"But what can I tell you? I have known Rodion for a year and a half; he is moody, melancholy, proud, and haughty; recently (and perhaps for much longer than I know) he has been morbidly depressed and over-anxious aboud his health. He is kind and generous. He doesn't like to display his feelings, and would rather seem heartless than talk about them. Sometimes, however, he is not hypochondrical at all, but simply inhumanly cold and unfeeling. Really, it is as if he had two separate personalities, each dominating him alternately."
Vorweg: Ich würde euch empfehlen, dieses Buch, falls ihr nicht zufällig flüssig russisch könnt, in der deutschen Übersetzung zu lesen. Ich hab aus reiner Gewohnheit die englische gekauft, was erstens nicht viel Sinn macht wenn die Originalsprache eine andere ist und mich zweitens manchmal vor echte Verständnisprobleme gestellt hat.Schuld und Sühne ist mein vierter Beitrag zu Lynies "Read the Classics" Challenge und meine 24. Rezension zur BBC-Liste der beliebtesten Bücher aller Zeiten, die ich mir vorgenommen habe, komplett zu lesen.Zur Story
Sankt Petersburg im späten 19. Jahrhundert: Ein bitterarmer aber brillianter Student bringt kaltblütig eine alte Frau um. Einersets hofft er, das so erbeutete Geld für gute Taten auszugeben, andererseits sieht er sich in einer Liga mit den großen Männern dieser Welt (Napoleon wird oft erwähnt), die für ihre höheren Ziele auch über Leichen gegangen sind und dafür nun bejubelt werden. Durch viele Zufälle und Verwicklungen wird er nicht erwischt, aber sein Gewissen macht ihm das Leben zur Hölle und er beginnt unter Verfolgungswahn zu leiden. Auf seiner gehetzten Flucht vor sich selbst gerät er an eine ganze Menge Menschen die ihm nur Gutes wünschen und ihr möglichstes Versuchen um den verstörten Studenten wieder unter Kontrolle zu bringen, doch dieser macht ihnen mit seiner Weigerung das Leben schwer.
Meine Meinung
Eigentlich hatte ich echt nullkommanull Bock dieses Buch überhaupt anzufangen. Und plötzlich konnte ich nicht mehr aufhören.
Ich beginne zu lesen und erwarte Tolstoi. Ich lande irgendwo bei Ken Follett. Sowohl das Tempo als auch der Spannungsfaktor haben mich extrem überrascht.Obwohl Schuld und Sühne fast exakt zur gleichen Zeit erschienen ist wie Tolstois Krieg und Frieden, lassen sich die Bücher nicht miteinander vergleichen und lesen sich auch vollkommen unterschiedlich. Während unser werter Herr Tolstoi mich ja nach langem K(r)ampf irgendwo kurz vor Ende der ersten Halbzeit verloren hat (man klicke hier), habe ich bei Dostojevski sogar noch in der Verlängerung (Epilog) mitgefiebert. Eins zu null für Dostojevski.Man muss natürlich dazu sagen, dass Krieg und Frieden dreimal so viele Seiten hat wie Schuld und Sühne, gelesen habe ich aber bei beiden Büchern gleich viele, nämlich ca. 400. Und während diese sich bei erstgenanntem über ein halbes Jahrgeschleppt verteilt haben, hab ich zumindest die ersten 200 Seiten des letztern in einem weg gelesen. Für den Rest hab ich ein bisschen länger gebraucht, aber das lag eher an meiner Masterarbeit. (Dostojevski - Tolstoi 2:0)
Gegen Mitte des Buches änderte sich das ein bisschen, auch wenn die Anzahl der handelnden Figuren auf einem gut übersichtlichen Level bleibt. Leider hat Dostojewski aber irgendwie Spaß daran, seinen Figuren verschiedene Spitznamen zu geben und ich hab eine Zeit gebraucht bis ich kapiert hatte, dass Rodions Schwester Eudoxia wahlweise auch Dounia oder Donetchka genannt wird. Und wenn man dann noch die Nachnamen nach Lust und Laune variiert und Mutter Raskalnikoff mit ins Spiel kommt, dann verwirrt man den Leser doch ein bisschen, der sich fragt wo in einer Zwei-Personen Unterhaltung auf einmal die ganzen Leute herkommen. Konkret sieht das folgendermaßen aus: Dounia (Schwester) fängt ein Gespräch mit ihrer Mutter Pulcheria Alexandrovna an (die hat auch einen Doppelnamen, aber anscheinend einen anderen als ihre Kinder). Dann spricht Eudoxia Romanovna (Schwester) worauf Pulcheria Raskalnikova (Mutter) etwas erwidert, was sich Dounetchka Raskalnikova (Schwester) dann anhört. Und das alles in einem Absatz.
Die Geschichte ist nicht nur gespickt mit bildreichen Metaphern sondern auch mit interessanten, facettenreichen Figuren, die einem selbst dann im Gedächtnis bleiben, wenn sie eigentlich nur kurz auftauchen. Im ersten Teil des Buches trifft Raskalnikov zum Beispiel den alten Säufer Marmeladov, der so verzweifelt ist, dass seine Familie wegen seiner Trinksucht verhungert und seine älteste Tochter sich prostituieren muss, dass er nicht anders kann als weiterzutrinken. Jedoch ist es dessen Frau, die mich nicht mehr loslässt. Ihr Charakter ist laut Wikipedia nach einer ehemaligen Affäre von Dostojewski gestaltet, die eine ziemlich unerträgliche Psychotante gewesen zu sein scheint. Allerdings zeigt auch dieser Buchcharacter wieder liebenswerte Phasen, so dass es uns schwerfällt zu urteilen. Die ganzen kleinen Geschichten um die Nebencharaktere, die Raskalnikov immer mal wieder aus seiner verstörten Apathie herausholen und die getriebene Hektik von Raskalnikov selbst machen das ganze zu einer
runden Geschichte, die mich, auch wenn ich sie wohl nicht nochmal lesen werde, mich bestimmt noch länger beschäftigen wird.
Mein Fazit
Zu Recht ein Klassiker, den man schon irgendwann in seinem Leben mal gelesen haben sollte. Wirft interessante Fragen über Macht und das Recht auf, wie weit Menschen für ein (gutes) Ziel gehen dürfen.
Für all diejenigen, die sich die Geschichte lieber in der zeitsparenden Version in der Verfilmung anschauen, hab ich diesen Trailer der 2002er Verfilmung mit Vanessa Redgrave and Crsipin Glover gefunden. Der Film sieht zumindest auf den ersten Blick aus, als wäre er ziemlich nah am Buch geblieben
Vorweg: Ich würde euch empfehlen, dieses Buch, falls ihr nicht zufällig flüssig russisch könnt, in der deutschen Übersetzung zu lesen. Ich hab aus reiner Gewohnheit die englische gekauft, was erstens nicht viel Sinn macht wenn die Originalsprache eine andere ist und mich zweitens manchmal vor echte Verständnisprobleme gestellt hat.Schuld und Sühne ist mein vierter Beitrag zu Lynies "Read the Classics" Challenge und meine 24. Rezension zur BBC-Liste der beliebtesten Bücher aller Zeiten, die ich mir vorgenommen habe, komplett zu lesen.Zur Story
Sankt Petersburg im späten 19. Jahrhundert: Ein bitterarmer aber brillianter Student bringt kaltblütig eine alte Frau um. Einersets hofft er, das so erbeutete Geld für gute Taten auszugeben, andererseits sieht er sich in einer Liga mit den großen Männern dieser Welt (Napoleon wird oft erwähnt), die für ihre höheren Ziele auch über Leichen gegangen sind und dafür nun bejubelt werden. Durch viele Zufälle und Verwicklungen wird er nicht erwischt, aber sein Gewissen macht ihm das Leben zur Hölle und er beginnt unter Verfolgungswahn zu leiden. Auf seiner gehetzten Flucht vor sich selbst gerät er an eine ganze Menge Menschen die ihm nur Gutes wünschen und ihr möglichstes Versuchen um den verstörten Studenten wieder unter Kontrolle zu bringen, doch dieser macht ihnen mit seiner Weigerung das Leben schwer.
Meine Meinung
Eigentlich hatte ich echt nullkommanull Bock dieses Buch überhaupt anzufangen. Und plötzlich konnte ich nicht mehr aufhören.
Ich beginne zu lesen und erwarte Tolstoi. Ich lande irgendwo bei Ken Follett. Sowohl das Tempo als auch der Spannungsfaktor haben mich extrem überrascht.Obwohl Schuld und Sühne fast exakt zur gleichen Zeit erschienen ist wie Tolstois Krieg und Frieden, lassen sich die Bücher nicht miteinander vergleichen und lesen sich auch vollkommen unterschiedlich. Während unser werter Herr Tolstoi mich ja nach langem K(r)ampf irgendwo kurz vor Ende der ersten Halbzeit verloren hat (man klicke hier), habe ich bei Dostojevski sogar noch in der Verlängerung (Epilog) mitgefiebert. Eins zu null für Dostojevski.Man muss natürlich dazu sagen, dass Krieg und Frieden dreimal so viele Seiten hat wie Schuld und Sühne, gelesen habe ich aber bei beiden Büchern gleich viele, nämlich ca. 400. Und während diese sich bei erstgenanntem über ein halbes Jahr
Leicht irrer Blick: Rodion Raskalnikov in der BBC VErfilumng von 2002 (Quelle: BBC)
Zwar spielen beide Romane (zumindest teilweise) in Sankt Petersburg, aber während Tolstoi den Adel porträtiert, liegt der Fokus bei Schuld und Sühne exakt auf der anderen Seite von Sankt Petersburg. In den dunklen Treppenhäusern und schlecht isolierten Kämmerchen der Ärmsten, deren Wände vom Ruß der einzigen Lichtquelle geschwärzt sind. In einer solchen Kammer begegnen wir zum ersten mal dem hochintelligenten aber bitterarmen Jura-Studenten Rodion Romanovna Raskalnikova (Raskalnikoff genannt), der apathisch in seiner Kammer rumliegt und kaum mal einen anderen Menschen zu Gesicht bekommt, mit Ausnahme der Putzhilfe ohne die er ansonsten wahrscheinlich schon verhungert wäre. Und im Gegensatz zu Tolstoi bleibt Dostojewski auch erstmal bei seiner Hauptfigur ohne dem Leser gleich dazu noch gefühlte 25 weitere Hauptcharaktere auf den ersten paar Seiten um die Ohren zu Hauen. Ich bin also sehr gut ins Buch hineingekommen und habe zumindest am Anfang auch noch verstanden wer wer ist. (Dostojevski - Tolstoi 3:0)Gegen Mitte des Buches änderte sich das ein bisschen, auch wenn die Anzahl der handelnden Figuren auf einem gut übersichtlichen Level bleibt. Leider hat Dostojewski aber irgendwie Spaß daran, seinen Figuren verschiedene Spitznamen zu geben und ich hab eine Zeit gebraucht bis ich kapiert hatte, dass Rodions Schwester Eudoxia wahlweise auch Dounia oder Donetchka genannt wird. Und wenn man dann noch die Nachnamen nach Lust und Laune variiert und Mutter Raskalnikoff mit ins Spiel kommt, dann verwirrt man den Leser doch ein bisschen, der sich fragt wo in einer Zwei-Personen Unterhaltung auf einmal die ganzen Leute herkommen. Konkret sieht das folgendermaßen aus: Dounia (Schwester) fängt ein Gespräch mit ihrer Mutter Pulcheria Alexandrovna an (die hat auch einen Doppelnamen, aber anscheinend einen anderen als ihre Kinder). Dann spricht Eudoxia Romanovna (Schwester) worauf Pulcheria Raskalnikova (Mutter) etwas erwidert, was sich Dounetchka Raskalnikova (Schwester) dann anhört. Und das alles in einem Absatz.
Zu Recht misstrauisch: Raskalnikovs Opfer kurz vor ihrer Ermordung (Quelle: BBC)
Der Grund aus dem das Buch auch 150 Jahre nach seinem Erscheinen noch so beliebt ist, liegt meiner Meinung nach in der literarischen Meisterleistung mit der Dostojewski uns einen eigentlich klaren Anti-Helden als Identifikationsobjekt unterjubelt. Der Mann mordet eiskalt, hat danach nicht mal ein schlechtes Gewissen und benimmt sich seinen Liebsten gegenüber ziemlich ätzend. Auf der anderen Seite kann er sich aber bis zur Selbstaufgabe für völlig fremde Menschen einsetzen und er liebt seine Mutter und seine Schwester offensichtlich sehr. Nachdem Raskalnikov die alte Frau erschlagen hat, dreht er vollkommen ab, sieht überall nur noch Verdächtigungen gegen ihn und leidet ganz allgemein unter einer schweren Psychose. Keine Ahnung wie Dostojewski das macht, aber dieser Verfolgungswahn greift krass auf den Leser über und irgendwann konnte ich auch nicht mehr unterscheiden wer nun Feind und wer Freund ist. Neben Raskalnikov gibt es noch einen anderen, mindestens genauso interessanten Charakter, der zwischen Mordgerüchten und Vergewaltigungsversuchen genauso unberechenbar in seiner Gutherzigkeit daherkommt und von dem ich wirklich gerne noch etwas mehr erfahren hätte. Leider tritt er erst zum Buchende hin auf. Nur einige der Charaktere lassen sich einer offensichtlichen Unterteilung in gut und böse zuordnen. Wie geschaffen zum Hassen ist zum Beispiel der reiche Zukünftige von Raskalnikovs Schwester, mit dem sie sich selbstlos verlobt hat um ihrer Familie ein sicheres Einkommen zu ermöglichen. Allerdings ist Schwester Dounia so ein sympathischer Charakter und ihr Verlobter so ein dummer Arsch, dass der Leser von ganz alleine mit Raskalnikov mitfiebert, der versucht die Verlobung platzen zu lassen.Die Geschichte ist nicht nur gespickt mit bildreichen Metaphern sondern auch mit interessanten, facettenreichen Figuren, die einem selbst dann im Gedächtnis bleiben, wenn sie eigentlich nur kurz auftauchen. Im ersten Teil des Buches trifft Raskalnikov zum Beispiel den alten Säufer Marmeladov, der so verzweifelt ist, dass seine Familie wegen seiner Trinksucht verhungert und seine älteste Tochter sich prostituieren muss, dass er nicht anders kann als weiterzutrinken. Jedoch ist es dessen Frau, die mich nicht mehr loslässt. Ihr Charakter ist laut Wikipedia nach einer ehemaligen Affäre von Dostojewski gestaltet, die eine ziemlich unerträgliche Psychotante gewesen zu sein scheint. Allerdings zeigt auch dieser Buchcharacter wieder liebenswerte Phasen, so dass es uns schwerfällt zu urteilen. Die ganzen kleinen Geschichten um die Nebencharaktere, die Raskalnikov immer mal wieder aus seiner verstörten Apathie herausholen und die getriebene Hektik von Raskalnikov selbst machen das ganze zu einer
runden Geschichte, die mich, auch wenn ich sie wohl nicht nochmal lesen werde, mich bestimmt noch länger beschäftigen wird.
Mein Fazit
Zu Recht ein Klassiker, den man schon irgendwann in seinem Leben mal gelesen haben sollte. Wirft interessante Fragen über Macht und das Recht auf, wie weit Menschen für ein (gutes) Ziel gehen dürfen.
Für all diejenigen, die sich die Geschichte lieber in der zeitsparenden Version in der Verfilmung anschauen, hab ich diesen Trailer der 2002er Verfilmung mit Vanessa Redgrave and Crsipin Glover gefunden. Der Film sieht zumindest auf den ersten Blick aus, als wäre er ziemlich nah am Buch geblieben