Cyber-Nazi fordert Schäubles Tod

Cyber-Nazi fordert Schäubles Tod

Wolfgang Schäuble

Spiegel Online:
Neonazismus

Cyber-Nazi fordert Schäubles Tod
Ein deutschsprachiger Cyber-Nazi hat in einem Internet-Posting Fotos von Bundesinnenminister Schäuble und anderen vermeintlichen Islam-Apologeten veröffentlicht - und mit einem Hitlerzitat versehen, das wohl als Mordwunsch gemeint sein soll.
Berlin - Im derzeit bedeutsamsten deutschsprachigen vordergründig rechtspopulistischem Internetforum hat ein Mitglied indirekt den Tod mehrerer deutscher Politiker und religiöser Funktionäre gefordert.
Als "Söhne von Affen und Schweinen", die es zu bekämpfen, beziehungsweise "abzuschlachten" gelte, bezeichnete der Cyber-Nazi, der im Internet als "KarlMartellQ" agiert, den Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU), den evangelischen Berliner Bischof Wolfgang Huber, den Richter Ottmar Breidling von Düsseldorfer Oberlandesgericht, den Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Axel Ayub Köhler, sowie den Prediger der Berliner al-Nur-Moschee, Abdul Adhim Kammouss.
Ein entsprechendes Posting hinterließ "KarlMartellQ" jedenfalls in der vergangenen Woche im Forum einer einschlägig bekannten, deutschsprachigen Anti-Islam-Website. Insgesamt stellte er 15 Bilder ein, die zum einen die oben Genannten zeigten. Zum anderen aber auch die vier Angeklagten der so genannten "Zwickauer-Neonazi-Zelle". Diese mutmaßlichen Terroristen verherrlicht "KarlMartellQ" allerdings in dem Posting, ebenfalls mit Hilfe eines aus dem Zusammenhang gerissenen Hitlerzitats.
Das Posting erschien nach Informationen von SPIEGEL ONLINE aus deutschen Sicherheitskreisen just an dem Tag, an dem Ermittlungen gegen die "Zwickauer-Neonazi-Zelle" begann. In jenem Verfahren, in dem den Angeklagten die Mitgliedschaft in einer inländischen und ausländischen Terrorvereinigung vorgeworfen wird, führt Ottmar Breidling den Vorsitz. Schäuble, Bischof Huber und ZMD-Chef Köhler verbindet zudem, dass sie Mitglieder der Islamkonferenz sind. Diese Zusammenhäng sind also ziemlich offensichtlich.
Ebenso offensichtlich ist "KarlMartellQ" Wunsch, dass die fünf im Bild gezeigten "Feinde" getötet werden. Ein expliziter Mordaufruf, gar eine Morddrohung, ist aus der Zusammenstellung der Bilder und Koranzitate allerdings kaum heraus zu lesen.
Wohl eher dürfte es sich um einen "szenetypischen" Vorgang handeln, denn solche Postings sind auf islamophob geprägten Internetseiten gang und gäbe. Nur dass die meisten eben grammatikalisch korrekt geschrieben sind, und nur ganz wenige Poster die deutsche Sprachen so beherrschen, wie jener "KarlMartellQ".
Die Website, auf der "KarlMartellQ" sein Posting hinterließ, ist relativ alt. Sie steht, so ein Verfassungsschützer zu SPIEGEL ONLINE, wahrscheinlich in der Nachfolge der Website des deutschen Ablegers der "Republikaner" (REP). Genau wie diese mittlerweile zerschlagene Internetplattform veröffentlichen auch die Betreiber des aktuellen Forums fast täglich die wichtigsten nur für den internen Gebrauch gedachten Bekennerschreiben und Paulchen-Panther-Kommuniques der einschlägigen neonazistischen Terrorgruppen in deutscher Sprache. Zusätzlich gibt es ein Forum zum Meinungsaustausch - eben hier wurde das Posting von "KarlMartellQ" eingestellt.
Die REP-Plattform war seinerzeit sogar so weit gegangen, selbst Videos zu produzieren, in denen die Nazi-Anhänger mit Anschlägsplänen geprahlt haben, falls die deutsche Bundeswehr und das österreichische Bundesheer nicht in den Iran einmarschieren würden. Als Drahtzieher wurde 2008 ein Wiener Ehepaar verurteilt.
Ob es Beziehungen zwischen den Ex-REP-Aktivisten und den Machern der neuen Website gibt, ist anscheinend ungewiss.

Wie die meisten sicherlich gemerkt haben, handelt es sich hier um eine Satire (ob nun gelungen oder nicht ist sekundär), auf einen realen Spiegel-Online-Artikel von 2009.
Darin ist nicht die Rede vom rechten Terror- oder Mordaufruf, den es seit Jahren bis Jahrzehnten im Internet zuhauf gibt, sondern von dschihadistischen Mordphantasien. Sicherlich ist es wünschenswert, wenn entsprechende Behörden darauf immer ein Augenmerk legen. Vielleicht sogar manchmal wünschenswert, wenn es die Medien differenziert thematisieren. Es ist jedoch seit einem Jahrzehnt so, dass wo immer ein Spinner auftaucht, der sich als Muslim darstellt, sich die Medien begierig draufstürzen. Manchmal werden in deutschen Medien auch weltweit nach Spinnern gesucht, damit sie eine "gute" Schlagzeile produzieren und damit ihre Auflage steigern können. Dadurch wird ein Bild in der Öffentlich erzeugt, als würden wir alle kurz vorArmageddon stehen. Selbst das wäre vielleicht noch nach der Logik nur "bad news" sind "good news" nachvollziehbar.
Was aber ein Versagen der Medien, oder ihre Einseitig mehr als verdeutlicht, ist, dass eben jene Medien in dem letzten Jahrzehnt genau diese obige islamistische Hetze im Internet hätte finden können, nur eben seitens der Neonazis!
Hätten die Medien mit ihrer eigentlich aufklärerischen Funktion, oft auch als 4. Gewalt im Staate umschrieben, sowohl die islamistische Hetze im Netz, wie auch die neonazistische Hetze und Terroraufrufe im Netz in ihren Leitmedien gleichermaßendokumentiert, dann wäre ein Klima in Deutschland entstanden, wo nicht nur nach dem linken Terror, wo nicht nur nach dem islamistischem Terror, sondern wo man auf dem rechten Auge nicht mehr so blind gewesen wäre!
Sicher gab es immer wieder in einigen Medien Artikel, die sich mit dem Rechtsradikalismus beschäftigten, doch nicht in dem Umfange, wie mit der islamistischen Bedrohung, was dazu führte, dass letztere (besonders durch die Öffentlichkeit und Publizistik) viel zu stark überbetont wurde, mit dem Nebeneffekt, dass die meisten Deutschen Islam mit Terrorismus und Gefahr gleichsetzen, was ein Beleg dafür ist, dass einerseits viele mit einem differenziertem Denken überfordert sind, andererseits aber auch die Medien und Politik nicht deutlich genug Islam und dschihadistischen Islamismus voneinander abgegrenzt haben - bis hin zum Abstreiten jeglicher Grenzen von Islam und Islamismus.
Und gleichzeitig eben der Rechtsradikalismus auch durch die Medien in dem gleichen Zeitraum vernachlässigt wurde. Nicht nur Behörden, Politik, Nachbarn haben in den letzten Jahren versagt, nicht nur sie waren auf dem "rechten Auge blind", sondern auch eines der wichtigsten Regularien und Frühwarnsysteme in einer Demokratie, die Presse.
Wie leicht man eine Meldung über Mordaufrufe an Politikern, die sich auch heute noch massenhaft im Internet finden lassen, durch wenige ausgetauschte Worte glauben könnte, zeigt mein obiges Beispiel. Nur wenige Worte reichten aus, und es wurde aus dem islamistischem Bedrohungsszenario ein sehr passendes rechtsterroristisches Szenario.
Letzteres fanden wir leider zu selten in den letzten Jahren in den Medien dokumentiert, mit der Folge, dass fast die ganze Gesellschaft bis auf Inseln der Investigation und des Widerstandes gegen Rechtsextremismus, auf dem rechten Auge blind wurden.


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