ARTus-Kolumne »SO GESEHEN« Nr. 521
»Zu den ganz wenigen Vertrauten, die Hauptmann geblieben waren«, so Charlotte E. Pauly (1886-1981), gehörte der Schriftsteller Gerhart Pohl (1902-1966). Die Malerin und Schriftstellerin wohnte selbst viele Jahre in Agnetendorf im damaligen Schlesien ganz in der Nähe von Haus Wiesenstein, dem letzten, seit vier Jahrzehnten bewohnten Domizil Hauptmanns. Pohl hatte die damals 58jährige Pauly, die er gut kannte, im durch die Kriegsereignisse nun etwas stilleren Hause Hauptmanns eingeführt und so konnte sie den zurückgezogen lebenden, bald bettlägerigen Dichter in den letzten Monaten und Wochen vor seinem Tode »ein-, zweimal die Woche« besuchen.
»Ich nahm meistens Bilder mit, denn Hauptmann liebte Bilder. Frau Margarete sah meine Besuche nicht immer so gern, und einmal, als sie mich abweisen wollte, tönte von drinnen Hauptmanns Stimme: Die Malerin soll reinkommen!«
Er habe, so die Pauly, oft von seiner Jugend erzählt, von seinen ersten Liebeserlebnissen, über Länder, die er bereist hatte oder in die er hätte gern reisen wollen. Man habe über Fritz Reuter und den spanischen Dichter und Philosophen Miguel de Unamuno gesprochen, den die Pauly noch persönlich kennengelernt hatte.
Pauly hat Gerhart Hauptmann zweimal gezeichnet, »einmal zwei Monate vor seinem Tod, dann auf dem Totenbett.«
Das von ihr stammende, im Haus Seedorn in Kloster hängende Ölbild »entstand zwischen den beiden Zeichnungen«. Hauptmann hat das fertige Bild noch selbst sehen können. Pauly: »Er fand es gut und ähnlich. Das hat mich verwundert, denn er war ja, wie man weiß, sehr eitel, und mein Bild kommt seiner Eitelkeit keineswegs entgegen.«
1966, zum 20. Todestag Gerhart Hauptmanns, hat Charlotte E. Pauly die frühen Hauptmann-Zeichnungen als Vorlage benutzt, um sie mit der Kaltnadel auf Zinkplatten zu radieren. Insgesamt entstanden vier Bildnisse Hauptmanns in kleiner Auflage, darunter drei Ansichten en face und ein Druck »Gerhart Hauptmann auf dem Totenbett« im Format 13,2 x 19,6 cm mit der Bezeichnung »8. Juni 1946«.
Über die erschütternden Geschehnisse der letzten Lebenszeit Hauptmanns, die beschämenden Ereignisse bei der Überführung des Leichnams nach Berlin bis zur Beerdigung Hauptmanns am 28. Juli 1946 auf dem »schlichten Friedhof« (Hauptmann) von Kloster auf Hiddensee, kann man ausführlich im Band von Gerhart Pohl »Bin ich noch in meinem Haus?« nachlesen. Erstmals veröffentlicht wurde das Buch 1953 vom Berliner Lettner-Verlag.
Anschauen und so gesehen auf den für Charlotte Elfriede Pauly einzig maßgeblichen »inneren Wahrheitsgehalt von Kunst« überprüfen kann man ihr Hauptmann-Bild in der Wohndiele des Hauptmann-Museums am Kirchweg 13 in Kloster auf Hiddensee.
Es lohnt! ARTus
Vor 65 Jahren starb der Dramatiker und Nobelpreisträger für Literatur des Jahres 1912 Gerhart Hauptmann. Zeichnung: ARTus