Christine Rohrbach, Sascha Windolph: Grenzlinien, Übergänge - Ausstellung im SofaLoft Hannover, März-April 2012

Grenzlinien Übergänge - ein spannendes Kunstprojekt, das viele Möglichkeiten offen lässt. Christine Rohrbach hat es mit Sascha Windolph zusammen im SofaLoft inszeniert. Es lohnt sich, in die obere Etage des Möbelhauses aufzusteigen und sich beim Betrachten der Kunstwerke Gedanken über das Thema zu machen, das jeden angeht. Noch bis zum 28. April 2012.

Während der gut besuchten Vernissage am 24. März hat Dagmar Thole eine lebendige Rede zu den beiden Künstlern gehalten, aus der ich hier teilweise zitieren werde (D.T.). Außerdem wurde eine künstlerisch überzeugende Performance zum Thema geboten.

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Hier einen Eindruck von der Performance im Bild zu vermitteln ist naturgemäß schwierig. Das Foto in der Mitte symbolisiert vielleicht ganz gut das Balancieren auf einer (gedachten!) Grenzlinie. Ein rotes gespanntes Seil wird später verwendet, um Übertretungen und ein "Überfliegen" oder Darüber-hinweg-Schweben vor Augen zu bringen (Bild rechts). Renate Born heißt die Künstlerin, die die Performance entwickelt und angeleitet hat; die Namen der anderen Beteiligten kenne ich nicht.

Grenzlinien - Übergänge: "Grenzen überwinden, setzen, aufheben, Grenzen spüren, betroffen sein von….. Grenzübertretungen - ist das Thema mit der Absicht, eine neue Bewusstheit zu erwecken durch Inspiration und Reflektieren durch die angebotenen Veranstaltungen" - so kennzeichnet Christine Rohrbach ihr Anliegen selber in ihrem Pressetext (P.R.).

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Dies Bild kommt mir vor wie eine symbolhafte Verbildlichung dazu: Durchblicke, Einblicke, Grenzlinien, Ausschnitte, Raumgrenzen, unnötige Rohheiten, die von Schönheiten überwunden werden - die Künstlerin in der von ihr gestalteten Ausstellung (im Thekenabteil), bereit, Gästen etwas zu schenken. Rechts eines der Gemälde von ihr mit dem Titel "Grenzlinien", links vorne eine der Aschefiguren Sascha Windolphs. 

"Die Bilder von Christine Marianne Rohrbach haben immer etwas Hintergründiges. Das ist ja klar: es gibt mehrere Ebenen, die z.T. übermalt, z.T. frei bleibend Durchblick schaffen, Perspektiven zeigen. Vergangenes, Vergehendes und Vorhandenes greifen ineinander über - Symbiosen entstehen, Metamorphosen entwickeln sich" (D.T.) Hier noch einmal etwas näher das eine Bild mit dem Titel "Grenzlinien", das eben beim Ausstellungsüberblick schon ins Auge fiel. Ich muss sagen, dieses spricht mich besonders an.

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Man merkt es bald, wenn man den Ausstellungsbereich betritt: Christine Rohrbachs Gesamtkunstwerk ist die Ausstellung - ihr geht es um mehr als nur darum, ihre Gemälde zu zeigen. Sie selbst sagt dazu: "Als weitergehendes Kulturprojekt bietet das Thema künstlerisch interdisziplinär in verschiedenen Perspektiven Ansatzpunkte der bewussten Auseinandersetzung mit gesellschaftlich relevanten, persönlichen und auch psychologischen Grenzen und Grenzsystemen ... Innerhalb der Räume bei Sofa Loft in der Kulturetage werden B-Grenzungsräume geschaffen und aufgehoben durch Ja-Räume – Räume der stillen Meditation, die in der Begegnung offen sind für jede Zielgruppe und durch eine geführte Meditation jeden Freitag eine besondere Qualität erfahren . Kunst und Heilung finden hier statt.
Der Veranstaltungsspielraum reicht von der persönlichen künstlerischen Auseinandersetzung (Performance, Verbots-Angebotsräume, Ausstellung, Aktionen) über die Auseinandersetzung mit gesellschaftlich nicht akzeptierten Grenzübertretungen (Veranstaltung mit dem Seelsorger der Justizvollzugsanstalt Hannover), über einen Workshop mit Senioren und Kindern bis hin zum letzten menschlichen Übergang (Infoveranstaltung über Arbeit im Hospiz)" (P.R.).

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Sascha Windolph hier mit dem jüngsten Ausstellungsbesucher (Künstlernachwuchs?) - ebenfalls mit Ausblick in die Ausstellung. Rechts einige seiner "Silberfiguren" (so nenne ich sie hier) (übrigens noch nicht in der endgültigen Anordnung). Der Blick auf das "Ja" lässt links hinten den Verbots-Angebots-Raum erahnen; rechts davon im Hintergrund befindet sich der Stilleraum.

Sascha Windolphs "Silberfiguren" lassen sich nur tiefergehend erfassen, wenn man den arbeitsamen Entstehungsprozess kennt: "Einen aus Hartholz gefrästen Kern überziehen viele hundert Aluminiumplättchen, die mit Nägeln und harten Hammerschlägen in das Holz getrieben der Skulptur schon eine ungeheure Arbeitsenergie mitgegeben haben. So gespickt mit Nägeln, zusätzlich verziert mit ins weiche Aluminium getriebenen, gepunzten Mustern entsteht ein Kunstwerk von schimmernder Schönheit, makelloser Reinheit wie aus einer anderen Welt" (D.T.) Hier das Beispiel "Der Träumer" aus der Nähe:

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Dazu hängt ein Gedicht an der Wand, das Sascha Windolph zum "Träumer" geschrieben hat:

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"Tief versunken / Fließend / Nichts ist statisch / Innehalten / Einkehren / Atmen / Sehnsucht / Leidenschaft / Hingabe / Gemeinsam / Füreinander / Selbstbestimmt" - so beginnt es sehr assoziativ - "An das Leben glauben / Zuversichtlich / Jeder Mensch ein unermesslicher Kosmos / Zaubrisch", so der Schluss. 

P1050317aAuch Christine Rohrbach hat Texte aufgehängt - "Münder" beispielsweise (das für mein Empfinden das Crossover der künstlerischen Mittel - offenbar ein Grundanliegen der Künstlerin - auf großartige Weise zum´Ausdruck bringt):

"wenn die sätze schweigen, weil sie ausfallen, aussterben, einfach ausbleiben, weil ohnehin nichts gesagt werden kann, weil es nicht stimmt, das gesagte, das wiederholt werden muss, weil nie etwas stimmt ... wenn also worte fehlen, weil sie in wahrheit unnötig sind, ja anstrengend und immer lügnerisch und das ziel verfehlen, weit und unnütz unterwegs ... weil es so ist und das überflüssige immer die oberhand hat eine riesen-oberfläche - groß und beeindruckend wirkend aber gar nichts ist zuletzt einfach nichts ... weil es so ist schweigen die münder, begegnen sich anders und freuen sich miteinander einfach so ohne worte."

(An dieser Stelle müsste ich sagen: Wozu noch weitere Worte? Besuchen Sie die Ausstellung. Ein paar Hinweise möchte ich trotzdem noch geben ...)

Zu den faszinierendsten Objekten der Ausstellung - die sich aber erst erschließen, wenn man die Ausstellung in Ruhe auf sich wirken lässt - gehören Sascha Windolphs Aschefiguren. Es sind kleine Skulpturen, die vor allem durch ihr Material wirken, wie ich es sonst nur bei Klees Bildern auf Sackleinwand erlebt habe. Es wird einen geformten Kern geben, darüber weiß ich nichts (aus Holz?). Darum ist ein Tuch gebunden, das mit einer besonderen Paste getränkt wurde - einer Paste aus Asche mit Sägespäne, Leim, Leinöl und Wasser. Der Prozess des Materials mit allen Brüchen, Rissen, Schründen bleibt sichtbar und drückt alle Leiden dieser Welt aus, inmitten derer die Würde des Menschen unantastbar bleibt.

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 Die Ausstellung "Grenzlinien - Übergänge" zeigt nicht nur künstlerische Werke (gemalte, geformte), wie man es von einer Ausstellung erwartet, sondern sie eröffnet Räume, das ist ihre Besonderheit. Begrenzungsräume, Verbots- und Angebotsräume, Stilleräume, Aktionsräume, Begegnungsräume usw.

Der Stilleraum, der auch Gelegenheit zur Meditation bietet, ist durch einen Perlenvorhang abgetrennt - einladende Stühle stehen bereit.

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 Der Stuhl auf dem gelben Kreis macht neugierig, einen weiteren Raum zu betreten.

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Ein besonderer Raum, den Christine Rohrbach zu der Ausstellung eingeladen hat, ist "Ort des Treffens" - eine soziale Skulptur im Sinne von Joseph Beuys. Ein Mensch setzt sich auf den Stuhl auf dem gelben Filzkreis (ohne Schuhe) und äußert sich zu den beiden Fragen: "Was tue ich auf der Erde?" und "Was bedeutet es für mich, auf der Welt zu sein?"; ein zweiter Mensch (vom Team des Forums Ort des Treffens) setzt sich auf den zweiten Stuhl außerhalb des Kreises und hört nur zu - das sog. Selbsttreffen.

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 Durch meinen ausführlichen Bericht hoffe ich eines deutlich gemacht zu haben: Diese Ausstellung sollte man gesehen haben! Noch bis zum 28. April (2012) ist das möglich. Ich empfehle einen Besuch an einem Werktag am Vormittag oder Nachmittag bis gegen 17 Uhr. Da ist es nicht überfüllt und man kann sich alles in Ruhe erschließen. Weitere Informationen hier.

Grundsätzlich kann die Ausstellung zu den Öffnungszeiten des Möbelhauses SofaLoft besucht werden, also auch samstags. © Text und Fotos: Dr. Helge Mücke, Hannover; Zitate wie angegeben: hier noch einmal die Abkürzungen: D.T. = Dagmar Thole; P.R. = Pressetext, wie ihn Christine Rohrbach selbst formuliert hat.


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