Was für eine Ausgangslage! Ein Wärter macht vor seinem ersten Arbeitstag einen Rundgang durch das Gefängnis. Ein Aufstand bricht aus. Um nicht umgebracht zu werden, gibt sich Juan als Häftling aus. Welch wunderbare Parabel aufs Leben: Wir alle sind Anpassungskünstler. Wir tun alles, um zu überleben. Wir machen jedes Biotop zu unserer Realität, wenn wir keine Wahl haben. Und wir haben keine Wahl. Wir leben schon in der besten aller Welten.
Gefängnisdramen sind im Moment hoch im Kurs. Eben erst durften wir das cinematografische Kunststück Hunger von Steve McQueen bewundern, dann die französische Oscar-Hoffnung Un Prophète von Jacques Audiard und nun das mit Goyas überschüttete Werk von Daniel Monzón . Leider ist es das schwächste der dreien.
Juan, der neue Wärter, der sich plötzlich mitten in einer Gefängnisrebellion befindet, reagiert entschlossen und klug und verschafft sich so den Respekt des Anführers Malamadre. Er zieht aber auch das Misstrauen der zweitstärksten Knast-Gang, der Gruppe um Apache auf sich. Drei ETA-Häftlinge werden als Geiseln genomme. Draussen und in Juans Gedanken schwirrt seine schwangere Frau herum. Zwischen Malamadre und Juan entwickelt sich eine Freundschaft, und die Grenzen Gut und Böse müssen – überrascht’s noch? – neu definiert werden.
Die Idee des Films ist stark (nach einem Buch von Francisco Peréz Gandul) und so auch die erste halbe Stunde. Der Vorspann – Nahaufnahmen eines sorgfältig durchgeführten Suizids – deutet an, mit welcher Bildkraft diese Geschichte erzählt werden könnte. Die Ausgangslage besticht durch die Abriegelung des Ortes. Eine Mikrogesellschaft mit anderen Regeln herrscht. Und schnell, sehr schnell zerstäuben sich die moralischen Grundsätze, wenn es ums eigene Überleben geht. Vor allem, wenn man verliert, für was sich eben noch zu kämpfen lohnte. Das tönt radikal und spannend.
Monzón traut der strikten Erzählweise innerhalb der Mauern nicht ganz und kümmert sich stets noch um die Aussenwelt. Gelbstichige Rückblenden, die Juan mit seiner schwangeren Frau zeigen, fügen der Geschichte nichts bei, sondern unterwandern die Figur des Juans, der wie in diesen Maulwurfgeschichten nicht mehr weiss, zu wem er jetzt halten soll.
Die moralischen Fragen, die aufbrechen, werden wenig subtil gelöst. Der böse Gefängniswärter Utrilla bleibt böse, sehr böse. Der aufrichtige Verbrecher Malamadre bleibt loyal und dem höheren Ziel verpflichtet. Nur Juan entwickelt sich, aber bis dahin interessiert es einen nicht mehr.
Einzig die Freundschaft zwischen dem Anführer Malamadre und seiner rechten Hand Juan hat Fleisch am Knochen, verpufft dann aber doch zu einer schlichten homoerotischen Andeutung.
Kinostart in der Deutschschweiz ist am 8. Juli 2010.
(Celda 211, E2009, Regie: Daniel Monzón, Schauspieler: Luis Tosar, Alberto Amman, Carlos Bardem)