CHAMPAGNER! Prickelndes abseits des Mainstreams…

Gatinois 900

    Würde man eine Untersuchung durchführen, welche europäischen Weingebiete sich in den letzten zehn Jahren am dramatischsten entwickelt haben, so würden vermutlich drei bis vier Regionen die Top-Platzierung unter sich ausmachen: Rheinhessen und die Nahe in Deutschland, das Beaujoulais und – die Champagne.

    Musste man vor zehn Jahren noch ein Super-Experte mit besten Kontakten nach Frankreich sein um abseits der großen Champagner-Häuser die raren Perlen ausfindig zu machen, so reicht heute ein wenig Neugier und Google, um Dutzende spannender neuer Betriebe zu entdecken…

    Seit Beginn dieses Jahrtausends hat bei vielen Champagner-Produzenten ein Generationswechsel stattgefunden. Die Töchter und Söhne, die die Güter ihrer Eltern übernommen haben, haben vielfach im Burgund gelernt. Und Betriebe, die vormals an die großen Häuser lieferten, produzieren und vermarkten nun unter eigenem Namen – gerne auch bio-dynamisch. Das führt zu einer unfassbaren Vielfalt qualitativ herausragender Champagner, die – ganz nebenbei – einen völlig neuen Stil kultiviert haben: war nämlich früher die – aromatische – Kontinuität das Ziel vieler großer Häuser , so setzen die so genannten „Winzer Champagner“-Produzenten auf Vielfalt, Ecken und Kanten und – ganz bewusst – Jahrgangsunterschiede…

    Passend zu dieser erfreulichen Entwicklung sowie zu den Festtagen möchte ich Euch an dieser Stelle sieben Sprudler vorstellen, die alles das sind, was man von einem guten Perlwein erwarten darf: spannend, individuell, hervorragende Essensbegleiter und fair bepreist.

    Bevor es allerdings in die Champagne geht, starte ich mit zwei Weinen aus Deutschland, die im Champagner-Feld durchaus mitspielen können ohne sich dem französischem Stil anzubiedern – zu nochmals deutlich freundlicheren Preisen.

    Stachel 1 900

    Weingut Stachel – Chardonnay brut 2012

    (100% Chardonnay, um die 10€)

    Auf das Weingut Stachel bin ich Dank des mehr als empfehlenswerten Wein-Blog Drunkenmonday gestoßen. Dort, im südlichen Teil der Pfalz, fabriziert man Schaumweine, die erstaunlich gut und fast unglaublich günstig sind. Der Chardonnay brut zum Beispiel überzeugt mit einer tollen Frische, einem fast beängstigenden Trinkfluss und  erstaunlicher Komplexität. Das ist keine Brause sondern ernsthafter Stoff, der sowohl die ausgelassene Party wie auch das anspruchsvolle Menu formvollendet begleiten kann.

    Stachel 2 900

    Reichsrat von Buhl – Rieslingsekt brut 2013

    (100% Riesling, um die 14€)

    Dieser Sekt ist das Erstlingswerk (der „Erstgegorene“) des ehemaligen Bollinger-Kellermeisters Matthieu Kaufman auf dem pfälzer Renommierweingut Reichsrat von Buhl und zurecht seit dem Spätsommer von der einschlägigen Presse frenetisch gefeiert worden. Denn das Ergebnis der vielversprechenden Verbindung Champagne – Pfalz ist ein grandioser Prickler, der das Beste beider Welten vereint ohne seine Wurzeln zu verleugnen. Der Rieslingsekt brut ist unverkennbar Riesling mit der unaufgeregten Noblesse eines anspruchsvollen Champagners.

    Die Nase ist wunderbar duftig und mineralisch. Am Gaumen ist der Sekt erstaunlich lang, erstaunlich saftig und wahnsinnig trinkig. Ein kleiner Rest aus einer der Flaschen unserer Kiste, der  – weshalb auch immer – für zwei Tage im Kühlschrank geparkt worden war, stand bei der Resteverwertung wie eine „1“. Wenn das mal nichts ist!

    Erik Rodez – Champagner „Cuvée de Crayères“

    (60% Pinot Noir, 40% Chardonnay, 6 g Dosage, um die 35€)

    Erik Rodez ist der ehemalige Kellermeister von Krug. Damit ist der Qualitätsanspruch klar: High End!. Der Star in Rodez‘ Portfolio ist für mich der Basis-Champagner: die Cuveé de Crayères. Aus den hier präsentierten Champagnern ist diese Basis-Cuvée derjenige Champagner, der vermutlich am wenigsten polarisiert.

    Die Cuvee de Crayeres ist wunderbar sauber, leicht kräuterig und hat eine wunderbar duftige Frische. Am Gaumen ist sie erstaunlich maskulin und dennoch herrlich saftig. Der Wein hat, insbesondere für die Preisklasse, eine tolle Struktur. Der Abgang ist kristallklar. Mehr kann man von einem Basis-Champagner wirklich nicht erwarten.

    Die Cuvée de Crayères ist die damit beste Wahl für Heiligabend mit den Schwiegereltern: hohes Niveau, elegant, saugut und nicht zu eckig. Wer es spannender haben will, greift zu Gatinois oder Christophe Mignon (s. unten).

    Gatinois 900

    Gatinois – Réserve N.V.

    (85 – 90% Pinot Noir, 10- 15% Chardonnay, 6 g Dosage, um die 35€)

    Gatinois liefert Trauben u.a. an Bollinger, vermarktet einen Teil aber mittlerweile selber. Welche ein Glück!

    Der Champagner startet zunächst etwas komisch – auch farblich: nämlich rötlich-goldgelb, fast ins rosé-ige gehend. Zu Beginn stört auch eine leichte Alkohol-Note in der Nase. Die verfliegt aber innerhalb der ersten Minuten. Der Champagner dreht dann nach ungefähr zwanzig Minuten richtig auf, wird sehr frisch, rund und erfreulich eigenständig. Pink Grapefruit, Kräuter – alles aus einem Guss. Am Gaumen erstaunlich dicht und sehr, sehr trinkig. Ganz großartiger Charakter-Champagner mit Ecken und Kanten und einem gigantischen Preis-Genussverhältnis.


    Essensbegleiter

    In der Rubrik „Essensbegleiter“ stelle ich Euch besonders interessante Weine vor, die gut zum Essen passen, spannend sind und ein gutes, optimalerweise sehr gutes, Preis-Genuss-Verhältnis bieten. Auswahl und Einschätzung sind natürlich völlig subjektiv.

    Diese Reihe ist keine Werbung! Es erfolgt keinerlei wie auch immer geartete Vergütung. Ich gebe Bezugsquellen lediglich an, um möglichen Interessenten das Leben leichter zu machen. Ich nenne dabei nur Händler, mit denen ich selber schon gute Erfahrungen gemacht habe.

    Diebolt-Valois – „Blanc de blanc Cuvée Prestige“ N.V.

    (100% Chardonnay, 6-8 g. Dosage, um die 38€) 

    Dieser Champagner ist einfach unwiderstehlich lecker. Ich kann mich gut an einen Nachmittag erinnern, an dem die Flasche so gut wie leer war bevor die Gäste überhaupt eingetroffen waren. Die Nase ist so zart wie expressiv und überzeugt mit Zitrus, Pfirsich, floralen Noten und einer tollen Mineralik. Fein-duftige, herrliche Fruchtsüße.

    Aus den hier präsentierten Weinen ist der Diebolt-Valois klar der Champagner für die zarten Gemüter!

    Zuletzt probiert im Sommer und damals notiert: für diese Preisklasse erstaunlich komplex. Am Gaumen ziemlich intensive jedoch feine Perlage. Erkennbare Länge. Ganz toller Champagner: komplex, fordernd und dennoch sauisch lecker. Zum Ende hin scheint sich der Champagner zu verschließen. Nach der bisherigen Weißwein-Erfahrung nehme ich an, dass diese Tatsache für längeres Potenzial spricht.

    Christophe Mignon  – „Brut Nature“ N.V.

    (100% Pinot Meunier, 0 g Dosage, um die 40€)

    Der Mignon ist der Champagner für Grenzgänger und damit konzeptionell dem Gatinois durchaus ähnlich, wenn auch etwas radikaler umgesetzt. Das Ergebnis ist absolut köstlich. Zunächst bester Apfelkuchen, dann viel Haselnuß, dazu tolle Mineralik, Pfirsich. Viel hintergründige Frucht. Am Gaumen stoffig, zunächst etwas streng, wird aber mit Luft zunehmend runder.

    Louis Roederer – Rose Champagner 2009/ 2010

    (70% Pinot Noir, 30% Chardonnay, 11 – 12 g. Dosage, um die 58€)

    Der Roederer ist der einzige Champagner in dieser Aufzählung, der über 40€ liegt – und zwar deutlich. Dennoch ist der Jahrgangs-Rosé von Roederer eines der größten Schnäppchen am Markt. Denn bei Roederer ist, wie ganz häufig in der Weinwelt, der Mittelbau aus Preis-Leistungsperspektive am spannendsten. Während nämlich der sehr ambitioniert bepreiste Cristal bei aller unbestrittener Qualität keinesfalls eine Lösung für häufigen Durst ist, vereint der Jahrgangs-Rose Komplexität, Finesse und Kraft zu einem sau-guten Rose-Champagner, der den Hedonisten ebenso befriedigt wie den Intellektuellen.

    Zum 2007er habe ich mir im Sommer notiert: Phantastisch! Die gleiche geniale Lachs-Rosa-Farbe wie der 2008er. Zuächst etwas reserviert aber bereits die Genialität anzeigend. Dann wandelt sich der Wein minütlich und changiert ziwschen Blutorange, Pink-Grapefruit, (Roggen-)Brot und Pflaume. Ungemein saftig und viel, viel Frucht. Tolle Frische. Am Gaumen knackige Säure, gute Länge. Unglaublich trinkig. Der Wein war rat-fatz weg. Die 93 Punkte geben nicht annähernd den Trinkspaß wieder, den der Roederer Rosé bereitet. Viel mehr Spaß kann ein Champagner nicht machen.

    Roederer 900


    Mehr Champagner

    sparkling-online.de – Die Informationsquelle schlechthin. Boris Maskow bloggt hier höchstgradig kompetent und unterhaltsam über Champagner

    Mad about wine – Thomas bloggt mit großer Leidenschaft und sehr kenntnisreich über das Thema Wein – insbesondere Champagner. Leider hat er in letzter Zeit nicht mehr viel geschrieben, dennoch sind seine Beiträge sehr lesenswert


    Bezugsquellen

    Bei weinamlimit gibt es Gatinois und Christope Mignon. Bei Champagne Characters und Noble Wine gibt es Gatinois, Diebolt-Valois und Eric Rodez. K&M Gutsweine und Gute Weine führen Reichsrat von Buhl. Stachel gibt es im Weingut selbst und Roederer z.B. bei Belvini.


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