... dann fahre darein mit gepanzerter Faust

oder Die deutsche Weltpolitik, die stets etwas Gutes will und stets das Böse schafft.
Der mit dem »Platz an der Sonne«, den die Deutschen sich sichern müssten, das war der von Bülow. Der vierte Reichskanzler. Seiner berühmten Äußerung schob er allerdings vor, dass man »niemand in den Schatten stellen« wolle. Handel wolle man treiben, keine Händel beginnen. Wirtschaftsimperialismus eben. Und der braucht den Frieden und nicht den Krieg. Aber eines war klar, »sollte es irgendeiner unternehmen«, die Deutschen an ihrem »guten Recht zu kränken oder schädigen [...], dann fahre darein mit gepanzerter Faust.«
... dann fahre darein mit gepanzerter FaustAlles wurde im wilhelminischen Zeitalter zur Weltsache. Weltpolitik trieb man jetzt. Denn man wollte Weltgeltung. Eine Weltmacht werden. Ein Weltreich. Verantwortung in der Welt sozusagen. Darunter ging nichts mehr. Man sagte, dass man die Lebensart der Völker in potenziellen Kolonien und in denen, die man schon hatte, gar nicht besonders antasten wolle. Es ging ja um Rohstoffe, um das Geschäft. Aber »das Evangelium [...] im Auslande zu künden, zu predigen jedem, der es hören will, und auch denen, die es nicht hören wollen«, war doch wohl das Mindeste. Mit Evangelium war nicht unbedingt die Bibel alleine gemeint. Eher den Kanon, den man damit verband, all die calvinistischen Tugenden, die man der Welt zu bringen trachtete. Sie waren viel eher der Exportschlager. Vortrefflichkeiten wie Sparsamkeit, Pflichtbewusstsein, Pünktlichkeit, Ordnung und Sauberkeit. Wir kennen diesen Katalog noch immer. Man spricht ja wieder Deutsch in Europa.

Die Deutschen scheinen mehr oder weniger immer dieselbe Haltung anzunehmen, wenn sie in die Welt hinaustreten. Sie tun es mit der Rede von Frieden und Wohlstand, von Partnerschaft und Freundschaft und setzen immer noch Nebensätze dran, wie jenen von der gepanzerten Faust. Sie geben sich friedlich, aber warnen gleich vorab, falls das Objekt der Friedensliebe nicht wie gewünscht spurt. Bellizisten sind sie nicht. Sie benötigen den Frieden ja. Unter Kanonendonner machen sich Geschäfte nicht gut. Es ist ihnen also mit Sicherheit ernst. Und daher sind sie gewissermaßen »Teil von jener Kraft, die stets das Gute will und stets das Böse schafft.«
Merkel klingt ein wenig wie Bülow, wenn sie die Zukunft der Ukraine plant. Gauck trägt keinen Zwirbelbart, man muss ihn sich hinzudenken. Steinmeier oder von der Leyen wollen die Welt bestimmt nicht in den Krieg tunken, aber sie fahren darein, wenn notwendig. Man darf diese Leute nicht so einseitig sehen. Mit dem Krieg gehen sie nicht hausieren. Sie wollen das Gute, oder sagen wir, damit es eher stimmt: sie wollen »etwas Gutes« - aber ihre Nebensätze klingen bedrohlich. Deutsche Weltpolitik bedeutet ja nicht zwangsläufig, dass man die volle Eskalation möchte. Bei dem Kriegsmaterial ja auch völliger Unfug. Sie kommt als Anwalt der guten Sache daher. Und wie ein windiger Anwalt nimmt sie gleich eine gespannte Haltung ein, setzt zur Drohung an, wenn die Gegenseite nicht darauf eingeht.
Man sollte die Figuren des heutigen Deutschland nicht mit SS-Jacke karikieren. Das passt inhaltlich nicht so gut. Sie sind Gestalten, die aus dem Wilhelminismus erwacht scheinen. Bülows und Tirpitzens. Kalte Krieger, die es ja auch schon im Zeitalter des Kolonialismus gab. Kraftmeier, die Welttheater spielen wollen. Ihnen gehört eine Pickelhaube und ein gewichster Bart verpasst. Keine Runen. Ihr Auftreten gleicht den Zeitgenossen, die vor dem ersten Weltenbrand die Zügel in der Hand hielten. Wir blicken auf das Hunderjährige dieser Urkatastrophe zurück, begehen Gedenkstunden, sprechen uns gegen ein Europa unter Waffen aus. Aber das wären nicht die primären Lehren, die wir ziehen sollten. Denn der Krieg war lediglich die Konsequenz. Dareinfahren und pathetisches Parolieren führten zu ihm. Und genau das zu erkennen wäre aller Lehren wert.
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