Dürfen Beschäftigte Unschmeichelhaftes über ihre Chefs sagen? Grundsätzlich ja, schließlich gibt es die Meinungsfreiheit. Doch was man sagen darf, hat auch Grenzen. Was ist erlaubt, was ist beleidigend?
Dem Chef die Zunge rausstrecken – geht gar nicht. Aber können auch schon verbale Beleidigungen zur Kündigung führen?
Die Meinungsfreiheit ist hierzulande ein hohes Gut. Das gilt nicht nur bei öffentlichen Demonstrationen, sondern auch im Privatrecht. Daher kann sich jeder Beschäftigte im Hinblick auf seine Äußerungen über Vorgesetzte oder die Geschäftsführung auf dieses Recht berufen. Gleichwohl gilt der Vorrang der freien Rede nicht uneingeschränkt. Meinungsäußerungen sind nur im Rahmen der „allgemeinen Gesetze“ und unter Berücksichtigung der Ehre anderer Personen zulässig. So steht es im deutschen Grundgesetz. Diese Abwägung kann dazu führen, dass der Schutz des gesprochenen Wortes im Einzelfall hinter die berechtigten Interessen des Arbeitgebers zurücktreten muss. Die Gerichte sind dabei aber sehr zurückhaltend, wie ein aktuelles Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zeigt (2 AZR 265/14).
Im Streitfall hatte eine Mitarbeiterin des Landkreises bei der Landratswahl kandidiert und im Wahlkampf dem Amtsinhaber vorgeworfen, er würde „Betrügereien“ im Landkreis decken; sie selbst stehe dagegen für eine offene und ehrliche Politik. Der Landkreis sah darin eine Beleidigung des amtierenden Landrats und kündigte das Arbeitsverhältnis fristlos. Zu Unrecht, meinte das BAG. Nach Meinung des Gerichts muss bei Meinungsäußerungen zwischen Tatsachenbehauptungen und Werturteilen unterschieden werden. Wer unrichtige Tatsachen verbreitet, kann sich nicht auf die Meinungsfreiheit berufen. Dagegen sind Werturteile prinzipiell geschützt, solange sie keine Beleidigung oder eine Schmähkritik darstellen.
Pointierte Formulierungen dürfen schon mal sein
Im Streitfall nahm das BAG an, dass der von der Arbeitnehmerin formulierte Vorwurf keine Tatsachenbehauptung, sondern ein zulässiges Werturteil darstellte. Die Arbeitnehmerin habe dem Landrat nicht konkrete Gesetzesverstöße, sondern nur eine mangelnde Transparenz seiner Amtshandlungen vorgeworfen. Dabei habe sie sich pointierter Formulierungen bedient, die im Rahmen eines Wahlkampfs durchaus üblich seien. Im Ergebnis habe sie dem Landrat weder eigenes strafbares Handeln unterstellt noch ihn persönlich beleidigt. Vielmehr seien die Äußerungen so zu verstehen, dass dem Amtsinhaber mangelnder Aufklärungswille und politische Passivität unterstellt werde. Dabei handele es sich im Kern um eine Wertung ohne „greifbaren“ Tatsachenkern. Eine unzulässige Schmähkritik sei damit auch nicht verbunden.
Ganz überzeugend ist diese Begründung am Ende nicht. Denn gerade bei einer pauschalen, nicht auf konkrete Einzelfälle gestützten Kritik besteht die Gefahr, dass Dritte dieser „Parole“ unbesehen folgen. Die Entscheidung ist daher kein Vorbild für eine gelungene Güterabwägung, sondern eher ein Beispiel dafür, wie sich Gerichte gegen den Vorwurf der Zensur schützen.