Courtney Barnett: Electric Ladyland

Courtney Barnett: Electric LadylandCourtney Barnett
„Sometimes I Sit And Think, And Sometimes I Just Sit.“

(Marathon Artists)
Wem das Folgende zu banal und/oder zu persönlich ist, der sollte jetzt besser ein paar Zeilen überspringen. Denn es wird Zeit für ein Bekenntnis: Heimlich wünscht sich wohl mancher Vater einer heranwachsenden Tochter, aus ihr würde mal eine ähnlich selbstbewusste und selbstbestimmte junge Frau werden wie Courtney Barnett. Das liegt natürlich zu einem nicht geringen Teil daran, dass Barnett ziemlich laut und ziemlich gut Gitarre spielt - warum sich gerade dieser Sachverhalt so faszinierend auf Männer auswirkt (Hashtags: Kim Gordon, Kim Deal, PJ Harvey, Kate Nash, … you name it), muss ein jeder selbst mit seinem Frauenbild oder Therapeuten ausmachen. Hinzu kommt, dass Barnett auf eine sehr erfrischende und hemdsärmelige Art mit ihren Lebensumständen umgeht – es ist anzunehmen, dass auch im stockkonservativen Australien gleichgeschlechtliche Partnerschaften nicht gerade mit lautem Jubel begrüßt werden.
Barnetts Debütalbum klingt trotzdem angenehm unbekümmert, sie spielt ihr Instrument mit ordentlichem Drive und gibt ihm eine wunderbar raue Klangfarbe, an der auch Neil Young, einer der letzten Säulenheiligen in Sachen Feedback und Verzerrung, Gefallen finden dürfte. Gerade die beiden längsten Stücke des Albums, „Small Poppies“ und „Kim‘s Caravan“, sind eher bedächtig bis schwerfällig angelegt und schwurbeln trotzdem gar herrlich. Im Gegenzug stampft das Eröffnungsduo „Elevator Operator“/“Pedestrian At Best“ munter und kraftvoll drauflos, an Stillsitzen ist da wohl nicht zu denken. Auch Barnetts Humor kann eine schnell für sie einnehmen – in einem Interview verriet sie kürzlich, dass viele Textideen in feuchtfröhlichen Jamsessions mit ihrer Band entstünden, auch der Satz „Gimme all your money and i’ll make them origami, honey!“ stammt wohl aus solch einer Sitzung.
Meistenteils sind es sehr persönliche Betrachtungen, die sie zu Lyrics formt, nicht immer aktuell, öfters autobiografisch, stets echt. Kleinstadtdepressionen („Depreston“), Selbstbild trifft Erwartungshaltung („Don't ask me what I really mean, I am just a reflection of what you really wanna see, so take you want from me …”, Kim’s Caravan), es sind die vielen winzigen Allerweltsmomente, die sie sammelt und zusammenfügt: “I'm growing older every time I blink my eyes, boring, neurotic, everything that I despise. We had some lows, we had some mids, we had some highs, sell me all your golden rules and I'll see if that's the kind of person that I wanna be.” Die Erwartungen, die Courtney Barnett mit ihren beiden EPs vor zwei Jahren geweckt hat, hat sie mit dem Album mehr als erfüllt – nun bleibt noch die Hoffnung, dass sich endlich auch die eigene Tochter mal von Taylor Swift, Meghan Trainor und Miley Cyrus emanzipiert – der Papa würd’s ihr danken. http://courtneybarnett.com.au/
12.04.  Berlin, Heimathafen

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