Das fantastische Gespräch (Folge 1): Lee Marvin

Von Miriam Pharo @MiriamPharo

Bitte erzählen Sie ein wenig über sich, Mr. Marvin. Sie stammen von berühmten Vorfahren ab, wie man hört?

Das stimmt. Einer davon war Thomas Jefferson, der Verfasser der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, außerdem wurde ich nach dem Konföderiertengeneral Robert E. Lee benannt, einem entfernten Cousin. Geboren wurde ich 1924 in New York. Mein Vater war Werbeleiter, meine Mutter Moderedakteurin. Als Kind war ich ein ziemlicher Draufgänger und habe elfmal die Schule gewechselt.

Im Zweiten Weltkrieg waren Sie ein Held und wurden sogar ausgezeichnet. Wie war das?

Damals habe ich mich zu den US-Marines gemeldet und wurde der 4. US-Marineinfanteriedivision zugeteilt. Während der Schlacht um Saipan wurde ich schwer verwundet. Ich konnte ein Jahr lang nicht gehen und erhielt dafür den Purple Heart. Ich denke nicht gern an diese Zeit zurück. Ich war Scharfschütze und habe zahlreiche Japaner getötet. Bis zu meinem Tod habe ich versucht, meine Unschuld wieder zu finden. Lassen Sie uns lieber das Thema wechseln.

Wie kamen Sie eigentlich zur Schauspielerei?

Ich habe die Schauspielerei bei den Marines gelernt. Ich wollte versuchen, während der Schlachten furchtlos zu erscheinen. Nach dem Krieg habe ich am New Yorker American Theatre Wing Schauspielunterricht genommen.  Meine erste Fernsehrolle erhielt ich 1950, die ersten Nebenrollen in Hollywood kamen bereits ein Jahr später.

Ich möchte nicht indiskret sein, aber Sie hatten ein Alkoholproblem, richtig?

Es ist kein Geheimnis. Während der Arbeit habe ich mich grundsätzlich nie betrunken, sondern immer nur an freien Tagen. Einmal allerdings habe ich so getan, als sei ich am Set betrunken. Beim Dreh von „Point Blank“ hatte John keinen Schimmer, wie er die nächste Szene filmen sollte. [Damit ist John Boorman gemeint, der Regisseur des Films –  Anmerk. d. Verf.]. Ich habe ihm an der Nasenspitze angesehen, dass er eine Blockade hatte, also habe ich herumgegrölt und getorkelt, bis der Produktionsleiter die Dreharbeiten unterbrochen hat. Ein echter Spaß!

Mit John Boorman haben Sie sich gut verstanden. Es heißt, er habe Ihnen „Point Blank“ auf den Leib geschrieben?

Ja, wobei die ersten Entwürfe alles andere als gelungen waren. Eines Tages saßen wir zusammen und ich sagte zu ihm: „John, ich mache den Film nur unter einer Bedingung.“ Dann habe ich mir sein Script geschnappt und es aus dem Fenster geworfen. Zum Glück hat er mir das nicht übel genommen. Allerdings meinte er später, dass ein junger Mel Gibson vorgelaufen sein und es von der Straße aufgelesen haben musste. Denn es sei überraschend, wie sehr das schreckliche Script von „Payback“ dem entsprach, was am Anfang von „Point Blank“ stand. Das waren seine Worte! Ich kann es nicht beurteilen. Ich habe „Payback“ nie gesehen. Das war nach meiner Zeit.

In „The Big Red One“, einem Kriegsfilm aus dem Jahre 1979, spielte der deutsche Schauspieler Siegfried Rauch Ihren Gegner. Wie kam er zu dieser Rolle?

Schicksal würde ich sagen. Ich habe Siegfrieds Gesicht auf dem Grund meines Pools gesehen. Vielmehr sein Foto. Auf dem Gartentisch hatte ein Stapel mit Fotos von Schauspielern gelegen, die für die Rolle in Frage kamen. Ich schätze, sein Foto wurde vom Wind fortgeweht und als ich am nächsten Morgen meine Runden im Pool drehte, habe ich das Foto gesehen und gedacht: Er ist es! That’s the Kraut!

Eine letzte Frage, Mister Marvin. Im Sommer 1966 haben Sie in Las Vegas „Die gefürchteten Vier“ gedreht. Bei einer wilden Party haben Sie einen kleinen Skandal verursacht. Können Sie uns mehr darüber erzählen?

Erheitern Sie mich doch mal, Schätzchen. Raten Sie!

Das machen wir. Und vielen Dank dafür, dass Sie uns so viele unvergessliche Momente hinterlassen haben!

Quellen:
Interview mit John Boorman 1
Interview mit John Boorman 2
Siegfried Rauch erzählt
Wikipedia

Ratet mit und gewinnt mit etwas Glück den Erzählband
“Die Großstädter”!

Was könnte während der wilden Party in Las Vegas des Jahres 1966 passiert sein? Eure Fantasie ist gefragt. Unter allen, die bis einschließlich 29. April 2013 diesen Beitrag kommentieren, wird ein Exemplar des Erzählbandes Die Großstädter verlost. Es bleibt zum Raten also genügend Zeit. Eure Antwort muss übrigens nicht richtig sein. Hier ist Kreativität gefragt, nicht die Wahrheit!

Ich werde den Gewinner persönlich kontaktieren und wenn er oder sie nichts dagegen einzuwenden hat, hier auf meinem Blog bekannt geben. Viel Glück!

Die von Jürgen Schütz herausgegebene Taschenbuchreihe mit den großen Erzählern geht bereits in die dritte Runde. Diesmal u.a. mit Nobelpreisträger Orhan Pamuk, Ernest Hemingway und Ian Fleming, der hier mit der bislang noch nicht auf Deutsch erschienenen Erzählung James Bond in New York vorgestellt wird.
320 Seiten, Septime Verlag 2012

Ian Fleming: New York
Orhan Pamuk:
Istanbul
Michael Stavaric:
Prag
Pier Paolo Pasolini:
Rom
Valerie Fritsch:
Havanna + Moskau
Leopold Federmair:
Buenos Aires
Ernest Hemingway:
Madrid
Tobias Sommer:
Hamburg
Richard K. Breuer:
Paris
Marek Kochan:
Warschau
Ralph Doege:
Lissabon
Frank-Rüdiger Schnell:
Rio de Janeiro
John Ross:
Mexiko-Stadt
Georg Elterlein:
Wien
Betty Kolodzy:
Berlin-West
Ines Sommer:
Berlin-Ost
Arezki Mellal:
Algier
Miriam Pharo:
Las Vegas
Elisabeth Schrattenholzer:
Taschkent