Es ist schwer, aktuell über etwas andere zu schreiben als Corona. Eigentlich hatte ich mir das Thema Ausbildungsmarkt vorgenommen, aber da ist Pandemie-bedingt aktuell nicht viel los. Wirklich beeindruckend fand ich aber eine Grafik, die ich in einer Publikation der Bundesagentur für Arbeit gefunden habe, nämlich über die Zahl der Kurzarbeiter.
Nun gehen die Daten der Bundesagentur für Arbeit eigentlich an alle großen Medienhäuser, aber ich habe das Thema prominent bisher nicht gefunden. Nun muss ich zugeben, dass ich aktuell mit drei Kindern, die nicht in die Schule oder den Kindergarten gehen können, relativ wenig Zeit zum Zeitung lesen habe, zumal meine Auftragslage durch die Krise nicht schlechter geworden ist. Trotzdem schaue ich hin und wieder, was so los in der Welt ist und habe zwar gelesen, dass es aktuell für 7,5 Millionen Menschen Kurzarbeit angezeigt wurde, aber wenig dazu, was das eigentlich bedeutet.
Angezeigte Kurzarbeit
Zur Arbeit mit Statistiken gehört es, sich zunächst einmal klar zu werden, was eine Zahl eigentlich bedeutet. Bei der Kurzarbeit ist es so, dass Unternehmen Kurzarbeit anzeigen müssen, bevor sie tatsächlich Kurzarbeitergeld beantragen können. Sie müssen die Leistung dann aber nicht in Anspruch nehmen, das bedeutet, die Anzeigen sind die Obergrenze der Inanspruchnahme. Wie viel Menschen tatsächlich Kurzarbeitergeld für April beziehen werden, lässt sich daraus nicht schätzen, so die Bundesagentur für Arbeit.
Das sieht schon mal sehr beeindruckend aus. Selbst die Kurzarbeit während der Finanzkrise verblast gegenüber den aktuellen Anzeigen. Dabei habe ich nur die Anzeigen aus konjunkturellen Gründen genommen. Es gibt daneben noch das Saison-Kurzarbeitergeld, das in Außenberufen wie bei Bauarbeitern gezahlt wird, wenn vor allem im Winter nicht gearbeitet werden kann. Es wird daher auch Schlechtwettergeld genannt. Daneben gibt es das Transfer-Kurzarbeitergeld, das eher eine Art Arbeitslosengeld ist. Unternehmen können bei Personalabbau eine Transfergesellschaft einrichten, statt die Mitarbeiter direkt zu entlassen. Sie werden dort weitergebildet und vermittelt. Statt Arbeitslosengeld erhalten sie dann Transfer-Kurzarbeitergeld.
Wir betrachten nur konjunkturell bedingtes Kurzarbeitergeld
Kurzarbeitergeld in unserem Sinn ist nur das aus konjunkturellen Gründen. Ich habe auch nur das verwendet. Bei den Zahlen muss man Anzeigen und Mitarbeiter in Anzeigen unterscheiden. Jede Anzeige steht im wesentlichen für einen Betrieb, wir betrachten hier die Mitarbeiter in Anzeigen.
Leider reichen die einzelnen Zeitreihen der Bundesagentur für Arbeit immer nur einige Jahre zurück, ich habe daher die Daten aus fünf Berichten zusammengeführt, um die obige Grafik zu erstellen und bis ins Jahr 2003 zurückzublicken. Ich hoffe, ich bin dabei nicht mal in die falsche Spalte gekommen. Leider hat sich auch die Anspruchsgrundlage in der Zwischenzeit etwas geändert, neben der Konjunktur kann auch das die Zahlen beeinflusst haben.
Die Recherche war auch ein interessanter Blick zurück, denn in den ältesten Berichten gibt es noch Arbeitsämter und auch die Aufmachung in Excel war noch deutlich weniger professionell als heute. Selbst die üblichen methodischen Hinweise fehlen in den ältesten Berichten.
Betroffene Branchen
Im Januar 2020 waren rund 33,6 Millionen Menschen in Deutschland sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Nur sie können Kurzarbeitergeld erhalten, Selbstständige und Minijobber nicht. Das bedeutet, fast ein Viertel war in Kurzarbeit.
Besonders betroffen sind nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit das Gastgewerbe (91,6 Prozent), die Metall-, Elektro- und Stahlindustrie (43,8 Prozent) und die sonstigen Dienstleistungen, zu denen auch in Privathaushalten beschäftigte Menschen zählen (42,7 Prozent). Übrigens ist auch im Gesundheitswesen Kurzarbeit verbreitet, immerhin 20,8 Prozent der Beschäftigten arbeiten dort kurz.
Anzeigen und tatsächliche Kurzarbeit
Daten zum tatsächlich in Anspruch genommenen Kurzarbeitergeld liegen noch nicht vor. Auch eine Hochrechnung ist nicht möglich, denn es fehlen die Erfahrungswerte für eine solche Situation, auf deren Basis man eine solche Schätzung vornehmen könnte. Die Bundesagentur für Arbeit hält dazu eine schöne Übersicht bereit, die sogar bis ins Jahr 1992 zurück reicht (allerdings nur mit Jahresdaten).
Die Statistik hält eine Überraschung bereit, die Zahl der Kurzarbeiter entspricht nämlich in einigen Jahren nur rund 20 Prozent. Ein genauerer Blick in die Daten zeigt aber, dass es sich bei den Kurzarbeitern nur um Jahresdurchschnitte handelt. Denn nicht jeder Kurzarbeiter ist das ganze Jahr in Kurzarbeit gewesen. Die Zahl der Meldungen ist dagegen eine Jahressumme. Nun könnte man denken, man müsse die Jahresdurchschnitte einfach nur mit 12 multiplizieren, doch das geht leider auch nicht. Denn eine Anzeige wird nur einmal abgegeben, auch wenn das Kurzarbeitergeld dann sieben Monate bezogen wird.
Der gleiche Effekt zeigt sich leider auch bei den Monatszahlen. Dort liegt die Zahl der Kurzarbeiter teilweise höher als die der Anzeigen. Warum? Weil Menschen, deren Kurzarbeiter schon in den vergangenen Monaten angezeigt wurde, weiter Kurzarbeitergeld beziehen.
Insofern ist die Formulierung, die Anzeigen würden die maximale Zahl von Kurzarbeitern beschreiben, etwas unpräzise. Sie gibt an, wie viel Kurzarbeiter im April maximal hinzukommen. Die bereits vorher Kurzarbeitergeld bezogen haben, kommen noch obendrauf, sofern ihre Kurzarbeit nicht endet.
Das bedeutet, ich kann an dieser Stelle nicht das tun, was ich eigentlich vorhatte, nämlich eine Statistik über das Verhältnis von angezeigter zu realisierter Kurzarbeit vorstellen.