Dankbarkeiten von Delphine de Vigan

Dankbarkeiten von Delphine de ViganMischka hat einmal als Korrektorin einer großen französischen Zeitung gearbeitet – heute fühlt sie sich “zerlöchert” und “ausgeschöpft”.
Worte und Erinnerungen entgleiten ihr, fallen ihr nicht mehr ein. So kommt es dann, dass sie “Das ist nicht nötlich” oder “Nein, dante” sagt. Sie ist dabei allerdings bei vollem geistigen Bewusstsein. Mischka spürt also, dass sie etwas verliert. Sie leidet an beginnender Aphasie – aus dem Griechischen übersetzt bedeutet es “Sprachverlust, ohne Sprache sein”.

Dankbarkeiten ist deshalb aber keinesfalls einer der vielen Alzheimer/Demenzromane. Weshalb ich hier gleich zu Beginn eine dringende Leseempfehlung aussprechen möchte. Denn es geht in diesem Buch um so viel mehr. Um Liebe, Respekt und Dankbarkeit. Ganz besondere Themen sind ein liebevolles Miteinander und Achtsamkeit.
Jérôme beispielsweise ist Logopäde. Er arbeitet mit alten Leuten, animiert sie zum Reden, zum Rätsellösen. Er liebt ihre zitternden leisen Stimmen, schaut sich alte Fotos an mit ihnen.

Hinter ihrem vagen Blick, den unsicheren Gesten, der gebeugten oder gekrümmten Gestalt suche ich … den jungen Mann oder die junge Frau, die sie einmal waren (Seite 39).

Und da ist Marie, eine junge Nachbarin, der Mischka einmal sehr geholfen hat. Es ist für sie ganz selbstverständlich, an Mischkas Seite zu sein und zu bleiben. Als diese einen außergewöhnlichen Wunsch äußert, ist es für Marie ganz klar, ihr bei diesem fast aussichtslosen Unternehmen zu helfen. Mischka möchte einem alten Ehepaar in der französischen Provinz, das ihr vor vielen Jahren das Leben gerettet hat, ein spätes DANKE sagen. Die Schwierigkeit liegt aber darin, dass Mischka damals ein kleines Mädchen war –

Auch Jérôme ist es schließlich ein Bedürfnis, die alte Dame in ihrer Suche nach dem alten Ehepaar zu unterstützen. Die Geschichte wird ab diesem Moment atemberaubend spannend. Es ist ein Wettlauf mit der Zeit und ich habe wahnsinnig mitgefiebert mit Jérôme, Marie und Mischka. Delphine de Vigan erzählt in abwechselnden Kapiteln über sie. So wissen wir immer ein bisschen mehr über die anderen Figuren, da wir aus allen drei Perspektiven die Geschichte miterleben.
Mit ihrem hohen Einfühlungsvermögen sind Marie und Jérôme ganz wundervolle Begleiter für die kleine alte Dame. Sollte mich also je ein Schicksal treffen wie das von Mischka, dann würde ich mir Menschen wie diese beiden an meine Seite wünschen.

Delphine de Vigan hat mit Dankbarkeiten ihren – wie ich finde besten Roman – geschrieben. Wie gewohnt, gelingt es ihr, mit wenigen Worten ganz viel zu sagen. Doch diesmal trifft sie ganz besonders ins Herz ihrer Leser*innen, erschüttert und berührt extrem tief. Eine schmerzhafte Geschichte, die sprachlich wundervoll erzählt ist und starke Emotionen auslöst. Großen Respekt habe ich vor der Leistung der Übersetzerin Doris Heinemann. Ohne das französische Original zu kennen, habe ich das Gefühl, hier wurde mit besonderer Akribie und Sorgfalt gearbeitet.

DANTE und MERDI für dieses Buch!

Delphine de Vigan. Dankbarkeiten. Aus dem Französischen von Doris Heinemann. DuMont Buchverlag. Köln 2020. 163 Seiten. 20,- €. Auch erhältlich als eBook


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