Das Leben der Rebecca Jones von Angharad Price – Rezension

Rebecca JonesEin ruhiges Fest für meine Augen

Rebecca Jones wird Anfang des letzten Jahrhunderts auf einer Farm in Wales geboren. Die Familie ihres Vaters hat seit über tausend Jahren das Land dort bewirtschaftet. Doch sie hat auch Gelehrte, Dichter und Übersetzer hervorgebracht. Eine ochsenblutrote Truhe im Haus birgt alte Ausgaben, eine Fundgrube für die wissbegierige Rebecca. Doch es sind Rebeccas Brüder, William und Gruff, die blind zur Welt kommen, und Lewis, der im Kindesalter erblindet, denen Bildung und Wissen zuteil werden. Ihre Behinderung führt sie aus dem Tal in eine akademische Welt außerhalb von Wales. Rebecca und ihr Bruder Bob bleiben zurück. Das Leben der Familie inmitten der malerischen Natur ist bescheiden und geprägt vom Rhythmus der Natur und der Landarbeit. Bob übernimmt die Farm, obwohl leidenschaftlicher Leser und politischer Aktivist. Rebecca arbeitet als Näherin und wird, unverheiratet und kinderlos, zum Anker der Familie. (Klappentext)

Ich bin oft skeptisch, wenn Bücher über den grünen Klee gelobt werden. Aber hier verflog meine Skepsis mit den ersten Sätzen, die ich genießen durfte. „Sie nahm die herben Schläge des Schicksals an und bezog sie in ihr reiches Seelenleben ein, das tief in ihr schimmerte wie eine Perle, deren Glanz bis auf ihre Haut drang.“(S. 26) Bei solchen Sätzen muss ich tief durchatmen und sie dann gleich noch mal lesen und genießen. Angharad Price bedient sich einer unglaublich kraftvollen und gleichzeitig poetischen Sprache. Dadurch wird der Alltag auf der Farm, dem sie sich sehr intensiv widmet, zu etwas ganz Besonderem.

Von der Geschichte geht eine wohltuende Ruhe aus, die sich auf mich beim Lesen übertragen hat. Das klingt jetzt vielleicht langweilig, ist es aber keinesfalls. Angharad Price erzählt langsam und detailliert und zwischen den Zeilen knistert die Liebe zu ihrem Land. Ich fand es faszinierend, wie zufrieden man mit einem einfachen Leben sein kann. Rebecca nimmt ihr Schicksal an und hadert nicht. Und das hat mir als Leserin ungemein gut getan.

Angharad Price ändert immer mal wieder das Tempo, detaillierte Schilderungen und Zeitsprünge wechseln sich ab. Sehr eindrucksvoll schildert sie den Abschied der Brüder: „Wir sind drei fahle Liebende in der großen Einsamkeit des Tals und blicken den drei von uns Geliebten nach, die sich in der Ferne verlieren“ (S. 52)

Die gesamte Geschichte lässt sie Rebecca erzählen, beginnend mit der ersten Begegnung ihrer Eltern. So begleite ich Rebecca durch ihr erfülltes Leben, erlebe mit ihr die erste und einzige Liebe, ertrage die Trennung und fühle mich fast schon auf ihrer Farm zu Hause. Ich wollte es am Ende kaum glauben, dass diese Geschichte auf lediglich 170 Seiten erzählt wird. Aber diese wenigen Seiten  waren so reichhaltig und wunderbar, dass sie in mir mehr zurück gelassen haben als mancher dicke Wälzer.

Fazit: Man muss sich schon einlassen auf die eigenwillige und kraftvolle Sprache von Angharad Price. Aber wenn man das schafft, dann erlebt man einen puren Genuss, den nur Worte bereiten können.

Die Autorin

Angharad Price wurde in Wales in der Nähe von Caernafon geboren. Sie ist Schriftstellerin, Kritikerin und Übersetzerin und unterrichtet Walisisch an der Bangor University. ›Das Leben der Rebecca Jones‹ ist ihr zweiter Roman, der bereits bei Erscheinen als erster walisischer Klassiker des 21. Jahrhunderts gerühmt wurde. Im Jahr 2012 feierte die Familie das tausendjährige Überdauern ihres Farmerlebens im Maesglau Valley. (Quelle: Verlagsseite)

„Das Leben der Rebecca Jones“ ist im dtv erschienen.

Leseprobe

Meine Rezension bei Amazon und weitere Infos zum Buch findet ihr hier.


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