Cosmopolis

David Cronenberg hat immer einen starken Hang zu schockierenden Darstellungen skurriler Ereignisse gehabt. In Filmen, wie „Scanners“, „Videodrome“ oder „Die Fliege“ zeigte er, dass er vor allem auf der visuellen Ebene einiges zu bieten zu haben scheint. Diese Filme haben vor allem eine fremdartige und schockierende Gewaltdarstellung gemeinsam. Cronenberg hat diese Gewalt aber nie nur zum Selbstzweck genutzt. Nie war er oberflächlich und auch, wenn man sich manchmal durch kiloweise organischer Klumpen wühlen muss, um auf die Bedeutung eines Films zu stoßen, waren die Botschaften immer das Wichtigste für Cronenberg.
Außerdem war er immer ein Fan von Kontrasten.
So hat der sich den umstrittenen DeLilio-Roman „Cosmopolis“ geschnappt und ihn ausgerechnet mit Robert Pattinson in der Hauptrolle verfilmt.
Eric Packer ist an der Börse und hat in seinen jungen Jahren sehr viel Geld durch Spekulationen verdient. So viel Geld, dass er es nicht zählen kann und eigentlich interessiert ihn auch nicht mehr, wie viel Geld er überhaupt hat. Ganz nebenbei erfährt er, dass er jetzt gerade tonnenweise Geld verliert, aber auch das ist ihm irgendwie egal. Wichtiger ist, dass es mal wieder Zeit für einen Friseurbesuch wird.
Also steigt er in seine Limousine und los geht die Fahrt quer durch die Stadt. Allerdings ist der Präsident in New York und ganze Straßenzüge werden abgesperrt. Außerdem sind verschiedene Demonstrationen von anarchistischen Randgruppen angekündigt und Eric hat – wie so oft – eine Morddrohung erhalten. Sein Sicherheitschef ist entsprechend beunruhigt, aber Eric will sich die Haare schneiden lassen. Und zwar nur  bei seinem ganz speziellen Friseur, der seinen Laden am anderen Ende der Stadt betreibt.
So geht es in der gepanzerten Limousine im Schritttempo durch New York. Eric sitzt in diesem isolierten Raum in Mitten eines absoluten Chaos und bleibt dank ausgeklügelter Schalldämmung doch komplett unberührt.
Unterwegs bekommt Eric Besuch seiner Mitarbeiter und Partner und auch von seinem Leibarzt. Trotz der zahlreichen Kontraste, denen Eric ausgesetzt ist, bleibt er durchweg emotionslos, selbst, als er dem Mörder in spe gegenübersteht.
Ich gebe gleich zu, dass ich die essentiellen Botschaften dieses Werks nicht verstanden habe. Glaube ich. Das Grundmotiv ist relativ klar. Ein völlig von der Welt entrückter Mann, fährt durch die Stadt. Unberührt von Freude und Leid ist er nur auf ein absolut banales Ziel fixiert und verfolgt dieses ebenso stoisch, wie kompromisslos. Hin und wieder scheint er neues erleben zu wollen und lässt sich zu zahlreichen unerwarteten, nahezu selbstzerstörerischen Aktionen hinreißen. So krass diese Aktionen aber auch sein mögen, nichts vermag seine eisige Lethargie zu durchbrechen.
So wird auch ganz klar eine Welt draußen und eine Welt drinnen geschaffen. Alles, was außen ist, hat keinerlei Chancen, zu Eric durch zu dringen. Sogar seine Ehefrau, die zunächst auf der gleichen Ebene zu existieren scheint, entfernt sich immer mehr von ihm.
Große Teile der Handlung passieren hier in Dialogen. Diese Dialoge nutzen eine sehr künstlerische Sprache, die die Entrücktheit der Protagonisten von der vermeintlich normalen Welt noch verstärken. Leider sorgen sie auch dafür, dass man bald nichts mehr versteht. Trotz der präzisen Sprache, verwendet Packer Metaphern, deren Bedeutung so bombastisch ist, dass man sie nicht erfassen kann. Die Gesellschaftsstudie in „Cosmopolis“ ist komplex und hebt sich durch diese Komplexität noch weiter vom normalsterblichen Publikum ab.
Abgesehen von der komplizierten Handlung, bietet der Film einen absolut packenden visuellen Stil. Cronenberg lässt die größten Teile seines Films tatsächlich in der Limousine passieren. Das Finale hingegen spielt sich in einem abbruchreifen Mietshaus ab, wodurch erneut absolut starke Kontraste geschaffen werden.
Robert Pattinson schafft es übrigens sehr überzeugend, den weltfremden Broker zu spielen. Auch, wenn er durchweg emotionslos sein muss, hätte ich nicht gedacht, dass Pattinson diese Aufgabe so souverän meistert und ich hatte befürchtet, er wäre der große Schwachpunkt des Films.
„Cosmopolis“ ist ein merkwürdiger Film, der seine Botschaften über den Verfall unserer Gesellschaft in den Chefetagen der Welt zunächst mit dem sprichwörtlichen Holzhammer ein zu bläuen scheint, sich dann aber in komplizierten Dialogen verliert. Cronenberg wollte hier eindeutig die Ehrfurcht vor der Vorlage mit einfließen lassen, was ihm auch gut gelungen ist. Abschließend sei zu sagen, dass man diesen Film sicherlich  mehrmals sehen muss, um wirklich alles zu erfassen. Allerdings nur, wenn man sich darauf einlässt, auch Dinge zu erfahren und zu erkennen, die man vielleicht gar nicht wissen will.
Cosmopolis (USA, 2012): R.: David Cronenberg; D.: Robert Pattinson, Juliette Binoche, Paul Giamatti, u.a.; M.: Howard Shore; Offizielle Homepage
In Weimar: lichthaus
Der Filmblog zum Hören: Jeden Donnerstag, 12:00 bis 13:00 Uhr auf Radio Lotte Weimar.

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