Das Ende

Das Ende, schreit Borg, sei das Ende, da käme nichts, rein gar nichts, sein Gesicht läuft puterrot an, er schreit es aus seinem Schreihals heraus, aus seinem Hassgesicht, während wir im Takt des LKW schaukeln, durch die Nacht wippen, fehlte nur noch, dass wir uns unterhaken würden, vielleicht um zu schunkeln, aber daran denkt jetzt keiner, wir denken nicht einmal an Borg, der schreien kann, was er will, wir denken an Mama und Papa und an unsere Schwestern und Brüder, an die Liebste, die zurück geblieben ist, die sich Sorgen machen wird, der man eine Karte schreiben will, einen Brief, alles schön hier, alles herrlich hier, wir liegen in der Sonne und bräunen unsere müden Körper, aber wir schreiben nicht, wir sitzen in diesem LKW, der uns zum Rand eines Waldes bringen soll, keine Sorgen, macht euch keine Sorgen, haben sie gesagt, scheißt euch ja nicht in die Hosen, sagt Borg, der nun ein Lied anstimmt, der von Bergen und Heimat und Freiheit singt, der ein Lied singt, das ich nicht kenne, das ich nicht kennen will, ich will nach Hause, ich will nicht zu diesem Waldstück, und Borg unterbricht sich und schreit, das Ende ist das Ende, danach kommt nichts, wir werden sie ausradieren, lasst euch nur nicht von dem Blut beeindrucken, Blut ist nur Blut, ist nur eine Flüssigkeit, eine weitere Flüssigkeit, das schreit er, während wir an uns vorbei blicken, wir wollen die Augen der Kameraden nicht sehen, wollen nicht den Mut oder die Angst oder die Bereitschaft sehen, nichts von alledem, wir wollen hier raus, wir wollen ein Picknick veranstalten, wir wollen in die Sonne, damit wir vom Sonnenbad berichten können, wer will denn schon davon berichten, unzählige Männer, Frauen und Kinder ermordet zu haben, schon sitzt Borg neben mir, du, schreit er, DU, siehst mir aus wie ein Kindchen, du sehnst dich wohl nach deinen Spielchen, aber das ist hier kein Spiel, Kleiner, hörst du mich, er kommt meinem Ohr näher und näher und näher und näher, ich kann seinen Atem riechen, ein unangenehmer Atem, der nach Zwiebeln stinkt, der mich hilflos macht, ich lächele ihn an, ich, sage ich, ich, sage ich wieder, was, schreit Borg, aber zum Glück stürzt er zum Nächsten hin, schreit, DU, DU, siehst mir wie ein Hosenscheißer aus, keiner rührt sich, alle haben ihre Augen nach innen gerichtet, wollen sich ablenken, denken an die Sonntage, an die Sommertage, bis der LKW bremst, der Takt endet, das Schunkeln hat ein Ende, wir werden durch Gebrüll ins Freie geführt, hinaus, hinaus, ich kann sie schon sehen, Gestalten, Schatten am Waldesrand, die zittern und weinen und sich an einen anderen Ort wünschen, ich kann sie verstehen, ich ahne die Kinder, die Kinder, die Puppen unter ihren Armen tragen, die ihre Puppen beruhigen, alles wird gut, du musst nicht zittern, nicht weinen, wir werden bald schon wieder zurück dürfen, das dürfen wir doch, fragt eine Frauenstimme aus dem Dunkel, Ruhe, brüllt eine Stimme, die der Stimme Borgs ähnelt, aber die nicht zu Borg gehört, denn Borg steht neben mir, ich kann seine Aufregung spüren, gleich, flüstert er, gleich wird es ein Ende haben, flüstert Borg, und das Ende ist das Ende, danach kommt nichts mehr, flüstert Borg und umklammert sein Maschinengewehr, er hält sich daran fest, ich friere, ich kann die Kälte spüren, sie umklammert mich, die Kälte dieser Nacht, die Kälte des Augenblicks, ich starre auf meine Stiefelspitzen und stelle mir vor, ich sei nicht hier, ich würde nur einen Spaziergang machen, ich kann die Bäume rauschen hören, den Wind, der sich in den Wipfeln verfängt, ich kann mein Herz spüren, das davon laufen möchte, während Borg ein letzte Mal flüstert, das Ende ist das Ende, ich nicke stumm, er hat recht, er hat ja so recht, ich würde Borg gerne umarmen, ihn umarmen, bis er niemals mehr spricht, ich würde ihm so gerne das Ende zeigen, aber in diesem Moment kommt der Befehl, wir treten vor, wir nehmen Aufstellung, wir werden das Ende bringen, wieder und wieder, ich will das nicht, ich werde es tun, ich werde die Nacht umarmen, lange, länger, bis ich in der Nacht verschwinde, um zu flüstern, das Ende ist das Ende, danach kommt nichts mehr.



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