Die Essenz der Chöd-Lehren hier ist, so wie das Wort „Chöd“ schon aufzeigt, die Anhaftung abzuschneiden, die Anhaftung an das eigene Selbst – Ego, ich, mein, mir. Dieses soll durchtrennt werden. Hier gibt es einen wunderbaren Wurzeltext dazu. Der besagt, dass die Lehre dieser erhabenen Chöd-Praxis die wirkungsvollste Waffe gegen die Maras oder Dämonen ist, wenn man so sagen will. Sie ist die Herzessenz aller Mutter-Dakinis. „Sie“ bezieht sich auf die Chöd-Praxis. Sie ist die Kernanweisung aller wunderbaren Lamas, sie sind die Kommentare, die auf dem erfahrungsmäßigen Verständnis all jener gründen, die den unerschütterlichen Zustand im Verständnis des Zustandes von Mahamudra erlangt haben. Sie ist wie ein wunscherfüllendes Juwel, das alle Bedürfnisse und Wünsche erfüllt. Sie ist wie Medizin, die die Heilkraft hat, alle Arten von Gebrechen zu heilen. Sie ist die einzige Waffe, allen Arten von dämonischen Einflüssen zu begegnen. Sie ist die Weisheit, die all die fünf Gifte reinigen wird. Sie ist das Weisheitsschwert, das alle Täuschungen durchtrennt. Dies sind einige der wunderbaren Dinge, die über die Chöd-Praxis gesagt werden können.
Wenn wir nun Maras und Dämonen in der Tradition des Sutrayana sprechen, dann gibt es dort vier davon. Der erste von allen ist der Dämon, der mit den Skandhas oder den Haufen assoziiert wird. Mit den Begriffen eines Laien vom Kopf bis zu den Zehen. Wie wird das nun zu einem Mara oder einem Dämon? Weil wir alles auf der relativen Ebene verknüpfen. Alles von Kopf bis Fuß gehört zu uns, weil wir ein Gefühl für Zugehörigkeit haben. Alles ist mein und ich bin im Zentrum davon. Aber wenn man viele, viele Geburten, zahllose Geburten angenommen hat, dann ist der Geist auf solch täuschende Weise darin konditioniert, dass der physische Körper so wichtig ist und dass all diese Körperteile „mein“ sind und „ich“ mich inmitten von allem befinde. Das hinterlässt eine Art Eindruck. Diese Einprägung wird jedes Mal, wenn man ein weiteres Leben annimmt, verstärkt. Aufgrund dieses Eindrucks erkennen wir die Tatsache nicht, dass niemand von uns den Körper mitnehmen kann. Er ist etwas, das zurückgelassen werden muss, etwas das weggeworfen wird. Es ist so, als ob man zu einem Motel kommt. Es ist wie ein Motel, das nur für eine Nacht Schutz bietet, nicht mehr als das. Wenn man den eigenen Geist auf diese Vorstellungsweise trainieren kann, dann hilft einem das, weniger Anhaftung zu empfinden.
Der zweite der Dämonen ist der Dämon der Störungen, anders gesagt, der Dämon der störenden Emotionen sind die fünf Gifte. Dieser flirtet etwas mit dem ersten der Maras und diese Art des Vermischens macht sie noch kräftiger. Der dritte ist der Göttersohn-Dämon, den man hat, weil man sich mit dem Ärger, Eifersucht, Stolz und Hass all dieser Emotionen beschäftigt. Dieser dritte ist eine Art von Verlockung gegenüber aller Unterhaltung, damit man eine gute Zeit hat. Das eigene Leben in einer zerstreuten Weise zu verbringen, bringt einen vom Pfad des Dharma ab, stattdessen beschäftigt man sich mit weltlichen Dingen. Man möchte dann glücklich sein, sich unterhalten, ganz in einem herkömmlichen Sinne. Dann kommt noch der letzte der Dämonen, der der Herr des Todes ist, der Dämon des Todes und wenn der daherkommt, dann ist alles zu spät.
In den Lehren des Tantrayana gibt es auch vier Dämonen, wir haben nur die Dämonen des Sutrayana aufgedeckt, aber selbst bei den Dämonen des Tantrayanas können wir einen Bezug zu den Dämonen des Sutrayana herstellen, die ersten beiden, den Dämon des Körpers und die Dämonen der Emotionen. Diese zwei arbeiten Hand in Hand, beispielsweise wenn wir essen, mögen wir das, was gut schmeckt, dies ist dann Anhaftung. Wir mögen etwas nicht, wenn es uns nicht schmeckt, das ist dann Hass. Wiederum fällt man in die Grube der Anhaftung oder fällt in die Grube des Hasses. Buddha sagte selbst, dass das Essen von Nahrung auf eine gemäßigte Weise erfolgen sollte, weil es dafür ein tiefgründiges Argument gibt. Wir sollten uns davon überzeugen, dass diese beiden Dämonen soweit, was den Kontext von Essen betrifft, beispielsweise der gute oder schlechte Geschmack nur von der Zunge gefühlt wird. Sobald das Nahrungsmittel die Zunge verlassen hat, dann kümmert sich der Rest des Körpers keinen Deut mehr darum, ob es gut oder schlecht schmeckt.
Es hängt also tatsächlich hiervon – der Zunge – ab und wenn wir das erkennen, dann sind wir schon etwas näher daran, diese Art von Körpersprache zu verstehen. Wenn wir dies verstehen, dann sind wir erstens näher dran zu erkennen, was die Dämonen sind und zweitens können wir etwas unternehmen, um sie zu reduzieren oder auszulöschen. Manchmal schlucke ich fälschlicherweise etwas wie ein brühend heißes Wasser mit vollem Mund einfach hinunter und schäle mir dabei eine Schicht von der Zunge herunter und ich kann das Süße vom Sauren nicht mehr unterscheiden. Auf eine Art ist das wirklich gut, weil man sich dann nicht darüber sorgen muss, ob genug Salz oder nicht genug Salz drinnen ist. Nur um die Dinge weniger kompliziert zu machen, sagt man einfach zu sich, dass Schmecken versus Nicht-Schmecken nur eine Täuschung sind. Man braucht Essen nur zur Ernährung des Körpers. Esst etwas Nahrhaftes und vergesst den Geschmack. Wenn ihr das machen könnt, dann macht das den Geist frei vom Jagen nach diesen begrifflichen Gedanken, stattdessen könnt ihr ihn zu etwas Nützlichem verwenden.
Aus den Belehrungen zur Praxis des Chöd, von Garchen Rinpoche. Übersetzt vom Ngak’chang Rangdrol Dorje (Enrico Kosmus). Möge es von Nutzen sein!