Das Glück, vor dem Philosophieregal gelandet zu sein

Dann war ich arbeitslos. Ich war noch ein junger Mann und stand zum zweiten Mal ohne Job da. Die erste Arbeitslosigkeit war aber nur ein Witz. Eine neue Stelle hatte ich schon garantiert und so dauerte sie nur ein Monat übergangsweise. Jetzt aber hatte ich diese Stelle nach fünf Monaten wieder verloren. Man hatte mich dort gemobbt. Nun war ich desillusioniert und enttäuscht. Pegida gab es damals nicht. Ich war jung und hatte keine Ahnung. Ich wäre wahrscheinlich mitgelaufen.
Das Glück, vor dem Philosophieregal gelandet zu seinAber es gab die »Infostände« der NPD oder der Republikaner in der Innenstadt. Und als ich da vom Leben enttäuscht durch die Fußgängerzone lief, blieb ich halt mal dort hängen. Die Parolen klangen so schlüssig und endlich nannte mal jemand Namen: Türken, Roma und »die Besatzer«. Irgendwer musste doch die Schuld haben, dass anständigen jungen Männern wie mir so übel mitgespielt wurde. Ich dachte nicht daran, dass die Mobber an meinem letzten Arbeitsplatz gar keine Türken, Roma oder Besatzer waren. Es waren Kerle aus der bayerischen Provinz. Kerle, die gar nicht merkten, wie sie ihr Boss gegeneinander aufwiegelte, um Leistung aus ihnen herauszukitzeln. Ich war der Neue, ich bekam den Status eines dankbaren Opfers angeheftet.

Mensch, die Typen an den Ständen hatten echt Antworten. Und Durchblick. Jedenfalls dachte ich junger Kerl das kurzfristig. Ich war unerfahren und dumm. Wollte mein eigenes Elend mit leichten Antworten sedieren. Das war praktisch. Gebot kein profundes Nachdenken. Man musste einfach nur die Wut an sich heranlassen, dann hatte man zwar keine Lösung, aber wenigstens doch ein Erklärungsmuster - und Sündenböcke. Und das war schon viel für einen, der sich bis dato noch wenig Gedanken über die Gesellschaft, in der er lebt, gemacht hat. Dass ich eigentlich spanische Wurzeln hatte, störte mich nicht besonders. Irgendwann musste man als Ausländerkind doch anfangen sich zu integrieren - oder nicht? Und dass ich als Jugendlicher als einziger Nicht-Türke unter Türken in einem Fußballverein spielte und mich wohl fühlte, hatte ich vergessen.
Als junger Mensch sucht man nach Punkten, die stabil genug sind, um sich anzulehnen. Gewissermaßen sucht man sich selbst, seinen Stand, seinen Tritt. Besonders stabil waren die Antworten der Rechten aber dann doch nicht. Kurzfristig waren sie bequem. Langfristig landete ich in der Stadtbücherei. Als Arbeitsloser hatte ich Zeit. Das Philosophieregal war so schön bunt. Ich griff beherzt zu und las mich mal so durch. Kants Antworten waren dann komplexer als die, die die Republikaner so aus dem Ärmel schüttelten. Feuerbach war großartig. Locke brachte mich zum Nachdenken. Marx. Freud. Ein bisschen Adorno. Und dann Marcuse. Natürlich Marcuse!
Klar, ich habe die Leute, die bei Pegida mitlaufen, in den letzten Wochen schwer verurteilt. Wären da nur lauter junge Leute dabei gewesen, ich hätte gegrinst und gesagt, dass auch die mit ein bisschen Glück vor einem Bücherregal landen. Lasst sie mal Erfahrungen sammeln. Aber dort laufen ja viele Alte mit. Und dass die offenbar noch nie in einer Bücherei zu Gast waren, ist nicht nur traurig, sondern macht die Sache so unangenehm. Woher soll man denn die Hoffnung nehmen, dass die noch mal reifen? Außerdem war zu lesen, dass die Leute auf den Straßen gar keine resignierten Charaktere sind, sondern Menschen aus der Mitte der Gesellschaft.
Tja, so war das damals. Ich habe mich von diesen simplen Losungen befreit. Es hätte auch anders kommen können. Aber dann hieße diese Seite sicher nicht so, wie sie heißt.
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