Das jüngste Gericht Teil 2

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Die Ankündigung einer Pressekonferenz wurde mit ungläubigem Staunen aufgenommen. Erstens konnte Gott niemals eine Frau sein, schon gar keine junge blonde in einem roten Abendkleid, und zweitens hielt Gott sicher keine Pressekonferenzen ab.

Das weisse Haus kam zum Schluss, dass es sich bei dem Rumschiff um eine Projektion der Russen handeln musste, die einen Weg gefunden hatten, das weltweite Kommunikationsnetz stillzulegen. Die Generäle plädierten für einen präventiven Atomschlag, die Geheimdienste für eine Cyberattacke, doch die Berater des Präsidenten beharrten darauf, vor der angekündigten Pressekonferenz nichts zu unternehmen.

In Frankreich musste eine Fernsehansprache des Präsidenten Hollande abgebrochen werden, da dieser so zu stottern anfing, so dass er keinen vernünftigen Satz mehr sprechen konnte. Seitdem war er unauffindbar.

Frau Merkel schwieg. Das einzige Bild, das von ihr in diesen Tagen zu sehen war, war eine Raute. Aus CDU Kreisen kam die Forderung, Putin mit weiteren Sanktionen zu belegen, wenn die Frau weiter darauf bestand, Gott zu sein.

Rasmussen, der Generalsekretär der Nato forderte alle Mitgliedstaaten auf, sofort aufzurüsten und der Papst hielt eine Ansprache in versöhnlichen Tönen, ganz im Gegensatz zu der vorherigen Aufforderung des Vatikans, die Ketzerin auszuliefern.

Die arabischen Staaten machten die USA und Israel für diesen Akt von „Staatsterror“ verantwortlich, wie sie sagten und drohten mit einem Ölboykott. Einige Staaten verboten rote Frauenkleider und in anderen wurden sogar Frauen auf dem Scheiterhaufen als Hexen verbrannt, weil sie sich rot gekleidet hatten. In Saudi-Arabien wurde Fernsehen bei Todesstrafe verboten. Ganz im Gegensatz zur indischen Regierung, die verlauten liess, das Ganze gehe Indien nichts an. Es handle sich bei der roten Göttin nicht um Shiva.

„Es ist euer Gott und nicht unserer, ihr müsst euch darum kümmern, uns geht das nichts an“, erklärte Narendra Modi in einer Ansprache.

Kurz darauf wies auch Pakistan jede Verantwortung von sich. Es handle sich bei der ganzen Geschichte um eine Erfindung Indiens.

Derweil durchforsteten die NSA und der CIA und noch ein paar andere Geheimdienste, die so geheim waren, dass nicht einmal Obama davon wusste, ihre Datenbanken nach der Frau in Rot. Doch ohne Erfolg. Ohne DNA Probe sei nichts zu machen, meinten die Spezialisten. Die Pressekonferenz sei aber die Gelegenheit eine solche zu bekommen. Darauf wurde ein SWAT-Team zusammengestellt – die Besten der Besten.

Am Tag der Pressekonferenz glaubten die meisten Menschen, gemäss den manipulierten Umfragen, dass das Raumschiff nur eine Projektion sei und die Frau in Rot eine Hochstaplerin.

Trotzdem war der Saal der UNO für die Pressekonferenz hergerichtet worden. Die meisten Länder waren auch mit ihren UNO-Vertretern anwesend. Die Journalisten waren handverlesen und die Sicherheitsvorkehrungen extrem streng. Einige Länder hatten es ihren Journalisten untersagt, teilzunehmen. Andere hatten sie vorsorglich eingesperrt. Eine angekündigte Demonstration gegen Gott wurde in New York verboten und der Gouverneur verhing den Ausnahmezustand.

Dann kam der mit Hochspannung erwartete Augenblick. Der riesige Saal war gerammelt voll, Kamerateams in allen Ecken. Dazwischen schwer bewaffnete Sicherheitsleute. Alle warteten gespannt. In den Fernsehstudios diskutierten Experten, ob die Alien-Frau hinuntergebeamt werde oder mit einem Shuttle landen würde. Vorsichtshalber war jeglicher Flugverkehr in und um New York eingestellt und der JFK Airport von Flugzeugen geräumt worden.

Auf der ganzen Welt sassen die Menschen vor den TV Kisten. Ausser in Saudi Arabien und im Iran, die das Fernsehen verboten hatten. Die Zensoren in den Studios hatten ihre Hände auf den Knöpfen – bereit, jederzeit die Sendung zu unterbrechen oder mit einem Pieps gewisse Worte zu kaschieren.

Doch das nütze alles nichts. Die Satelliten und terrestrischen Kanäle wurden wiederum durch das Alien-Schiff gekapert und zeigten ein Symbol mit einer Pyramide und einem Auge. Dann wurde der UNO-Saal eingeblendet. Doch keiner wusste, woher die Aliens die Aufnahmen hatten. Kameras waren keine zu entdecken.

Im Saal entstand zunehmend Unruhe. Einige Fernsehteams wurden von Security-Leuten aus dem Saal verbannt. Journalisten, die dagegen protestierten, wurden festgenommen und abgeführt. Dann trat Ban Ki-moon trat hinter das Rednerpult und versuchte die Situation zu beruhigen, doch keiner schenkte ihm Gehör. Die Menge war zu aufgewühlt.

In diesem Augenblick erschien neben ihm die Frau im roten Abendkleid. Sie war nicht besonders gross – einen Kopf kleiner als der UNO Vorsitzende – und hatte rot geschminkte Schmolllippen. Einige Menschen lachten ungläubig bei ihrem Anblick. Zwei UNO-Vertreter kippten ohnmächtig von ihren Sitzen, ein dritter erbrach sich auf das Jackett seines Nachbarn. Mitglieder eines SWAT-Teams stürmten nach vorne und nahmen vor dem Rednerpult Aufstellung.

„Hiermit ist die Pressekonferenz eröffnet“, sagte die Frau, und zu Ban Ki-moon gewandt fügte sie hinzu: „Du kannst dich setzen mein Sohn.“

Dann blickte sie in die Runde und sagte:

„Ich bin Gott, ihr seid meine Kinder. Ich habe euch erschaffen und nun bin ich gekommen um mein Werk zu begutachten. Vieles von dem, was ich gesehen habe, gefällt mir nicht. Nun ist die Zeit gekommen, das Gute vom Schlechten zu trennen. Es ist der Tag des jüngsten Gerichts. Mehr ist dazu nicht zu sagen. Wer die heiligen Schriften kennt, der weiss Bescheid. Ich werde nun eure Fragen beantworten.“

Die Frau in Rot machte eine Pause und blickte in die Runde. Jeder Einzelne im Saal hatte das Gefühl, sie blicke ihm direkt in die Seele. Einige fielen in Ohnmacht, andere begannen zu beten.

„Erste Frage bitte. Der kleine Glatzköpfige mit der gelben Krawatte in der dritten Reihe.“

„…aber…aber“, stotterte der kleine Mann, „ich habe gar nicht hochgestreckt…“

„…aber du hast eine Frage.“

Es wurde totenstill in dem riesigen Saal.

„…ja…ja natürlich. …Sind Sie…sind Sie wirklich Gott…ich meine Sie sind eine Frau und Sie sind mit einem Raumschiff gekommen und…“

Die Frau in Rot lächelte und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

„Ich bin der Gott aller Menschen, nicht nur der bärtigen alten Männer. Darum habe ich dieses Aussehen gewählt. Und was das Raumschiff angeht, was wäre wohl geschehen, wenn ich ohne auf die Erde gekommen wäre? Würde ich jetzt da stehen und eine Pressekonferenz abhalten?“

Ein Raunen ging durch die Reihen.

„Zweite Frage, sagte Gott. Die Frau dort hinten, die das gleiche Kleid trägt wie ich.“

Tatsächlich hatte es eine Journalistin gewagt, ebenfalls im roten Abendkleid zu erscheinen. Vielleicht hatte sie damit provozieren oder ihre Solidarität mit Gott zeigen wollen.

„Sind Sie der christliche Gott?“, fragte sie mit belegter Stimme.

„Nein, mein Kind, ich bin der Gott aller Religionen.“

Das war der Augenblick, als in einigen Ländern die Zensoren die Knöpfe drückten, um die Sendung zu unterbrechen. Aber es nützte nichts. Sie hatten keine Kontrolle mehr.

Fortsetzung folgt



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