Casper: Anders bleiben

Casper: Anders bleibenCasper
„Hinterland“

(FourMusic)
Sie wollen uns erzählen – man habe genau auf diesen Song, auf dieses Album gewartet, man könne nicht anders und schon gar nicht ohne, sie würden es uns schon beweisen … Auch hier? Gerade hier. Schon nach „XOXO“ war klar, wie gut der Junge und wie wichtig seine Platte ist, die er da stimmbandwund herausbellte, wütend, unversöhnlich, explosiv. Und genau da macht Casper weiter, nicht mehr ganz so krass, nicht mehr ganz so düster, aber einmal mehr gegen die Konvention, gegen das schablonierte Format, dafür jetzt: variantenreicher, überraschender, und ja – irgendwie besser. Auch auf „Hinterland“ wird der Indierock im Stakkato berappt, mit Textzeilen, die wiederkommen und hängenbleiben – das ist wie zuvor weit entfernt von dem, was der Jugendversteher und Marktstratege unter HipHop sortiert, sondern weiter Kreuzüber neben der Spur.
Das Gewohnte, das Kalkül ist seine Sache noch immer nicht, so wird eben das Hinterland zum Rückzugsort, zum Eldorado, nicht um die Kleinbürgerlichkeit zu loben, sondern das Unverstellte, Ungespreizte, das Direkte. „Für alles zu haben und für nichts zu gebrauchen“, raus aus der „Neinsagerstadt“, Casper macht weiter vorwärts – auf seine Art. Zitate überall und wie es euch gefällt, das Assoziationskino läuft auf Hochtouren: Zu „Alles endet (aber nicht die Musik)“ fallen einem nacheinander Mogwais „Hardcore Will Never Die, But You Will“ und (Hallo, Bildungsbürger!) Seume’s „Böse Menschen haben keine Lieder“ ein. Erst Slime, später Scherben, Sterne, der Junge kennt seine Tradition und macht was Eigenes draus. Erwartungen? Papperlapapp! Wir bekommen Bigbandbrass („Nach der Demo…“), natürlich eines der anrührendsten Liebeslieder ever, quasi eine Beziehungskiste im Zeitraffer („20 qm“) und für „La Rue Morgue“ dürfen wir uns mit Element Of Crime, Poe und Brecht-Weill-Busch durch die Straßenschluchten schleichen.
Gästeliste? Auch das. Was Uhlmann und Marteria auf dem Vorgänger, sind hier: Tom Smith von den Editors zum Schluchzen („Lux Lisbon“), und natürlich Kraftklub, die Brüder im Geiste der Lässigkeit („Ganz schön okay“) – irgendwie zwangsläufig und trotzdem sehr „schick“. Der Sound satt, häufiger gut gelaunt als in den Anfangstagen, aber immer unter Strom, sprungbereit. Entspannt kann er noch nicht, dafür jetzt eben etwas – ja, weltmännischer. „Jambalaya“ zuckt und vibriert bis in die letzte Faser, Wortakrobatik, Cheerleadergekreisch, „er darf tun, was er will.“ Nach dem Sturm, der Überhitzung des Debüts geht diese Platte mehr als in Ordnung, auch wenn das arg nach Strategiesprech klingt, der Lichtblick in der Einheitssuppe. Geb’s Gott, dass wir ihn nie wie andere vormals hoffnungsvoll Gestartete an der Seite von Bohlen, Raab oder Naidoo verglimmen sehen. www.casperxo.com

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