“Chroniken der Unterwelt” von Harald Zwart

© Constantin Film / Lily Collins als Clary Fray in

© Constantin Film / Lily Collins als Clary Fray in “Die Chroniken der Unterwelt”

Wenn es literarisch erfolgreich verkaufte Jugendromanreihen auf die Leinwand schaffen – und das geschieht in letzter Zeit nicht zu knapp – dann ist das inzwischen leider kein Qualitätsmerkmal mehr, sondern muss als kalkulierte Franchiseproduktion gewertet werden. Oftmals kommt solcherlei Versuch der Neuschaffung einer Twilight-Reihe gleich, nur minimal abgewandelt mit einer schmalzig schönen Romanze im Mittelpunkt einer übernatürlichen Erzählung. Gelungen ist die Kopie bisher niemanden. Weder “Beastly” mit “High School Musical”-Mauerblümchen Vanessa Hudgens, noch “Beautiful Creatures” von Regisseur Richard LaGravenese (“P. S. Ich liebe dich”) haben Teenagerinnen so von sich überzeugt wie der nackte Körper Robert Pattinsons. Nun versuchen sich “Die Chroniken der Unterwelt” nach dem gleichnamigen Roman von Cassandra Clare an diesem Unterfangen, fügen den altbekannten Werwölfen und Vampiren noch eine ganze Reihe anderer dämonischer Kreaturen hinzu. Vom Tentakel-Hundemonster bis zu kleinen gruseligen Kindern und Voodoo-Hexen werden hier alle Register gezogen.

Neben all den Monstern gibt es noch Hauptprotagonisten Clary Fray, die bereits sehr kurz nach Filmbeginn entdeckt, dass sie, wie schon ihre Mutter vor ihr, den Schattenjägern angehört. Dabei handelt es sich um einen Geheimbund von Halbengeln, die die Welt der Menschen vor Übergriffen von Dämonen bewahren. Als ihre Mutter spurlos verschwindet, macht sich Clary gemeinsam mit den letzten Schattenjägern auf die Suche, bei der sie auf den finsteren Valentine Morgenstern treffen, der nicht nur den mächtigen Kelch der Engel in seinen Besitz bringen will, sondern auch von einem weiteren nicht minder dunklen Geheimnis umgeben wird.

Lily Collins mit Film-Mutter Lena Headey

Lily Collins mit Film-Mutter Lena Headey

Das klingt nun nicht sonderlich nach einem innovativ-erfolgsversprechenden Konzept und schnell fragt man sich, welcher Produzent dort auf den Trichter gekommen ist, einen weiteren Abklatsch der Jugend-Mystery-Romanze mit Fortsetzungsgarantie auf die Teenies loszulassen. Dabei reiht sich einmal mehr das schüchternde, aber starke Mädel an den mysteriös anmutenden Boy, mitsamt verbotener Liebesgeschichte, hier vielleicht auf den ersten Blick noch etwas abstruser, tragischer in Szene gesetzt. Dann aber kommt einem das alles doch wieder sehr bekannt vor, zumindest wenn man zu der Generation gehört, die bereits viele Jahre lang mit Buffy Summers und ihrem Dasein als Vampirjägerin aus dem Geiste Joss Whedons verbringen durfte. So umstritten “Buffy – Im Bann der Dämonen” vielleicht gewesen sein mag, so sehr muss man bei “Chroniken der Unterwelt” nun klar feststellen, dass hier ein unerklärbares Durcheinander herrscht, das vom Zuschauer selbst zusammen gepuzzelt werden muss und dabei weder der Buchvorlage noch der Kinoleinwand gerecht wird.

Ein Großteil der Darsteller – vor allem mit Blick auf die jüngere Riege – wirkt dabei unpassend und überraschend unerfahren. Lily Collins, zuletzt als Schneewittchen in Tarsem Singhs “Spieglein, Spieglein” zu sehen, aber auch ihre Kollegen (Jamie Campbell Bower, Kevin Zegers, Jemima West) wirken viel zu steif neben gestandenen Größen wie Lena Headey, Jonathan Rhys Meyers oder Jared Harris, die mit Leichtigkeit das vollführen, was bei den anderen fehlt: sie verleihen ihren Figuren eine Gefühlsebene, die sie plastisch und vorstellbar werden lässt. Derweil muss sich die Hauptprotagonisten-Dreierkonstellation damit abfinden, nur oberflächlich wahrnehmbar zu bleiben, in Tristesse und Langeweile zu verfallen. Dabei wäre die Tragik nicht einfacher emotional mitreissend zu gestalten: Clarys brüderlicher Kumpel Simon gesteht ihr seine Liebe, sie aber verliebt sich in Jace, der wiederum ihr leiblicher Bruder zu sein scheint. Könnte man mit diesen Figuren mitfühlen, hätte das sicher eine interessant-tragische Geschichte abgegeben.

Clara zwischen Simon (hinten) und Jace (rechts)

Clara zwischen Simon (hinten) und Jace (rechts)

Für Neu-Interessierte, die das Buch bisher nicht in den Händen hielten, wirkt der Film derweil viel zu unerklärt und episodisch geraten, mit reichlich offenen Enden, als müsse man auf eine weitere Folge einer Fernsehserie in der nächsten Woche warten. Hier hätte jemand, vielleicht Regisseur Harald Zwart, einsehen müssen, dass seine Form der Erzählweise an dieser Stelle besser auf die kleinen Bildschirme gepasst hätte. So wäre mehr Zeit für Figurenentwicklung gewesen, so hätte man nicht gemerkt, dass die Handlung im Episodenstil abgearbeitet wird. Clarys Dasein als Schattenjäger, die Entführung ihres Freundes Simon durch eine Horde von Vampiren, das Auftauchen des stärksten Charakters, Jonathan Rhys Meyers als Valentine Morgenstern – das alles wirkt zu wenig zu einem großen Ganzen zusammengefügt, mehr wie eine stichpunktartige Inszenierung, bei der Drehbuchautorin Jessica Portigo sich lediglich an Kapitelüberschriften, nicht an Handlungssträngen orientiert zu haben scheint.

Ob darüber hinaus zahlreiche, ebenso unerklärliche Anspielungen auf den 1984er Film “Ghostbusters” von der Tween-Zielgruppe verstanden werden, darf bezweifelt werden. Vermutlich sehen sie in diesem Flickenteppich viel eher die ebenso eingeknüpften Verweise an Harry Potter oder eben Twilight. Aber Verweise allein machen noch kein eigenständiges Franchise aus, dass sich in diesem Fall wahrlich in zahlreichen anderen Film- und Serienwelten bedient.

 


Chroniken der Unterwelt_Hauptplakat

“Chroniken der Unterwelt – City of Bones“

Originaltitel: The Mortal Instruments: City of Bones
Altersfreigabe: ab 12 Jahren
Produktionsland, Jahr: CDN / D, 2012
Länge: ca. 130 Minuten
Regie: Harald Zwart
Darsteller: Lily Collins, Robert Sheehan, Jamie Campbell Bower, Lena Headey, Jonathan Rhys Meyers, Kevin Zegers, Jemima West, CCH Pounder, Jared Harris, Aidan Turner

Deutschlandstart: 29. August 2013
Im Netz: chronikenderunterwelt.de



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