Das andere Gesicht Barcelonas

Ich, als Unbeteiligte, wurde Zeugin wie eine Gruppe von vier oder fünf elenden Aasgeiern in der Straße Carrer dels Escudellers eine mutmaßlich ausländische Person körperlich angriffen und ausraubten. Wir, eine Gruppe, die gerade kurz vor Ladenschluss aus der letzten Bar stolperte, sahen mit an, wie die Angreifer den Kopf ihres Opfers immer wieder auf den Boden schlugen. Zwei von uns versuchten, ihn wieder auf die Beine zu bringen und lehnten ihn gegen die Wand, während ein dritter per Telefon den Krankenwagen rief.

barcelona dasanderegesicht

Da erschienen diese schmutzigen Diebe wieder wie aus dem Nichts auf der Bildfläche und beschimpften uns, mit dem Akzent unseres Stadtviertels, wir sollten den Typen liegen lassen. Und obwohl wir zurückriefen, dass es bereits genug wäre, waren sie nicht zur Vernunft zu bringen. Wie machtlose Unbeteiligte wurden wir von dem Pack zurück in Richtung Ramblas gedrängt.

An diesem Punkt angekommen hätte ich mich nicht mehr umdrehen sollen. Mir kam eine dieser Szenen aus Dokumentarfilmen ins Gedächtnis, die so oft über das Leben in der Wildnis gezeigt werden. Wo sich die schnellsten Mitglieder eines Rudels zur Jagd auf ihre potentielle Beute versammeln. Diese ist ihnen nach den zahlreichen Prankenhieben bereits völlig ausgeliefert, bewusstlos, doch sie fallen noch wie Besessene über ihre Eingeweide her. Aus reinem Überlebensinstinkt, nimmt man an.

Mitten auf der Passage standen dort zehn unbeteiligte Polizeibeamte – und ich übertreibe nicht – völlig untätig neben ihren geparkten Fahrzeugen herum. Mehrere Personen unserer Gruppe liefen auf sie zu, um sie auf den Vorfall aufmerksam zu machen und sie zu bitten, dem Opfer zu Hilfe zu eilen. In ernstem, unbeteiligten Tonfall hörte ich einen von ihnen antworten: “wir haben wichtigere Angelegenheiten zu lösen, Fräulein”.

Und ich als Unbeteiligte frage mich, was wohl so wichtig sein kann? Vielleicht patrouillieren sie ja ganz unbeteiligt, damit sich auch nicht eine einzige unbeteiligte Pantomime mehr als erlaubt dort niederlässt. Und auch keine der allzeit akzeptierten ehrwürdigen, unbeteiligten Prostituierten dieser Gegend. Vielleicht patrouillieren sie, um zu vermeiden dass von Unbeteiligten Bierdosen an die unbeteiligten Ausländer verkauft werden, oder um sicherzugehen, dass keiner auf offener Straße isst, Alkohol trinkt, spuckt, uriniert, ohne Hemd herumläuft oder gar nackt, was noch viel schlimmer wäre. Nackt haben dann wohl die unbeteiligten Notfallsanitäter den Körper des inzwischen ebenfalls unbeteiligten Fremden vorgefunden.

Angezogen von dem Aufruhr strömen auch unbeteiligte Touristen herbei, um über all dem völlig auszuflippen. Sie werden in Herden angelockt und ermutigt, mit Geld nur so um sich zu werfen. Und auf riesigen Festivals können sie noch gleichgültiger werden, falls überhaupt möglich. Ist ja auch egal, die paar Tage, die sie hier sind, gilt absolute Freizügigkeit. Obwohl keiner dem Anderen gleicht, so sehen doch viele ein Dollarzeichen in ihren Augen. Während unsere Augen angesichts des erlebten Szenarios vor Schreck und Unglauben unbeteiligt ins Weite starren.


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