Daniel Craig: «Das würde James Bond nicht tun»

Daniel Craig steht zurzeit für den neuen Bond-Film, der im November in die Kinos kommt, vor der Kamera. Auf der Leinwand legt er gerade in der Hollywood-Adaption des Stieg-Larsson-Thrillers Verblendung als investigativer Journalist Mikael Blomkvist die Stirn in Falten und jagt einen Frauenmörder. News.de traf den Schauspieler in Berlin.

Blomkvist lässt seine Lesebrille gern von einem Ohr baumeln, was ziemlich kauzig aussieht. Wie ist es denn zu dieser Idee gekommen?

Daniel Craig: Ich habe als Kind mal einen Kerl im Urlaub gesehen, der war Wasserskilehrer, der coolste Typ am Strand und der hat seine Brille auch so getragen. Ich erinnere mich, dass mir das damals sehr imponiert hat. Jahrelang hab ich das dann selbst versucht, aber die Brille ist immer runtergefallen. Jetzt hab ich das aber drauf und trage die Brille auch selbst so.

Man könnte Mikael Blomkvist als einen Anti-Bond bezeichnen. Wie sehen Sie das?

Craig: Ach, das ist nicht die Art und Weise, wie ich über meine Arbeit nachdenke. Ich war einfach von der Rolle des Blomkvist fasziniert, ich wusste, dass David Fincher Regie führt und Steven Zaillian hat das Script geschrieben. Das ist ein Angebot vergleichbar mit Der Pate, so etwas kann man als Schauspieler nicht ablehnen.

Wie sind Sie damit umgegangen, dass Verblendung ein Remake ist?

Craig: Ich habe den schwedischen Film nicht gesehen. Also habe ich mich davon nicht verrückt machen lassen. Mich hat interessiert, dass ein Hollywood-Studio bereit war, einen Film über Missbrauch zu drehen, und dass Fincher den Stoff verfilmen sollte. Es ist der Traum, dass Hollywood wieder Filme von dem Kaliber macht, die ich aus meiner Kindheit kenne: Der Pate, zum Beispiel. Filme mit politischen Botschaften, die trotzdem unterhaltsam sind. Wenn ich heute 14 Jahre alt wäre, würde ich mich in diesen Film schmuggeln. Dass dieser Film ein Remake ist, ist für mich ziemlich irrelevant.

Sie spielen einen investigativen Journalisten. In Großbritannien gibt es da gerade ja auch große Diskussionen, da sollen Journalisten die Handys von Prominenten und Verbrechensopfern ausspioniert haben. Haben Sie sich selbst mal als Opfer der Presse gefühlt?

Craig: Opfer ist vielleicht das falsche Wort. Bei Stieg Larsson geht es in erster Linie um Moral. Da hackt sich ein Journalist bei einem Kriminellen ein, um ihn zur Strecke zu bringen, und wenn die Recherche auf einen Kriminellen abzielt, finde ich das auch in Ordnung. Es ist ja nicht der Präsident, der bei der Bild anruft und sagt: Schert euch zum Teufel.

Ach, Sie haben von dem Fall des deutschen Bundespräsidenten Christian Wulff auch gehört?

Craig: Klar, das war ja in den Nachrichten. Aber um ehrlich zu sein, wusste ich nicht, dass Deutschland einen Präsidenten hat. Ich wusste, dass es eine Kanzlerin gibt, aber das war mir neu.

In Sachen investigativer Journalismus gibt es einen schmaler Grad: Sollte man das Handy eines Prominenten abhören, um herauszufinden, wann der zur Toilette geht? Mich interessiert das jedenfalls nicht. Und ich finde, es sollte auch diskutiert werden, ob ein investigativer Journalist, der die Grenze zur Legalität überschreitet, selbst ein Krimineller ist.

Brauchen wir mehr Journalisten wie Mikael Blomkvist?

Craig: Ja, unbedingt. Es gab ja Journalisten in Russland, die ihr Leben verloren haben. Das ist doch unvorstellbar, dass jemand, der die Wahrheit herausfinden will und gegen Korruption kämpft, damit sein Leben riskiert. Solche Menschen sind für mich Helden.

Können Sie sich vorstellen, selbst Ihr Leben für Wahrheit und Gerechtigkeit aufs Spiel zu setzen?

Craig: Um Gottes willen, nein. So mutig bin ich nicht.

Lesen Sie weiter auf Seite 2, warum Daniel Craig es gut findet, wenn Regisseur David Fincher eine Szene zwanzigmal wiederholen lässt…

Wie schwierig ist es für Sie, dass Ihr Gesicht für die Ikone James Bond steht?

Craig: Also, ich vergesse das einfach.

Aber als Sie als Kind Sean Connery in Filmen gesehen haben, haben Sie dann auch vergessen, dass das James Bond ist?

Craig: Ja, ich denke schon. Das hat mich nie gestört. Es war seine Präsenz, die viel wichtiger war. Und ich selbst hatte ja schon eine Karriere, bevor ich Bond gespielt habe. Ich bin einfach nur ein Glückspilz, der auch andere Rollen angeboten bekommt. Ich kann die Leute natürlich nicht davon abhalten, das in Verbindung zu bringen.

Und dass Sie jetzt wieder ein Projekt anfassen, zu dem es womöglich Fortsetzungen geben wird – ist das Zufall?

Craig: Ich habe da keinen Plan, ich möchte einfach arbeiten und wenn sich eine gute Gelegenheit bietet, ergreife ich sie. Was würden Sie tun, wenn Sie ein gutes Angebot bekommen, das gut bezahlt wird? Ich denke da nicht: Ah, super, jetzt hab ich noch ein Fortsetzungsprojekt.

Man hört immer wieder, dass es eine Herausforderung sei, mit dem Regisseur David Fincher zu drehen. Er ist bekannt dafür, Szenen immer und immer wieder zu wiederholen. Wie haben Sie das erlebt?

Craig: Für mich war es eine lohnende Erfahrung, mit ihm zu arbeiten. Manchmal haben wir eine Szene fünfmal wiederholt und das ist ziemlich normal. Und dann gab es auch mal eine Szene, die wir 20 mal wiederholen mussten.

Es heißt auch, er habe ganz genaue Vorstellungen von dem, was er will.

Craig: Stimmt, Fincher ist da sehr pingelig. Wenn er verlangt, einen Dialog nochmal und nochmal zu machen, dann weiß er, dass man alles daransetzen wird, diesen Bann zu brechen. Man möchte aus ausgetretenen Pfaden ausbrechen, um etwas anderes zu machen. Der erste Versuch war dann nicht falsch, aber es geht darum, etwas anderes zu finden. Dabei arbeitet er aber nicht gegen die Schauspieler, sondern versucht, mit ihnen etwas zu entdecken. Alles, was ich vorher gelernt habe, versuche ich in die Szene zu stecken und Fincher fordert mich auch noch darüber hinaus heraus.

Sie haben mal gesagt, dass Fincher zum Teil ziemlich verrückte Dinge von Ihnen verlangt hat.

Craig: Ach, wirklich? Das habe ich gesagt?

Sieht so aus.

Craig: Mist. (lacht) Hm, vielleicht ist die Übersetzung wackelig. Ich denke nicht, dass «verrückt» das richtige Wort ist. Fincher ist immer auf der Suche nach Alternativen, abseits des Gewöhnlichen. Eine meiner Lieblingsszenen im Film ist die: Ich gehe aus dem Haus, falle und der Böse sagt: Komm rein für einen Drink. Und ich sage: ok. Weil ich höflich bin. Ich liebe diese Szene und die stammt nicht aus der Literaturvorlage. Darin steckt, dass wir Menschen immer daran glauben, dass schon alles gut werden wird. Bei James Bond wäre das anders, der würde kampfbereit reingehen, weil er denkt, dass er die Situation schon in den Griff bekommt. In Verblendung ist es aber so, dass man wie bei einem Horrorfilm gleich denkt: Oh, nein – tu’s nicht!

Glauben Sie, Verblendung hat eine Chance auf den Oscar?

Craig: Naja, wie David Fincher sagt: Für einen Oscar gibt es wohl zu viele Anal-Vergewaltigungen im Film. Aber wer weiß?

Verblendung läuft seit den 12. Januar in den deutschen Kinos. Lesen Sie hier unsere Rezension zum Film.

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