... damit alles so bleibt...

"Es muss sich alles ändern, damit alles so bleibt, wie es ist."
- Giuseppe Tomasi di Lampedusa, "Der Leopard" -

Bin punktgenau angekommen. Ende 1922; erste Oktoberwoche, um genau zu sein. Räumlich stimmt es auch: bin ich München. Habe mir bereits zeitgenössische Kleidung besorgt - separater Stehkragen zu kragenlosem Hemd. Nicht bequem, aber unabwendbar, um die Mission erfolgreich umzusetzen. Wenn es nur einen Vatermörder um den Hals kostet, die Menschheit von diesem Herrn Hitler zu befreien, so will ich es ertragen.
Habe am kommenden Montag vor, "bei Hitlers" vorstellig zu werden - möchte in seine Chauffereska gelangen; möchte für ihn eines Tages vertrauensvoll genug sein, um ihm in trauter Zweisamkeit eine Kugel in den Schädel jagen zu dürfen.

9. Oktober. Komme eben von der Parteizentrale zurück. Bin zur eigenen Überraschung gleich ins Arbeitszimmer Hitlers geführt worden. Dort waren mehrere Männer anwesend, glaube Röhm erkannt zu haben - stank nach Schnaps. Hitler in zu engem Anzug. Auf seine Frage, wie mein Namen laute, hätte ich fast meinen wirklichen Namen spanischen Ursprungs genannt - um keinen Verdacht zu schöpfen, taufte ich mich eilig auf Erich Kempka, der augenblicklich erst zwölf Jahre alt sein dürfte, der aber ab 1936 wirklich Hitlers Chauffeur würde, gelangte meine Kugel nicht vorher in sein Hirn.
Es ist überhaupt schwer, als jemand mit dem Wissen der Nachkriegszeit, sich in diesen Jahren des Radikalismus zu bewegen. Man ist ständig geneigt zu spotten, zu lachen, sich an den Kopf zu fassen ob der Naivität jener damaligen, für mich nun gegenwärtigen Menschen.
Hitler fragte weiter, woher ich stamme. Sagte ihm, ich sei aus Posen - ich nannte diese jetzt polnische Stadt, damit es den Nationalsozialisten nicht zu einfach gelänge, nach einen Kempka zu forschen, den es in meiner Statur noch gar nicht gibt. Ob ich sehr traurig sei, weil meine Heimat nun polnisch sei, fragte er. Ich bejahte traurig. Das gefiel ihm. Er kniff mich leicht homophil in die Wange, ich solle übermorgen erscheinen, soll in der Parteizentrale auf Bereitschaft harren.
Lapsus: beim Verlassen des Raumes reckte ich meine rechte Hand gen Himmel. Dabei entfuhr mir ein Heil Hitler! Die anwesende Kamarilla staunte nicht schlecht; der, den ich für Röhm halte, hieß mich einen schleimenden Blödian. Hitler schmunzelte, das gefalle ihm ausgesprochen gut, meinte er erheitert.

26. Oktober. Seit über zwei Wochen im Dienst, meist nur Bereitschaft. Werde aber gebührenfrei verköstigt - für das Herumsitzen Gehalt einzuschieben ist der Werktätigen Himmel. Schlechte Arbeitgeber sind sie ja nicht, die Nazis. Noch nicht - ich weiß ja, dass es anders kommen wird, wenn Hitler nicht vorher verendet, noch bevor er der Führer dieser Bewegung wird. Denn ich habe übrigens mitbekommen, dass nicht alle in Hitler den Mann der Vorsehung erkennen, viele glauben Ludendorff würde es werden. Eine Minderheit wittert gar in Hermann Esser, in dessen Elternhaus meine Urgroßmutter mütterlicherseits noch vor einigen Jahren Köchin war, den Mann der Zukunft.
Die Mitschuld meiner Familie? Servierte sie ihm, im Stile der damaligen Zeit, in Mehlschwitze getunktes Gemüse, welches fabelhaft zum Briefbeschwerer taugte? So hat das Nietzsche mal irgendwo formuliert! Hat dieses bleierne Zeug, dieses Völlegefühl nicht nur Blähungen, sondern auch die Wut des damals noch kleinen Hermann angefacht? Ihn zu einen dieser Rededämonen aus Bierkellern gemacht? Oh, Urgroßmutter...
Hitler oder Ludendorff - oder der Kostgänger meiner Uroma: man scheint sich noch nicht ganz einig zu sein. Erinnere mich an einige Zeilen Joachim Fests, in denen er davon berichtet, dass Ludendorff für eine große Mehrheit als zukünftiger Messias galt.
Sehe Hitler täglich. Kein übler Kerl. Das ist zu viel gesagt: er ist keine Bestie, scheint niemanden wehtun zu wollen. Auf der Bühne wird er zum Tier - das ja! Aber privat ein ausgesprochen liebeswürdiger, durchaus aber auch farbloser, fader Typ. Er siezt mich, geht respektvoll mit Untergebenen um, läßt keine Allüren durchschlagen, obwohl er derzeit Oberwasser hat. Er wirkt wie einer von diesen Spießern, die man aus meiner Zeit auch kennt - der hier hat nur mehr Einfluss, mehr Möglichkeiten. Die späteren Spießer sind da zum Glück etwas eingeengter.

24. November. Mitten in der Nacht klopft mich ein Bote aus dem Bett. Hitler wünsche nach Ingolstadt gefahren zu werden. War sichtlich nervös, sollte also mit diesem gestiefelten Messias - hat das nicht Camus später über ihn geschrieben? Den kennt 1922 kaum einer! - in meine Heimatstadt kutschieren. Muß dort vorsichtig fahren, nicht dass ich im Morgengrauen meine noch nicht zweijährige Großmutter überfahre und damit meine spätere Existenz gleich mit. Makabere Situation. Zog mich eilends an, der Bote meiner wartend - wann gedenkt der Führer zu fahren, frage ich. Wer?, antwortet der Bote.
Stunden vergingen, Hitler tauchte nicht auf. In den Morgenstunden schlurft er in den Saal, setzt sich neben mich, entschuldigt sich aufrichtig. Es wäre etwas dazwischengekommen, von Ingolstadt sei keine Rede mehr. Er habe aber nun erkannt, was für ein treuer Paladin ich sei - steckte mir einige Reichsmark zu; Kaufen Sie sich was Schönes!, empfahl er. Und gehen Sie in die Schellingstraße, Osteria Bavaria. Sagen Sie, ich hätte Sie geschickt - man wird Sie dort auf meine Kosten bewirten. Er reichte mir die Hand, drückte mannhaft zu, sah mir tief in die Augen und lächelte sanft.
Das ist also der Menschenschlächter, der Auschwitz und Treblinka zu verantworten hat - zu den Seinen ist er (noch) gut...

26. November. Bin verwirrt. Soll ich diesen "netten Onkel" wirklich liquidieren? Röhm würde ich ohne mit der Wimper zu zucken erschießen - der ist ein Arschloch! Aber Hitler ist angenehm, manchmal geradezu nett. Die Frauen fliegen auf ihn; er ist für sie ein entzückender Onkel mit Witz und Charme. Habe mich entschlossen, ihn politisch auf den Zahn zu fühlen, damit ich etwas wie Abneigung gegen seine Person entwickeln kann. Wenn er gegen Juden und Untermenschen geifert, wird mir eine Kugel in seinem Kopf leichter vorstellbar werden.

Zurück in der Gegenwart. Habe ihn tatsächlich erschossen! Er wollte von mir ins Münchner Umland gefahren werden. Winterliche Ausflugsstimmung. Das war am 8. Dezember 1922. Hitler war munter, erzählte viel von sich und vom Kriege. Fragte ihn, wie er den Ersten Weltkrieg erlebt habe. Sie sind wohl Optimist, Herr Kempka!, gab er zur Antwort. Ob ich denn glaube, dass ein zweiter Krieg käme - der täte nämlich Not. Wer darauf hoffe, hätte gesunden Menschenverstand. Sprach ihn auf die Juden an. Er schimpfte. Jedoch weniger gewalttätig und derb, als man es als Kind der Zukunft von ihm gewohnt war. Überhaupt präsentierte er keine vorzüglichen Ansichten, alles borniert, eingefahren, wenig weitsichtig - jedoch nie so, dass man den Teufel in ihn erahnen konnte. Man hätte meinen können, mit dem Vertreter des rechten Flügels der Sozial- oder Christdemokraten meiner Epoche zu sprechen; halsstarrig und kratzbürstig, nicht aber diabolisch und mit Hörnern ausgestattet.
Fast wollte ich davon ablassen, die günstige Gelegenheit auszunutzen. Eine fatale Entscheidung wäre das gewesen! Denn wann würden wir wieder einmal zu zweit unterwegs sein? Er vertraute mir zwar, aber sein Zeitplan ließ solche Ausflüge nur selten zu. Fast hätte ich diesen eigenartigen, irgendwie aber doch so menschlichen Kerl laufen lassen. Nur dann, so fiel mir plötzlich ein, wäre ich gezwungen, weiterhin diesen elenden Vatermörder zu tragen - denn an eine Rückkehr in meine Zeit, wäre nicht mehr zu denken gewesen. Man hätte mich aufgrund von Arbeitsverweigerung verklagt. Nein, ich wollte keinen Vatermörder mehr, keinen drückenden, zwickenden Stehkragen, nicht zurückbleiben und mit etwas Pech in Stalingrad verbluten müssen - als er dann an eine starke deutsche Eiche pisste, habe ich ihn erschossen. Feige von hinten - wollte nicht in sein Onkelgesicht blicken müssen, nicht von seinen Onkelaugen angestarrt werden. Ein Schwall aus Blut und Gehirnbröckchen ergoss sich irgendwo südlich von München. Seinen Leichnam ließ ich liegen, flüchtete schnurstracks Richtung Jetzt...
Einige Minuten später war ich zurück. Auftrag erledigt! Ich würde gerne sofort erfahren, wie sich die Geschichte nun anders entwickelt hat, wie der Frieden Europa und die Welt veränderte. Aber wenn ich den Stift aus der Hand gelegt habe, werde ich mich zunächst zur Ruhe betten, den tiefen Schlaf des Mörders schlafen.

Nächster Morgen. Ausgeschlafen. Der Führer, der noch gar kein Führer war, ist seit beinahe einer Nacht und einem Jahrhundert tot. Mache mich auf den Weg zur Stadtbücherei - Geschichte neu erleben. Neugierig wie ein kleiner Junge!
Zurück. Den Bücherregalen entwichen, stellt sich Ernüchterung ein. Der Führer lebte bis 1937 weiter - er nannte sich Erich Ludendorff. Zwar konnte man auch mit dem ehemaligen Generalquartiermeister reichspolitische Weihen vorweisen, ein Kanzler kam aber nie aus Reihen der NSDAP. Bis hierher wäre alles gelungen. Es gab 1933 keine Machtergreifung, die Macht behielten diejenigen, die sie vormals schon hatten. Brüning, Papen, Schleicher - danach varierten diese drei Köpfe, jeder von denen brachte es auf mehrere Amtszeiten, die allerdings nur einige Wochen oder Monate dauerten. Im Juni 1934 stabilisierte Brüning eine Regierung. Er war es auch, der eine Art Ermächtigungsgesetz entwarf - Gesetz zu Bewahrung der Demokratie, nannte er es. Er brauchte keinen Reichstagsbrand. Nach dem Tod Hindenburgs im August '34 arrangierte sich Brüning mit Hugenberg - dieser versprach den Kurs der amtierenden Regierung durch seine Medienpotenz zu unterstützen, dafür griff man seiner Kandidatur zum Reichspräsidenten unter die Arme. Er wurde dann auch Ersatzkaiser! Kampagnen zum großen Wurf jenes Gesetzes, das Arbeits- und Erziehungslager für Erwerbslose, politische Aktivisten und allerlei Nonkonformisten genauso vorsah wie die Auslese volksfremder Rassen, erfüllten das damalige Deutschland. Wahlen wurden ab 1937 ausgeschlossen, um der Kontinuität und dem Aufschwung nicht im Wege zu stehen - Du bist nichts, dein Volk ist alles! sonorte die Wochenschau, gleichzeitig ein weise dreinblickender Hugenberg nickte und die Arme weit ausstreckte, als wolle er sein Volk an sein sperrangelweit geöffnetes Herz drücken. Die Verpflichtungen des Versailler Vertrages wurden nicht schnodderig verworfen, sondern nach und nach, sittsam demokratisch gewissermaßen, gelockert oder ganz gelöst. 1942 wurde der innere Druck und die Unzufriedenheit in der Bevölkerung allerdings so immens, dass man nach außenpolitischer Kompensation suchte - das gespannte Verhältnis zu Polen war ein trefflicher Kompensator. Die Arbeitsämter schickten Armeen zur Reichswehr, die dann um des lieben sozialen Friedens willen, in den Krieg ziehen durfte.

Eine weitere Nacht wie besinnungslos geschlafen. Alles ist anders - alles ist gleich. Es hat sich alles geändert, damit alles gleich bleiben konnte. Dieser Gedanke macht mein Gehirn mürbe.
Gemeinsam mit Frankreich, England und später den USA marschierte Deutschland gegen Stalin, gegen den Kommunismus, nachdem Deutschland mittels der Eroberung Polens zum äußersten Bollwerk der "freien Welt", zur Mark des Freihandels geworden war. Der italienische Faschismus schloss sich diesem Menschheitskampf an. Alte Fotos gehen mir nicht mehr aus dem Sinn: der Duce, wie er Brüning herzt, dessen Wangen küsst; der Duce zu Tisch mit Roosevelt; der Duce, wie er der Zentrumspartei Zentrale einen Besuch abstattet. Und Churchill, nicht als Premierminister abgelichtet, der er nie wurde - Churchill als Anführer einer kleinen Splittergruppe: den englischen Faschisten. Haffner schrieb ja mal, dass man Churchill in den Zwanzigerjahren für den kommenden Mann des europäischen Faschismus gehalten haben könnte - so weit kam es nicht, er blieb der Herr des englischen Faschismus nur: einer überschaubaren Clowneske.
Letztlich gewann keiner den Krieg - nur Verlierer; alles blieb beim Alten. Die NSDAP existierte weiter, focht mit anderen Parteien für die Wiedereinführung des Wahlrechts. Was irgendwann nach Brünings Tod auch geschah. Von da ab zog man regelmäßig als Oppositionspartei in den Reichstag. Das Hakenkreuz wedelt ganz legal in Berlin vor dem Ludendorff-Haus - die Parteizentrale einer aggressiven, darwinistischen Partei, der es aber an Format fehlt; der Hitlergruß ist indessen unbekannt. Nur ein gewisser Kempka, ein Chauffeur und Mörder, so berichtet eine Anekdote des siechen Röhm, habe mal vor diesem frühen Trommler der Bewegung salutiert; vor einem gewissen Hitler, der viel von Putsch und Märschen sprach, ansonsten aber nur quer durch die Bierkeller brüllte. Der Hitlergruß als eine Fußnote, die nur in penibel geführter Fachliteratur zu finden ist!

Ich bin verzweifelt. Da bin ich doch aufgebrochen, um der Welt den Frieden zu sichern, indem ich die Bestie Hitler ermorde, nur um jetzt erkennen zu müssen, dass das, was sie uns in der damaligen Welt gelehrt hatten, nämlich dass Hitler und seine Entourage Monstrositäten seien, ausgesprochener Käse war. Sicher, Juden haben sie in dieser Welt nicht geschlachtet - in Lager steckte, und stecken sie noch immer, Nonkonformisten. Keine Vernichtungslager, Zermürbungslager aber allemal. Die eine Bestie habe ich abgemurkst, nur damit sich andere auf bestialische Pfade machen konnten. Ist die Welt ohne Hitler besser geworden? Für die Zeitgenossen stellt sich diese Frage nicht, sie kennen Hitler nur, wenn sie besonders belesen sind; selbst Geschichtsfexe müssen nachblättern, wer dieser Hitler eigentlich war. Aber sie glauben, in einer guten Welt zu leben - sie leben im Angesicht von Arbeits- und Erziehungslagern, in denen auf Raten gemordet wird; Todesfälle seien ein Versehen, heißt es dann bedauernd, absichtlich käme dort niemand zu Tode.
Die Hölle sollte aus der menschlichen Erinnerung getilgt werden - nie wieder Dachau, schon gar nicht Auschwitz, nicht in Zukunft, nicht in der Vergangenheit: das habe ich mir vor meiner Reise stets vorgebetet, um mir Mut zuzusprechen. Und nun bin ich zurück: der Teufel ist tot, aber die Hölle konnte ich nicht abwenden. Auschwitz lebt, wenn nicht als wirklicher Ort des Grauens, so doch als Synonym - und niemand stößt sich daran. Diejenigen, die in meiner Welt Demokraten waren, die die politische Mitte bildeten, sind in diesem Weltentwurf die Herren der Zermürbungslager. Eine erstklassige Fehldeutung, in Hitler den Schöpfer der Hölle geahnt zu haben - jetzt wüssten meine damaligen Zeitgenossen, dass es nicht an Hitler lag, sondern an seiner Zeit. Hitler hat es angetrieben, hat zur Eile gedrängt - die Demokraten, die später in seinem Geiste dasselbe mit etwas mehr demokratischem Gestus umsetzten, legten nur mehr Gemütlichkeit an den Tag. Sie brachen nichts zu schnell übers Knie; aber übers Knie brachen sie es irgendwann dann doch.

Hitler töten!, lautete die Stellenanzeige, auf die ich mich damals spaßeshalber meldete. Ich habe es getan - und, zynisch gesprochen, eine bessere Welt erschaffen. Eine bessere Welt, in der man sich nicht mehr über Auschwitz ereifern muß - in der man mit Straflagern friedlich und gelassen leben kann. Eine bessere Welt, weil man in dieser seinen Frieden mit der Unterdrückung, mit der Straflagermentalität gemacht hat; weil man in dieser, um es sich nicht zu schwer zu machen, um es sich zu erleichtern, einfach alles mit Demokratie betitelt, um nicht unnötig in Gewissenskonflikte zu geraten. Im Namen des Volkes, ruft diese Zeit, so wie auch meine Zeit dasselbe ausrief; sie nennt sich Demokratie wie meine: sie wäre das bevorzugte Zeitmodell der Demokraten, die ich in meiner Welt einst kannte. Denn in ihr nennt sich der tiefste menschliche Abgrund Demokratie. Wenn Demokratie das erreicht, macht sie sich zum Liebkind der Machthaber. Demokratie bedeutet nicht, so wie man es mir in meiner Welt beibrachte: Auschwitz verurteilen; Demokratie bedeutet: seinen Frieden mit der Hölle machen. Die Beseitigung Hitlers war ein Clou - jetzt haben sie die Staatsform, die sie immer wollten, aber nie haben konnten, ohne in den Ruch der Braunheit zu geraten. Hitler musste sterben, damit die Diktatur zur Demokratie modelliert werden konnte.
Ohne Hitler wäre das, was ohnehin damals in der Luft lag, eher toleriert worden - die Machthaber aus meiner Welt, das erkenne ich heute, waren Hitler nie böse, weil er ein Massenmörder war; sie verurteilten ihn, weil er ihnen Herrschaftsmittel entzogen hat, die ohne seine Übertreibung legitim geblieben wären. Als ich nach 1922 reiste, hallten mir noch jene Demokraten in den Ohren, die auf Hitler schissen und munter das predigten, was man auch 1922, 1929 oder 1934 hätte predigen können: man sprach wieder von Ballastexistenzen, zog über angeblich ethnische Spezifika her - ganz ungeniert. Ich glaubte, wenn ich ihn töte, hätte sich eine solche Denkweise nie durchgesetzt - schön naiv war das! Jetzt ist sie etablierter denn je - jetzt kann man sagen, was man in meiner Zeitlinie nicht mal mehr denken sollte. Ganz ohne Gegenwind...

Nachtrag. Nach einigen Wochen in dieser schönen neuen Welt den Entschluss gefasst, nochmals zurückzureisen. Ich werde Kempka erschießen... das heißt, ich würde ihn erschießen, wenn ich zurück könnte. Meine damaligen Auftraggeber, die mir die Reise ermöglichten, scheinen in dieser Welt nicht zu existieren - ohne sie existiert auch keine Reise...


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