Kennen Sie das? Sie sind irgendwie nicht “kompatibel”: Während der “Durchschnittsdeutsche” angeblich alle möglichen Kriterien und Normen erfüllt, passen Sie in fast keine dieser Schubladen hinein.
Bei mir zum Beispiel geht es schon mit der Figur los: Auch wenn ich über 80 Kilo wiege (so, jetzt ist es raus!) habe ich eine Taille und in den meisten Kleider für sogenannte “starke Frauen” versinke ich oder könnte damit zelten gehen. In den “normalen” Sachen der üblichen Markenkleidung bekomme ich regelmäßig Platzangst. Es gibt keine Kleidung für mich in diesem Land… ich kaufe die meisten meiner Sachen in einem Laden in London für Frauen mit großen Brüsten und weiblicher Figur. Der einzige Laden, in dem ich mir nicht komisch und “ausserhalb der Norm” vorkomme. Ich habe neulich eine Frau getroffen, die erzählte mir, dass sie damit überhaupt keine Probleme habe – ihr passe immer Größe 38 – egal ob bei H&M oder P&C oder sonstwo. Sie hat “die deutsche Durchschnittsfigur” – da fielen mir zwei Dinge auf:
- Sie war die erste Frau, die ich das sagen hörte
- Sie war (und fand sich) selbst auch nicht besonders gutaussehend
Ich kenne kaum eine Frau, die mit sich und ihrem Körper rundum zufrieden ist. Aber es hört ja nicht auf beim Hosenkauf: Jeder Mensch mit dem ich spreche, hat mindestens einen Bereich wo ich dann höre “Naja – ich bin ja nicht gerade die Norm” oder ähnliches. Und glaubt, das sei ein Makel oder ein Nachteil für ihn. Kaum ein Mensch nimmt sich als “Durchschnitt” wahr. Und dennoch scheinen wir alle danach zu streben, irgendwie angepasst zu sein an diese sogenannte “breite Masse”. Doch wer ist das eigentlich? Wo ist sie, diese “breite Masse”?
Und dann fiel es mir auf – es gibt sie nicht! Die “breite Masse” ist ein statistisches Phänomen.
Ein Gedankenspiel: In einem Dorf in dem 10 Menschen leben, könnten 5 davon 90 Jahre alt sein und die anderen 5 wären 30 Jahre alt – und einer von den 30 Jährigen ist jede Woche 10 Eier. Dann hieße das: In diesem Dorf sind die Menschen im Schnitt 60 Jahre alt und essen pro Woche ein Ei. Da würde man sich doch sehr wundern – denn diese Angabe würde auf niemanden zutreffen.
Ungefähr so ist das auch mit der sogenannten “breiten Masse” – sie existiert nur als Masse – sie besteht in Wahrheit aus lauter Individuen, in denen keiner all diese Voraussetzungen erfüllt, die diese Masse angeblich haben soll.
Warum schreibe ich darüber einen Blog? Darum: Weil die meisten Menschen, die ich spreche, sich schlecht damit fühlen, wenn Sie nicht dem “Massengeschmack” entsprechen oder eine Karriere gemacht, eine Figur haben, eine Partnerschaftsgeschichte haben, die der breiten Masse entspricht… das Schlimmste, worunter wir leiden, ist, wenn wir uns “zu” fühlen:
Zu dünn, zu dick, zu klein, zu groß, zu jung, zu alt, zu schlau, zu dumm, zu arm, zu reich, zu lange allein, zu oft verheiratet, zu wenig Erfahrung, zu viel Erfahrung… und so weiter und so weiter. Dann fühlen wir uns “falsch” und suchen nach Wegen, dieses vermeintliche “zu” zu verdecken, zu verstecken, zu vertuschen oder auszugleichen und sich irgendwie anzupassen… anzupassen an etwas, das es in Wahrheit gar nicht gibt.
Und während wir damit beschäftigt sind, das zu verstecken, was an uns “zu” ist, vergessen wir, wir selbst zu sein, echt zu sein, liebenswert zu sein, offen zu sein, neugierig zu sein, Spaß zu haben – und wir wundern uns und sind traurig darüber, dass wir niemanden finden, der einen liebt, “wie man ist”.
Aber wie soll das gehen – wenn man nicht ist, wie man ist, sondern sich schämt oder grämt?
Wenn man sich selbst verurteilt – verurteilt man auch andere. Wer sich selbst kritisiert, macht sich klein und schlecht und wer soll sich dafür interessieren? Wie soll man jemandem glauben, dass man liebenswert ist, wenn man sich selbst nicht liebt? Wie soll man andere lieben wie sie sind, wenn man selbst immer damit beschäftigt ist, nicht so zu sein, wie man ist…?
Du bist nicht die breite Masse. Ich bin es auch nicht – und es ist auch sonst keiner.
Leb’ Dein Leben – hör auf “zu” zu sein!
Yeah!