Chvrches
„Love Is Dead“
(Vertigo Berlin)
Ist es das, was man die Trennung von Werk und Person nennt? Was man sich also im Falle Kevin Spacey so dringlich wünscht, weil er so grandiose Filme gedreht hat, die ja nicht schlechter werden, weil er einmal verdammten Bockmist gebaut hat? Nein, ganz so klar ist hier die Linie nicht zu ziehen, bei den Chvrches ist der Kontext ein anderer. Grundsätzlich einmal ist Lauren Mayberry eine bemerkenswerte Künstlerin, der man auch dann gern zuhört, wenn sie gerade keines ihrer Liedchen trällert. Sie bezieht klare Positionen, vertritt respektable Ansichten und ist in Sachen Geschlechterdebatte und politischer Meinungsbildung eine von denen, die den Mund aufmachen, Stellung beziehen, deutlich werden. Erst vor Tagen hat sie dem Onlineportal FADER ein Interview gegeben, aus dem man nur eine Passage zitieren muss, um die vorangegangene Würdigung zu unterstreichen: „Somebody said to me …, ‘You should be pleased there's a female Prime Minister [Theresa May] because that's feminism at work.‘ Just because somebody walked into Downing Street and had a vagina, doesn't mean they're making decisions that benefit women in any way. Margaret Thatcher was a lady. I suppose she was a woman in a man's world, but that's about the only nice thing I have to say.“ Word.
Warum diese lange Einleitung? Nun, die Musik auf der neuen, mittlerweile dritten Platte des Trios aus Glasgow kann sich die Anerkennung, die man der Frontfrau gern spendet, leider schwerlich verdienen. Und das wiederum ist etwas traurig. Es hatte sich nach Vorlage der zweiten Platte „Every Open Eye“ bereits angedeutet, schon diese schien wie eine verlängerte Ausgabe des Debüts geraten, wenig neue Ideen, kaum eine Entwicklung erkennbar. Über „Love Is Dead“ läßt sich nun leider auch nichts Besseres sagen, die Entscheidung, Greg Kurstin an Instrumente und Regler zu lassen, hat da keine hörbare Änderung gebracht, selbst wenn der Mann schon mit Adele, Pink, Lily Allen, Peaches, Sia und wer weiß wem noch das Studio teilte. Meistenteils präsentieren sich die neuen Stücke als jubilierende, eng verdichtete (alternativ: überfrachtete) Synthetiktracks – tanzbar, keine Frage, aber eben auch ziemlich glatt poliert und zum Verwechseln ähnlich. Mehr als drei Ausnahmen von dieser Regel lassen sich dabei nicht finden.
„My Enemy“ zusammen mit Matt Berninger (The National) profitiert (als Duett-Premiere) vom Gast mit dem dunklen Timbre und wirkt nicht ganz so aufgepitcht, „Miracle“, von der Band als einziger Titel mit britischer Prägung bezeichnet, hört man an, dass Kurstin hier ausnahmsweise nicht verantwortlich war – es wird schräg, verzerrt, eben anders. Und auch der gewohnte Wechsel am Mikrophon tut dem Album gut, Martin Doherty macht aus „God’s Plan“ ein düster pulsierendes Technostück, von dem man sich gerne anstecken läßt. Der Rest wirkt leider etwas beliebig, da ist es dann auch wenig hilfreich, daß Mayberry viele ihrer politischen Nadelstiche und Erkenntnisse im Subtext der Songs versteckt, so rechte Freude will bei der Sinnsuche nicht mehr aufkommen. Gewiß, es gibt weitaus schlechteren Dancepop auf diesem Planeten zu hören, die Diskrepanz zwischen inhaltlichem Anspruch, den die drei erfreulich oft äußern und der, nennen wir sie mal musikalischen Darreichungsform, ist zu groß, als dass man darüber hinwegsehen könnte. Hier wieder vermehrt Spannung, Kantigkeit, Reibung zu erzeugen, könnte ein hoffnungsvoller Ansatz für Album Nummer vier sein. https://chvrch.es/
06.11. Köln, Live Music Hall
07.11. Berlin, Tempodrom
15.11. Lausanne, Les Docks
„Love Is Dead“
(Vertigo Berlin)
Ist es das, was man die Trennung von Werk und Person nennt? Was man sich also im Falle Kevin Spacey so dringlich wünscht, weil er so grandiose Filme gedreht hat, die ja nicht schlechter werden, weil er einmal verdammten Bockmist gebaut hat? Nein, ganz so klar ist hier die Linie nicht zu ziehen, bei den Chvrches ist der Kontext ein anderer. Grundsätzlich einmal ist Lauren Mayberry eine bemerkenswerte Künstlerin, der man auch dann gern zuhört, wenn sie gerade keines ihrer Liedchen trällert. Sie bezieht klare Positionen, vertritt respektable Ansichten und ist in Sachen Geschlechterdebatte und politischer Meinungsbildung eine von denen, die den Mund aufmachen, Stellung beziehen, deutlich werden. Erst vor Tagen hat sie dem Onlineportal FADER ein Interview gegeben, aus dem man nur eine Passage zitieren muss, um die vorangegangene Würdigung zu unterstreichen: „Somebody said to me …, ‘You should be pleased there's a female Prime Minister [Theresa May] because that's feminism at work.‘ Just because somebody walked into Downing Street and had a vagina, doesn't mean they're making decisions that benefit women in any way. Margaret Thatcher was a lady. I suppose she was a woman in a man's world, but that's about the only nice thing I have to say.“ Word.
Warum diese lange Einleitung? Nun, die Musik auf der neuen, mittlerweile dritten Platte des Trios aus Glasgow kann sich die Anerkennung, die man der Frontfrau gern spendet, leider schwerlich verdienen. Und das wiederum ist etwas traurig. Es hatte sich nach Vorlage der zweiten Platte „Every Open Eye“ bereits angedeutet, schon diese schien wie eine verlängerte Ausgabe des Debüts geraten, wenig neue Ideen, kaum eine Entwicklung erkennbar. Über „Love Is Dead“ läßt sich nun leider auch nichts Besseres sagen, die Entscheidung, Greg Kurstin an Instrumente und Regler zu lassen, hat da keine hörbare Änderung gebracht, selbst wenn der Mann schon mit Adele, Pink, Lily Allen, Peaches, Sia und wer weiß wem noch das Studio teilte. Meistenteils präsentieren sich die neuen Stücke als jubilierende, eng verdichtete (alternativ: überfrachtete) Synthetiktracks – tanzbar, keine Frage, aber eben auch ziemlich glatt poliert und zum Verwechseln ähnlich. Mehr als drei Ausnahmen von dieser Regel lassen sich dabei nicht finden.
„My Enemy“ zusammen mit Matt Berninger (The National) profitiert (als Duett-Premiere) vom Gast mit dem dunklen Timbre und wirkt nicht ganz so aufgepitcht, „Miracle“, von der Band als einziger Titel mit britischer Prägung bezeichnet, hört man an, dass Kurstin hier ausnahmsweise nicht verantwortlich war – es wird schräg, verzerrt, eben anders. Und auch der gewohnte Wechsel am Mikrophon tut dem Album gut, Martin Doherty macht aus „God’s Plan“ ein düster pulsierendes Technostück, von dem man sich gerne anstecken läßt. Der Rest wirkt leider etwas beliebig, da ist es dann auch wenig hilfreich, daß Mayberry viele ihrer politischen Nadelstiche und Erkenntnisse im Subtext der Songs versteckt, so rechte Freude will bei der Sinnsuche nicht mehr aufkommen. Gewiß, es gibt weitaus schlechteren Dancepop auf diesem Planeten zu hören, die Diskrepanz zwischen inhaltlichem Anspruch, den die drei erfreulich oft äußern und der, nennen wir sie mal musikalischen Darreichungsform, ist zu groß, als dass man darüber hinwegsehen könnte. Hier wieder vermehrt Spannung, Kantigkeit, Reibung zu erzeugen, könnte ein hoffnungsvoller Ansatz für Album Nummer vier sein. https://chvrch.es/
06.11. Köln, Live Music Hall
07.11. Berlin, Tempodrom
15.11. Lausanne, Les Docks