Das Geschäft mit dem Nazi-Grusel

Zwischen Gala, Süddeutscher Zeitung oder Spiegel soll demnächst auch Hitlers Mein Kampf an deutschen Kiosken angeboten werden. Der britische Verleger Peter McGee bringt Auszüge des Buches in Heftform kommentiert auf den Markt. Es sei längst überfällig, dass eine breite Öffentlichkeit in Deutschland die Möglichkeit erhalte, sich mit dem Originaltext von Mein Kampf auseinanderzusetzen, sagt Mc Gee dem Spiegel – und befeuert damit Diskussionen.

Der Rechtsextremismus-Experte Uwe-Karsten Heye mahnt im Deutschlandfunk zur Gelassenheit: «Wenn mein neunjähriger Sohn heute durch das Netz surfen würde, könnte er dort Hassseiten finden, die nicht ein Gran weniger menschenfeindlich und unerträglich sind, konzipiert und geschrieben von neuen Rechtsextremisten. Von daher denke ich, wir haben allen Grund, uns erneut mit dem intellektuellen Unrat zu beschäftigen, den sowohl Mein Kampf als auch diese neuen Pamphlete beinhalten.»

Dem Verleger allerdings geht es nach Einschätzung des Experten allein ums Geld: «Er spekuliert mit dem Gruselfaktor, den Nazis haben.»

Noch hat Bayern die Rechte an Mein Kampf

Doch es gibt auch andere Positionen. Vor allem dem Bayerische Finanzministerium ist die Veröffentlichung von Hitlers Unrat in Heftchenform ein Dorn im Auge. Bayern ist seit 1945 Rechtsinhaber und hat den Nachdruck von Mein Kampf im In- und Ausland verboten.

70 Jahre nach Hitlers Tod, 2015 also, läuft das Recht allerdings aus. Was dann mit dem Werk passiert, ist unklar. Klar ist jedoch, dass Bayern bald seine Position überdenken muss. Denn auch in Deutschland werden Stimmen laut, die Hitlers Propaganda-Buch entmystifizieren wollen. Das Institut für Zeitgeschichte (IfZ) in München arbeitet schon länger an einer kommentierten und «wissenschaftlich mustergültigen» Ausgabe und investiert Zeit und Geld, ohne bislang eine Erlaubnis für den Druck zu haben.

Die Veröffentlichung von McGees Nazi-Heftchen, wenngleich kommentiert, sieht man dort kritisch. Das Format eines Fortsetzungsromans spreche nicht unbedingt für Seriosität, sagt IfZ-Historiker Bernhard Gotto zu news.de.

Mein Kampf ist frei verkäuflich

Der reine Text von Mein Kampf ist ohnehin in vielen Bibliotheken zu haben; Ausgaben aus der Zeit der NS-Diktatur können antiquarisch erworben werden. Gotto sagt: «Der Mehrwert einer neuen Publikation liegt darum in der Aufbereitung, wenn man also beispielsweise nachvollziehen kann, welche Quellen Hitler benutzte und welche Passagen in den zahlreichen Auflagen und fremdsprachigen Ausgaben abgeändert wurden.»

Unter Druck gesetzt fühlen sich die Historiker durch die Hitler-Heftchenreihe nicht, man spreche eine andere Zielgruppe an: «Uns geht es ja nicht um kommerziellen Erfolg», sagt Gotto. Ziel sei es vielmehr, «eine wissenschaftliche Edition nur im engen Einvernehmen mit der Bayerischen Staatsregierung und anderen interessierten Organisationen zu veröffentlichen, beispielsweise dem Zentralrat der Juden in Deutschland.»

Da die Hitler-Heftchenreihe mit Sicherheit auf den Markt kommt, rät der Rechtsextremismus-Experte Heye, aus der Not eine Tugend zu machen: 160 Tote seien in jüngster Zeit als Opfer rechtsextremer Gewalt zu beklagen. Bei den Straftaten der Zwickauer Terrorzelle hätten Verfassungsschutz und Polizei zunächst nicht in Erwägung gezogen, es könne sich um rechtsextreme Straftaten handeln.

Deshalb findet Heye, man sollte sich den intellektuellen Unrat, der zur Ausformung dieser Ideologie geführt hat, noch mal vornehmen: «Wir sollten einen Diskurs in Gang setzen, in dem die Mehrheitsgesellschaft sich selber noch mal Rechenschaft ablegt, in welcher Weise wir dazu beigetragen, dass wir mit den neuen Nazis nicht angemessen umgehen.»

Quelle:
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Politik Nachrichten -
«Mein Kampf» am Kiosk – Das Geschäft mit dem Nazi-Grusel

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