler aus London, dessen vermeintliche Freiheit vor allem im samstäglichen Ritual besteht, sich zwischen dem trendigen Burberry-Mantel oder der neuesten Version des iPads entscheiden zu müssen. Die Verantwortlichen der riots unterscheiden sich in dieser Hinsicht nicht sehr stark vom Rest der Bevölkerung. Beide leben in einer Umwelt, deren Alltagshandlungen ständig von unbewussten Konsumgelüsten angetriggert werden. Und in einer Welt, in der Aussagen von Soziologen wie Simon Hallsworth, der seit Jahrzehnten wertvolle Sozialstudien in den sozial schwachen Vierteln Londons erhebt, selbst im kritischen Guardian nur sehr unauffällig zu Wort kommen. Er sagt: “So these youngsters live in a society where you’re judged by how you dress and the type of phone you carry, yet they’re excluded from jobs that provide the means to buy them.” Das klingt zwar banal, ist aber zentral.

Nichts anderes hatte der amerikanische Soziologe Robert K. Merton bereits im Jahr 1949 beschrieben. Ihm zufolge definiert jede soziale Gruppe bestimmte kulturelle Werte oder Ziele wie zum Beispiel Beruf, Reichtum und Status.

Diese Ziele werden dementsprechend durch eine intensive „Disziplinierung“ erreicht, die von Vorbildern und Institutionen innerhalb der Gesellschaft, also Politikern, Medien und Schulen bereitgestellt werden. Genauso zentral wie banal ist vor allem dies: Die Mittel zu Erreichung dieser Ziele sind durch „institutionelle Normen“ eingeschränkt, also Gesetze, Sitten und Vorschriften. Merton prägte hierfür den Begriff Anomie. Anomie entsteht, wenn eine Diskrepanz zwischen dem Erreichen dieser Ziele und den Chancen, diese Werte mithilfe der (legalen) institutionellen Mittel zu erreichen.

Vielleicht müssen wir unsere Ziele radikal überdenken.

Text: Phire

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