Besser als vorm Computer sitzen: Tanzen
Zugegeben: Ich habe mir wirklich viel Zeit gelassen, bis ich den Artikel verfasst habe. Chanukkah ist schon längst vorbei und auch das christliche Weihnachtsfest ist passé. Aber zu meiner Verteidigung: Während meiner Arbeit verbringe ich etwa 100% meiner Zeit vor dem Computer und bin nachher recht froh, den Feierabend etwas freier genießen zu können.
Mit Gottes Hilfe bin ich ab Februar wieder fleißiger mit dem Schreiben. Wenn alles so läuft, wie es sollte, gibt es dann eine Überraschung…
Aber zurück nach Budapest. Wie feiert man Chanukkah in Budapest? Von einer jüdischen Freundin erfuhr ich, dass es zwei Orte gibt, an denen gefeiert wird:
Ersterer war beim Bahnhof Nyugati, der vom Klang her meiner Meinung nach an Nougat erinnert, aber die tatsächliche Übersetzung schlicht „Nord“ lautet.
Tanzen mit den Chassidim: Männlein und Weiblein streng getrennt
Das Areal um den Bahnhof ist recht groß, was mir am Anfang Anlass zur Sorge gegeben hat, dass ich die Feierlichkeiten nicht finden würde. Glücklicherweise wurde ich von der Chanukkiah, die gleich neben dem U-Bahn Aufgang stand fast schon erschlagen. Glück hatte ich auch, was die Weltanschauung der Anwesenden betraf: Es handelte sich um Chassidim. Aber ich bin mir nicht ganz sicher, ob es sich bei ihnen um die omnipräsenten Lubawitscher handelt, die sowohl in religiösen, als auch in säkularen Kreisen stark polarisieren.
Nichtsdestotrotz waren die Feierlichkeiten interessant, fröhlich und so ausgelassen, wie man im chassidisch-ortohdoxen Judentum nur sein kann.
Zuerst dröhnte das Gebet durch die überlaut eingestellten Lautsprecher, sodass ich mir fast schon Sorgen machen musste, ob ich nachher jemals wieder ein Gebet hören können würde. Gleichzeitig erfolgte die Entzündung des vorletzten Lichtes der Chanukkiah, was von religiösen Liedern begleitet wurde.
Entzündung der Chanukkiah
Das ist einer der Unterschiede zwischen christlichen und jüdischen Liedern: Während sich in der Kirche der maximale Aktionsradius bei Gesängen im Aufstehen zum mitsingen manifestiert singt und tanzt man bei den religiösen Chassidim.
Es hat mich schon damals an Yom Kippur fasziniert. Während ich an einer Mischung aus Wasserüberschuss und Durst leiden wachsen durfte sind die chassidischen Juden die ganze Nacht an der Klagemauer gewesen und haben (entgegen dem Namen der „Klage“-Mauer) gesungen, getanzt und gefeiert, sodass sich ein tranceähnlicher Zustand manifestiert hat. Diesen Zustand gibt es selbstverständlich nicht nur an Yom Kippur, sondern an jedem Schabbat, wenn sie sich ihren fröhlich-religiösen Liedern hingeben.
Damals in Israel: Chassidim in Trance
Eine Trance oder andersartige religiös-spirituelle Erlebnisse waren an diesem Abend nicht zu erwarten, aber das hielt einen begeisterten Tänzer wie mich nicht davon ab, mich ins Getümmel zu stürzen und mitzutanzen. Jedoch nicht Discofox oder Jive, sondern Hora. Dies wiederum nicht Männlein, Weiblein gemischt, sondern ausschließlich und keusch mit anderen Männern, man will ja nicht zur Selbstverführung beitragen.
Das kannte ich bereits aus Israel, allerdings schienen die Kollegen hier etwas liberaler zu sein. Neben dem Kreistanz der Männer bildete sich ein feminines Äquivalent bei dem ich nur allzu gerne einmal vorbeigeschaut hätte… Mir jedoch alles Andere als sicher war, ob dies gut ankommen würde.
Vorsicht fettig: Traditionelle Speisen zu Chanukkah
Nach und während dem Tanzen teilten die Veranstalter noch traditionelle fettig-süße Speisen aus. Ich habe ja bereits das letzte Mal angemerkt, dass man zu Chanukkah traditionell fettiges oder öliges isst. Ein ganz besonders traditionelles Gericht spreche ich das nächste Mal an.
Die Idee, seine Gäste auch mit schmackhaften Süßspeisen zu versorgen finde ich prinzipiell großartig und möchte mich als begeisterter Nutznießer dieser Aktion auch nicht beschweren… Im Gegenteil! Nur – falls jemand, der so ein Fest plant dies hier liest… möchte ich ihm auf den Weg mitgeben, dass Servietten – und sei die Qualität auch noch so minder – niemals ein Fehler sind.
Kaum jemand hatte das Bedürfnis seine Handschuhe mit Fettflecken zu versehen daher aß man mit bloßen Händen und tanzte nachher mit denselben auch fröhlich weiter…
Vielleicht aber, ist es ratsam alles aus dem historischen Blickwinkel zu sehen:
Früher einmal: Im Osteuropa des Mittelalters und der Neuzeit war Öl ein wertvolles Gut, das sich arme Leute nur zu Feiertagen wie Chanukkah geleistet haben. Möglicherweise war man damals froh, wenn der Nachbar einem ein paar hübsche Fettflecken beschert hatte und man dadurch zwar nicht ordentlicher aber immerhin reich genug, sich Öl zu kaufen aussah…
Ob sich diese Theorie beweisen lässt, sei aber eher Historikern als mir überlassen…
Und weitertanzen
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