Clean

Meine Meinung:
Selten schaffen es Bücher, wirklich sehr selten schaffen sie es, dass ich sie absolut gar nicht leiden kann, aber Glückwunsch - „Clean" darf sich diese Medaille umhängen.

Fangen wir mit Lexi an, die uns ihre Geschichte erzählt, eine Geschichte, die überzeugend beginnt, wo man mitfühlen kann, ihr helfen möchte - bis sie, naja, zu einem Miststück wird. Obwohl wartet, vermutlich war sie es auch vorher, zumindest hat sie die Selbsteinsicht, auch selbst von sich zu behaupten, nicht der netteste Mensch zu sein.

Das Buch ist so voller Klischees, dass man sich irgendwann in einer Folge Gossip Girls wiederfindet, was vermutlich irgendwie okay wäre, wenn man hier nicht eine Geschichte zu sehr ernsten Themen, die man auch so behandeln sollte.

Lexi ist eine reiche Hotelerbin, man könnte Parallelen zu Paris Hilton ziehen - es wird gefeiert, gefeiert, gefeiert und ein wenig in die Kamera gelächelt. Ihre Eltern sind geschieden, lieferten sich einen Rosenkrieg um Geld und Kinder, was an Lexi und ihrem Bruder nicht spurlos vorbeiging. Hier trifft der Spruch, armes reiches Mädchen zu.

So kommt Lexi, nicht wirklich freiwillig, in die Clarity-Klinik - Parallele Betty Ford Center.
Es ist, sagt man es drastisch, eine Entzugsklinik für die Reichen - würde man es nicht wissen, man könnte durch die Beschreibungen meinen, man wäre dort nur kurz auf Urlaub. Und es gibt natürlich auch eine Insassin, die nicht reich ist und nur durch das Wohlwollen einer Stiftung dort einen Platz findet. Ich lasse es jetzt einfach unkommentiert, dass die einzige „Arme" in der Truppe schwarz ist.

Damit der Leser auch nie vergisst, dass es sich hier um reiche Jugendliche handelt sagt man nicht so Sachen wie - er stand vor mir in Jogginghosen, er Blicke auf die Uhr an seinem Handgelenk, schnell zog sie sich ein Kleid über, nein, es musste schon heißen, er stand vor mir in einer Jogginghose von Abercrombie & Fitch, er blickte auf seine Rolex, schnell zog sie sich ein Kleid von Chanel über.
Sind jetzt nur Beispiele, die sich aber durch die gesamte Geschichte hindurchziehen, man darf sich gerne fragen, wofür? Wir haben es ja schon verstanden, dass die Klinik sehr dekadent ist, jetzt werden wir auch noch mit Marken zugeknallt.
Nervig fand ich es nicht unbedingt, weil das Buch so dermaßen auf den Reichtum fokussiert ist, nervig fand ich es, weil es verdammt nochmal nichts mit der Geschichte zu tun hatte!

Kommen wir mal zu etwas guten, wir wollen dem Buch gegenüber ja nicht nur negativ sein - die Vielfalt der Persönlichkeiten, all ihre unterschiedlichen Probleme, sie sind authentisch. Ruby, die aus Einsamkeit isst, weil Nahrung sie tröstet. Kendall, die gegen die Magersucht kämpft und eigentlich nur gegen ihren eigenen Körper, wo sie doch im falschen geboren wurde. Guy, der mit seinen Zwangsneurosen, dadurch oft mit seltsamen Verhalten auffällt. Saif, der Aufputschmittel braucht und wohl der Einzige ist, der nicht wirklich einen Fehler daran sieht.

Und dann ist da natürlich noch Brady, natürlich ist da noch Brady und könnte Gossip Girls ohne Liebesgeschichte auskommen? Nein, weshalb auch Clean eine braucht, verquer und seltsam, aber obwohl ich versuchte nicht zu urteilen, konnte ich oft einfach nicht mit dem Kopfschütteln aufhören. Damit waren nämlich schon die guten Seiten des Buches beendet.

Noch ein bisschen Klischee für zwischendurch - wer glaubt ihr, kann das unzähmbare Pferd auf der Insel zähmen, an das nicht mal die Pferdetrainerin rankam?
Wer dringt zu der extrem verrückten Patientin durch, an die es sonst kein Rankommen gab? Richtig, Lexi! Und jetzt alle im Chor - Lexi! Lexi! Lexi!

Ehrlich, irgendwann versuchte ich mit Lexi mitzufühlen, manchmal ließ sie auch menschliches Durchblicken, aber als das Buch gegen Ende zusteuert schmeißt sie immer noch mit Sätzen wie:
Hinter ihm beäugen mich die dauergebräunten, überkonturierten, kunstbewimperten Kosmetik-Mädchen misstrauisch. Ich werfe ihnen einen finsteren Blick zu. Zahle schließlich das Gehalt dieser hirnlosen Schminkpuppen. (Seite 325)

„Ich heiße übrigens Lexi Volkov. Und vielleicht kaufe ich diese Schule hier einfach. Bloß um zuzusehen, wie Sie rausgeschmissen werden. Das wäre doch mal eine hübsche Konsequenz." Das Wettstarren, bevor ich gehe, gewinne ich. Sie schaut zuerst zur Seite, denn sie weiß, dass ich meine Drohung wahr machen könnte. (Seite 330)

„Wie ich hörte", sagt Nevada, „hat Waleed Aziz das Gebäude vor zwei Jahren für hundertdreißig Millionen gekauft. Und das war, bevor sie den Superkeller eingebaut habe."
Ich bin unbeeindruckt. Nur arme Leute reden auf diese Art und Weise über Geld. Wer Geld zählen muss, der hat nicht genug. Eigentlich kann ich mir das Haus jetzt schon ziemlich genau vorstellen. (Seite 335)

Schade, ich habe erst zum Schluss begonnen, solche Sätze zu markieren, zu Beginn dachte ich nämlich noch, ach, da kommt sicherlich noch eine Veränderung, dass ihr Geld die Welt auch nicht besser macht, also ich meine das Geld von ihren Eltern, sie hat selbst ja überhaupt gar keines.

Erleuchtung blieb aus, aber ich möchte mit einem anderen Zitat weitermachen, allerdings nicht von Lexi, kann man von ihr vermutlich auch nicht erwarten:
Erneut ergreift nun Brady das Wort. „Ich verstehe, was du sagen willst, Sasha. Soziale Ungleichheit ist scheiße. Aber, mal ehrlich, ist es der Depression, den Angstzuständen, der bipolaren Krankheit, den Zwangsstörungen und so weiter nicht letzten Endes völlig egal, wie viel Geld wir haben?" (Seite 194)

Erst einmal finde ich es nett, dass man das Sasha, die eben nur durch eine Förderung in der Klinik aufgenommen wurde, erklärt, das Geld ja jetzt auch nicht alles ist.
Zudem wird hier deutlich etwas verkannt, natürlich ist es einer Erkrankung egal, wieviel Geld du hast und doch hilft es ungemein, Geld zu haben - gleich einen Platz in einer Klinik zu bekommen und nicht erst Monate warten zu müssen.
All die Jugendlichen können nichts dafür, reich geboren zu sein, es ist für sie vermutlich Segen und Fluch zugleich, bei einigen von ihnen sehe ich den Schmerz, bei anderen, wie Lexi, sehe ich nur, verzeiht mir den Ausdruck, das reiche Arschloch.

Wisst ihr, was ich gerne gehabt hätte? Lexi hätte erkennen sollen, dass man sich mit Geld eben nicht alles kaufen kann, das Geld kein Freifahrtsschein ist, um ein Arschloch zu sein, aber all dies hat sie nicht erkannt, es ja noch nicht mal versucht, auch in der Klinik wird es mit keinem Wort erwähnt, warum auch - man ist ja in seinem kleinen elitären Club.


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