In Cali starteten wir nicht sehr früh, wir hatten absolut keine Lust, zu dem eh schon starken Verkehr in der Stadt noch direkt während der Rush Hour durch die Strassen zu kurven.
Zu Beginn war der Weg einfach zu finden, nahe beim Zentrum müssen wir aber eine falsche Abzweigung erwischt haben. Der Herr, den wir nach der Ausfahrt nach Yumbo fragten, wusste auch nicht, wo wir durch mussten, ging aber nach gut kolumbianischer Manier andere Leute fragen, bis jemand uns eine Antwort geben konnte. "Do you speak English?" Als wir nach nur wenigen Quadras an einer Kreuzung standen, wurden wir von einer jungen Frau angesprochen und darauf hingewiesen, dass wir uns in einem sehr gefährlichen Quartier befänden und schleunigst hier wegmüssten. Ich wiederholte meine Frage nach unserem Ausweg aus der Stadt, da ich zuvor höchstens die Hälfte der Wegbeschreibung verstanden hatte. Hier war die Sache einfacher, unsere neue Freundin schlug kurzerhand vor, uns zu führen, wir sollten einfach dem Auto folgen.
Nach ein paar Minuten standen wir an einem Lichtsignal hinter dem Auto unserer Guías als zwei Polizisten auf einem Motorrad neben uns hielten und ebenfalls ihre Besorgnis zum Ausdruck brachten und meinten, wir sollten dort nicht sein. Und obwohl wir ja schon Hilfe erhalten hatten, schienen sie der Meinung zu sein, wir seien in Gefahr und begleiteten uns eine ganze Weile bis die Strassen wieder sicher gewesen sein müssen. Über mangelnde Hilfsbereitschaft konnten wir uns wieder einmal nicht beklagen. Weiss nicht, ob wir selber gemerkt hätten, dass wir in einem nicht so guten Quartier gelandet waren. Klar, sehr hochstehend hatte die Umgebung dort nicht ausgesehen, aber da wir of die lokalen Märkte frequentiert hatten, waren wir uns das gewohnt und hatten uns nicht unsicher gefühlt.
Unsere "Retterin" und ihr Vater brachten uns raus aus der Stadt und besprachen noch kurz unsere Routenplanung mit uns. Wir hatten vorgehabt, nicht die Panamericana, sondern eine, wie wir hofften weniger start befahrene Strasse zu nehmen. Hernan in der Casa de Ciclista hatte uns versichert, dass die genauso sicher sei wie die Panam. Unser Señor war jedoch anderer Meinung. Er sagte zwar nicht direkt, die Strecke sei gefährlich, aber weil dort eben tatsächlich weniger Verkehr herrschte, sei es besser auf der Hauptverbindungsstrasse zu bleiben. Ok, wirklich daraufan kam es uns nicht und so liessen wir uns von ihm die richtige Strasse zeigen und verabschiedeten uns von unseren netten Helfern.
Schon bald darauf stoppten wieder, diesmal wegen saftigen Wassermelonen am Strassenrand. Wie immer wurde daraus ein Gespräch mit den anwesenden Leuten, von denen einer, der aussah, als könnte er Jack Sparrows Bruder sein, uns sogar eine Mango sponserte. Danach passierte nicht mehr sehr viel. Das Land war platt, links und rechts Felder, meistens Zuckerrohr. Der Verkehr hielt sich einigermassen in Grenzen, die Strasse war breit mit Seitenstreifen. Hier wurde offensichtlich sogar an Ciclistas gedacht und mit überraschend detaillierten Schildern daraufhingewiesen.
Unser Tagesziel, die Stadt Buga, erreichten wir gegen halb vier. Beim Eingang der Stadt stach uns die grosse Feuerwehrstation ins Auge, also gingen wir anfragen, ob es dort allenfalls eine Übernachtungsmöglichkeit gäbe. Das herauszufinden war eine längere Angelegenheit, da natürlich die zuständigen Personen konsultiert werden mussten. Dann blieb die Frage, wo wir einquartiert werden konnten, da anscheinend wegen eines Ausbildungsabends keine Zimmer frei waren. Zuerst wurde mir ein Übungsgebäude gezeigt, mit dem ich natürlich total einverstanden war, obwohl wir bei Regen mit starkem Wind wohl nass geworden wären. Etwas später wurden wir auf eine überdachte Terrasse verlegt, wo es wegen des Anlasses wohl bis relativ spät eher lärmig gewesen wäre. Aber wir nahmen das trotzdem an, wir konnten ja in der Situation nicht wählerisch sein. Dem Herrn Comandante schien es jedoch nicht zu passen, dass die Señoritas auf der Terrasse schlafen sollten und so erhielten wir schlussendlich das Offizierszimmer (mit eigenem Bad). Ob nun jemand wegen uns von dort ausquartiert wurde, wussten wir nicht, vermuteten es aber. Da aber der Comandante der Chef der Anlage war, stellten wir den Entscheid nicht in Frage.
Die Feuerwehrleute von Buga waren nicht einfach nur nett, sie waren super zuvorkommend und hilfsbereit. Wir erhielten einen Kaffee, eine kurze Führung durch das Gebäude und durften sogar die Waschmaschine benutzen. Wenn das kein Luxus war! Da Buga auch ein wichtiger Wallfahrtsort ist, wollten wir noch die Kirche anschauen gehen. Eine Señora, die im Cuerpo de Bomberos arbeitete, bot uns an, uns dorthin zu begleiten, sie habe denselben Weg. Wieder einmal konnten wir uns kaum wehren vor lauter Hilfsangeboten.
Später im Restaurant lief (natürlich) ein Fernseher und wir sahen die Nachrichten (sowas kommt selten vor) und waren äusserst betroffen, von den Bildern von Überschwemmungen und von Bergrutschen weggerissenen Häusern.
Am nächsten Morgen wollten wir wieder einigermassen früh starten, was wie bei den Bomberos üblich nicht klappte. Aus Sicherheitsgründen waren unsere Velos in einem Gebäude eingeschlossen worden und der Herr mit dem Schlüssel begann erst ca. halb acht mit der Arbeit. Also schwatzten wir mit den anderen schon und noch Anwesenden bis wir unsere Velos befreien und beladen konnten. Kurz vor dem losfahren bemerkte ich, dass meine Galionsfigur verlorengegangen war. Kein Ahnung, ob das tags zuvor auf der Strasse oder am Abend beim umparkieren der Bicis passiert war, jedenfalls sass der "Typ" nicht mehr auf meinem Lowrider:-((
Wie meistens wussten wir nicht, wie weit wir kommen und wo wir übernachten würden. Der Tag begann mit einer platten Strasse, langsam aber sicher wurde die Landschaft hügeliger, es ging munter auf und ab, nie steil und nie lang aber die Strecke bis Cartago zog sich ganz schön in die Länge. In der Stadt hatten wir schliesslich über 115 km auf dem Zähler. Da wir aber nicht sicher waren, welcher Weg von Cartago nach Medellín der geeignetste war, stoppten wir beim Polizeiposten und fragten nach der Meinung unserer Freunde und Helfer. Martina und ein Polizist unterhielten sich eine Weile ernsthaft mit Hilfe der Karte, als es plötzlich zu regnen begann und wir durchs Tor in den Hof es Postens zügelten und uns unters Dach stellten. Dort turnten noch eine Menge weiterer Policías herum, die sich bald so clownhaft benahmen wir wir das von solchen Jungs schon gewohnt waren.
Als es aufhörte zu regnen, fuhren wir weiter und suchten die Bomberos. Leider war es hier nicht möglich, eine gratis Übernachtung zu "erschleichen" da dort gerade umgebaut wurde. Wir wurden zum Roten Kreuz weiterverwiesen. Dort war aber der Präsident, die einzige Person mit einer solchen Entscheidungsbefugnis, nicht anwesend. So langsam wurde uns die Sache eh peinlich, es war ja nicht so, dass wir uns ein Hotel nicht leisten konnten. Gezwungenermassen starteten wir nun die übliche Suche mit einer etwas schwindender Motivation, da es dauerregnete und inzwischen spät geworden war. Dazu waren die Hotels, die ich anschaute, recht teuer und nicht einmal sonderlich gut. Wir entschieden uns, noch eine Runde um den Block zu drehen und fanden tatsächlich eine günstige Unterkunft mit bequemen Betten. Die Suche nach einem Restaurant war danach mindestens ebenso mühsam, schlussendlich aber doch noch erfolgreich.
Am Morgen darauf begann, kaum hatten wir die Stadt verlassen, ein längere Steigung. Es war wieder sonnig und entsprechend warm. Als wir nach den ersten ca. 10 km an diversen Ananasständen vorbeikamen, nutzten wir darum den Vorwand (oder die Gelegenheit), eine feine Ananas zu essen. Danach ging's weiter, immer auf und ab, tendenziell aber aufwärts. Auch hier begegneten wir einigen Rennfahrern, mit denen wir ein paar Worte wechselten. Diesmal waren wir an der Reihe, beeindruckt zu sein: einer der Ciclistas hatte nur ein Bein! Fuhr aber trotzdem schnell den Berg hoch, einzig anfahren schien für ihn etwas mühsamer zu sein. Respekt, sich von so einer Behinderung so wenig beeinträchtigen zu lassen.
Wir befanden uns hier in der Zona Cafetera, dem Kaffeeanbaugebiet Kolumbiens und die Hügel ringsum waren voller dunkelgrünen Kaffeebüschen. Im Unterschied zu den bügelbrettflachen und maschinell bewirtschafteten Kaffeeplantagen, die ich in Hawai'i gesehen habe, werden hier billige Arbeitskräfte eingesetzt, die von Hand ernten und alle anderen nötigen Arbeiten verrichten. Auch sind die Sträucher häufig nicht in miltärisch genauen Reihen gepflanzt, sondern einigermassen wild durcheinander. Und es wächst hier nicht ausschliesslich Kaffee, immer wieder sahen wir die uns auch schon längst bekannten hellgrünen Bananenpalmen.
Da wir an jenem Tag kein Brot dabei hatten, assen wir in einem Restaurant zu Mittag. Wirklich bewährt hat sich das aber nicht, so ein Menu ist bedeutend mehr als unsere üblichen Sandwiches und wir waren hinterher eher zum schlafen als zum weiterfahren motiviert. Nach einem Kaffee sah alles ein Bischen besser aus, sehr verlockend wirkte der Rest der Steigung aber immer noch nicht. Aber rauf mussten wir dort ja trotzdem und es wurde sogar noch ganz interessant. Wie schon an mehreren Stellen in Kolumbien ist die Panam auch hier nämlich nicht einfach eine, sondern zwei Strassen. Die beiden Richtungen, je zweispurig, werden total voneinander losgelöst geführt, bergauf auf einer Seite des Tals, bergab auf der anderen Seite. Und irgendetwas muss hier gegen die üblichen Serpentinen gesprochen haben, stattdessen schraubt sich die Strasse mittels Tunnel und einer Art langgezogener Brücke den Berg hoch. Sieht recht futuristisch aus.
Bald hatten wir diesen letzten Stutz auch geschafft und konnten die Abfahrt hinunter nach Chinchiná geniessen. D.h. hätten geniessen können. Auf dem Pass wurde ich aber von einem fiesen Bauchweh attackiert, dass so stark wurde, dass ich anhalten und mich hinlegen musste. Nach ein paar Minuten war alles wieder in Ordnung und wir fuhren weiter. (???Was soll sowas???) In Chinchiná fanden wir ein hübsches Hotel mit unsympatischer Señora. Kaum zu glauben, dass es in diesem Land auch Leute gibt, die nicht so nett und hilfsbereit sind. Und nicht nur das, in jener Stadt gab es auch einige recht fordernde, ja agressive Bettler. Von denen förmlich angeschnauzt zu werden ist nicht gerade grosszügigeitsfördernd.
Da unsere Señora am nächsten Morgen noch unsympatischer wurde, waren wir froh, als wir wieder unterwegs waren. Das Ziel des Tages, die Stadt La Pintada war wieder über 100 km entfernt und die Landschaft war alles andere als flach, tendenziell ging es für uns aber abwärts. Wir befanden uns immer noch in der Zona Cafetera und hatten hügelweise Kaffeepflanzen um uns herum.
Es sollte wieder ein langer, nicht gerade ereignisreicher Tag werden. Bald einmal erreichten wir den Río Cauca, der sein Bett auch randvoll ausfüllte. Nach einer Brücke führte die Strasse dem Fluss entlang, mal sahen wir die braunen Fluten fast auf gleicher Höhe, mal von Hügeln herab. Wieder einmal versuchten wir uns abzukühlen, indem wir unsere T-Shirts in einem Bächlein tränkten. Extrem viel nützte es nicht, aber das Wasser schien immerhin etwas kühler als an den Tagen zuvor. Anlässlich der diversen Pausen frönten wir zweier unserer Lieblingsbeschäftigungen: Essen und Ameisen füttern. Während wir an unseren trockenen Crackern und anderen teilweise etwas faden, brösmeligen Sachen selber nicht immer so viel Freude haben, scheinen die Ameisen so etwas super zu finden und sie geben sich jede Mühe, alles so schnell wie möglich heimzuschleppen.
Nach unzähligen Auf und Abs mussten wir einmal mehr eine Zwangspause einlegen. D.h. ich hatte Pause, Martina musste einen von einem winzigen Stück Draht zerstochenen Schlauch wechseln. Zu unserer Freude war die Strasse danach bald nicht mehr so hügelig und wir kamen wieder zügiger vorwärts. Kurz nachdem wir weitergefahren waren, stellte Martina fest, dass ihr Haustier, ein Eichhörnchen, fehlte. Entweder hatte sie vergessen, es beim Velo-wieder-aufladen anzuschnallen, oder der Wind hatte es weggeweht (das war so ein aufblasbares gewesen, wie mein Drachen). Kurz vor La Pintada mussten wir kurz warten, da ein Bagger gerade die Strasse freiräumte. Wir haben nie versucht, die Derrumbes zu zählen, aber wir hatten schon in Ecuador gefunden, es habe viele, Kolumbien schägt jedoch alles.
Dann fuhren wir auch schon zwischen den ersten Häusern der "Stadt" durch und stoppten gleich darauf im Zentrum. Diesmal war wieder ich dran mit Matratzen testen. Ist noch verblüffend, wie oft Zimmerpreise und Bettqualität nichts miteinander zu tun haben. Hier zeigte sich aber auch wieder einmal, dass man günstigere Hotels genauer anschauen sollte (was ich an jenem Nachmittag verhängt hatte). Unser Zimmer hatte keine Fensterscheiben, kein Lavabo im Bad (wir benutzten dasjenige im Zimmer gegenüber) und als ich in der Dusche war, kam auf einmal Wasser aus einem Rohr am Boden und überschwemmte fast das Zimmer. Was es hier auch häufig gibt, sind Plastiküberzüge auf dem Matratzen. Hygienetechnisch vermutlich das beste, zum schlafen aber nicht sehr konfortabel weil man, wenn es warm ist, bald einmal auf dem Plastik klebt.
Tags darauf war keine lange Etappe mehr angesagt. Nach wenigen hundert Metern begann eine Steigung, die insgesamt ungefähr 45 km lang war und auf der 2'200 Höhenmeter überwunden werden wollten. Angeblich soll das die längste Steigung Kolumbiens sein, was wir zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht wussten. Da die hohen Pensen der letzten Tage etwas an unseren Kräften gezehrt hatten, war das Ziel des Tages klar: Sta. Barbara, ein Dorf etwa auf halbem Weg nach oben. Wir starteten früh und nahmen uns Zeit. Am Morgen war es bewölkt, ja neblig und es herrschten perfekte Aufstiegstemperaturen. Später wurde es sonnig und heiss, zum Glück waren da aber viele Wolken unterwegs, die immer wieder für Schatten sorgten.
Am Mittag hatten wir Sta. Barbara schon erreicht, nach knapp 27 km seit La Pintada. Das Hotel, das Martina aussuchte, sah aus wie ein Museum oder Antiquariat. Da standen einige alte Schreibmaschinen, es hingen Telefone mit Wählscheibe an einer Säule und es gab einige weitere recht antike Gegenstände. Unser Zimmer, bzw. das Bad war auch speziell. Ein kleines Abteil, das aussah wie die Klo- und Duschkabine in einem Wohnmobil, WC, Lavabo und Dusche in einem. Das war wohl auch das Modernste im ganzen Haus und schien dort irgendwie nicht so recht hinzupassen. Das Zimmer hatte grosse Fenster ohne Scheiben und wir hatten Aussicht auf eine quirrlige Kreuzung.
Den Rest des Tages verbringen wir mit Mittagessen, Haare schneiden lassen und Mails schreiben. Kurz bevor es dunkel wurde, trafen wir Anita und Andi, ein österreichisches Radlerpaar, die nach Süden unterwegs sind. Wir plaudern eine Weile und konkurrieren dabei mit einer grossen Kinderschar, die diese beiden Gringos genauso spannend finden wie wir. Um die beiden nicht vom Duschen abzuhalten, verabredeten wir uns für später um News und Infos auszutauschen. Logischerweise wurde so nichts aus der geplanten Zu-Bett-geh-Zeit (ca. 20.30 Uhr), dafür wurde der Abend unterhaltsam und informativ.
Nach einem nur halbfrühen Start (6.45 Uhr) ging es dann erst mal wieder aufwärts. Andi hatte gesagt, es seien noch 17 km, so abschreckend war das also nicht mehr. Dieser Morgen war nicht nur neblig, zeitweise regnete es sogar. An sich wäre das kein Problem gewesen, es war locker warm genug. Die diversen Bergstürze, die inzwischen wieder weggeräumt waren, hatten aber eine feine Erdschicht hinterlassen, die vom Regen nun in eine glitschige Schmiere verwandelt wurde, über die man mit äusserster Vorsicht drüberfahren musste. Unterwegs telefonierte ich mit Santiago, einem Freund einer Kollegin vom Spanischunterricht in der Schweiz. Wir waren seit Beginn der Reise in E-Mail-Kontakt und Martina und ich sollten einige Tage bei seiner Familie in Medellín verbringen.
An jenem Morgen stellte Martina fest, dass nach ihrem Nager nun auch noch ihre Galionsfigur, die blonde, bewaffnete "Chica Superpoderosa", wie Santiago in Tumbaco sie genannt hatte, verschwunden war. Vermutlich hatten die Kids im Hotel sie geklaut. Die war nämlich mit Kabelbinder befestigt gewesen und konnte nicht so leicht weggekickt werden wie mein "Typ".
Um ungefähr 10 Uhr hatten wir den Pass, den Alto de Minas (rund 2'700 müM) erklommen. Zu unserer Überraschung wurden wir von dutzenden Ciclistas mit Applaus empfangen. Etwas verwirrt blieben wir stehen und sahen uns um. Es war Sonntag, da waren Unmengen Rennvelofahrer unterwegs und die Restaurants auf dem Pass schienen beliebte Treffpunkte zu sein. Sofort waren wir umringt und wurden von allen Seiten mit Fragen bestürmt. Zu meiner Freude waren da nicht nur Velofahrer, sondern auch einige Läufer, die von Medellín dort hinaufgerannt waren. Das hat nun widerum mich beeindruckt, bis zur Stadt waren es immerhin noch weit über 20 km.
Nach einer Weile tratschen starteten wir die Bajada, die wir aber leider nicht so schnell wie erhofft runterfetzen konnten. Das lag an den etlichen langsam fahrenden Lastwagen, die man bei dem vielen Verkehr und der eher schmalen Strasse nicht so leicht überholen konnte. Wie bei jeder Abfahrt waren wir trotzdem viel zu schnell unten und es blieben noch zwei kleinere Steigungen und dann einige flache Kilometer bis zum verabredetem Treffpunkt, der Metrohaltestelle Expocisiones, die wir nach einer extra Runde schliesslich ohne weiteren Probleme fanden. Das Problem war nun ein anderes. Wie im Film war natürlich gerade jetzt der Akku meines Natels tot und ich konnte Santiago nicht benachrichtigen. Ich kämpfte gerade mit einer Telefonkabine als er auch schon da stand und uns leicht erkannte, viele Gringas mit schwer bepackten Velos hängten dort nicht rum.
Santiago hatte uns per Velo abgeholt, so konnten wir ihm jetzt nachfahren und kamen bald bei ihm zu Hause an. Dort wurden wir von seinen Eltern überschwänglich empfangen, seine Mutter war anscheinend schon sehr besorgt gewesen, da wir uns nicht mehr gemeldet hatten. Wie uns erzäht wurde, habe schon seit Tagen die halbe Familie nach uns gefragt, man scheint unsere Reise hier sehr auserordentlich zu finden. Wir bekamen Santiagos Zimmer zugewiesen, das hübsch eingerichtet aber nicht sehr gross ist. Wir sind uns enge Verhältnisse aber gewöhnt, so war das für uns kein Problem. Seine Tante, die ein sehr grosses Haus hat, hat das offenbar anders gesehen und unseren "Umzug" zu sich nach Hause veranlasst. D.h. wir schlafen nun bei Santiagos Tante und verbringen die Tage bei ihm.
Das Wetter hier in Medellín ist auch äusserst wechselhaft. Die Stadt hatte uns aber netterweise mit Sonne empfangen und selbst wenn es regnet, ist es hier nicht so kalt wie z.B. in Bogatá. Die Stadt befindet sich zwischen 1500 und 1800 müM und hat ein geniales Klima. Nach den ersten paar Tagen, die wir mit Velo putzen und nicht viel tun verbracht hatten (wir mussten schliesslich ausruhen:-), haben wir am Mittwoch mit Santiago eine kurze Velotour zum Pueblito Paisa gemacht. Das ist eine Art Freiluftmuseum eines winzigen Dörfchens der Region Antioquia.
Wie lange wir hier in Medellín bleiben werden, ist noch nicht ganz klar. Martina und ich hatten uns etwa eine Woche vorgestellt, es scheint nun aber, als lässt man uns nicht mehr so schnell wieder gehen.
Startbereit vor der Casa de Ciclistas in Cali.
Zu Beginn war der Weg einfach zu finden, nahe beim Zentrum müssen wir aber eine falsche Abzweigung erwischt haben. Der Herr, den wir nach der Ausfahrt nach Yumbo fragten, wusste auch nicht, wo wir durch mussten, ging aber nach gut kolumbianischer Manier andere Leute fragen, bis jemand uns eine Antwort geben konnte. "Do you speak English?" Als wir nach nur wenigen Quadras an einer Kreuzung standen, wurden wir von einer jungen Frau angesprochen und darauf hingewiesen, dass wir uns in einem sehr gefährlichen Quartier befänden und schleunigst hier wegmüssten. Ich wiederholte meine Frage nach unserem Ausweg aus der Stadt, da ich zuvor höchstens die Hälfte der Wegbeschreibung verstanden hatte. Hier war die Sache einfacher, unsere neue Freundin schlug kurzerhand vor, uns zu führen, wir sollten einfach dem Auto folgen.
Nach ein paar Minuten standen wir an einem Lichtsignal hinter dem Auto unserer Guías als zwei Polizisten auf einem Motorrad neben uns hielten und ebenfalls ihre Besorgnis zum Ausdruck brachten und meinten, wir sollten dort nicht sein. Und obwohl wir ja schon Hilfe erhalten hatten, schienen sie der Meinung zu sein, wir seien in Gefahr und begleiteten uns eine ganze Weile bis die Strassen wieder sicher gewesen sein müssen. Über mangelnde Hilfsbereitschaft konnten wir uns wieder einmal nicht beklagen. Weiss nicht, ob wir selber gemerkt hätten, dass wir in einem nicht so guten Quartier gelandet waren. Klar, sehr hochstehend hatte die Umgebung dort nicht ausgesehen, aber da wir of die lokalen Märkte frequentiert hatten, waren wir uns das gewohnt und hatten uns nicht unsicher gefühlt.
Unsere "Retterin" und ihr Vater brachten uns raus aus der Stadt und besprachen noch kurz unsere Routenplanung mit uns. Wir hatten vorgehabt, nicht die Panamericana, sondern eine, wie wir hofften weniger start befahrene Strasse zu nehmen. Hernan in der Casa de Ciclista hatte uns versichert, dass die genauso sicher sei wie die Panam. Unser Señor war jedoch anderer Meinung. Er sagte zwar nicht direkt, die Strecke sei gefährlich, aber weil dort eben tatsächlich weniger Verkehr herrschte, sei es besser auf der Hauptverbindungsstrasse zu bleiben. Ok, wirklich daraufan kam es uns nicht und so liessen wir uns von ihm die richtige Strasse zeigen und verabschiedeten uns von unseren netten Helfern.
Schon bald darauf stoppten wieder, diesmal wegen saftigen Wassermelonen am Strassenrand. Wie immer wurde daraus ein Gespräch mit den anwesenden Leuten, von denen einer, der aussah, als könnte er Jack Sparrows Bruder sein, uns sogar eine Mango sponserte. Danach passierte nicht mehr sehr viel. Das Land war platt, links und rechts Felder, meistens Zuckerrohr. Der Verkehr hielt sich einigermassen in Grenzen, die Strasse war breit mit Seitenstreifen. Hier wurde offensichtlich sogar an Ciclistas gedacht und mit überraschend detaillierten Schildern daraufhingewiesen.
Vorsicht vollgefederte Mountainbikes?
Unser Tagesziel, die Stadt Buga, erreichten wir gegen halb vier. Beim Eingang der Stadt stach uns die grosse Feuerwehrstation ins Auge, also gingen wir anfragen, ob es dort allenfalls eine Übernachtungsmöglichkeit gäbe. Das herauszufinden war eine längere Angelegenheit, da natürlich die zuständigen Personen konsultiert werden mussten. Dann blieb die Frage, wo wir einquartiert werden konnten, da anscheinend wegen eines Ausbildungsabends keine Zimmer frei waren. Zuerst wurde mir ein Übungsgebäude gezeigt, mit dem ich natürlich total einverstanden war, obwohl wir bei Regen mit starkem Wind wohl nass geworden wären. Etwas später wurden wir auf eine überdachte Terrasse verlegt, wo es wegen des Anlasses wohl bis relativ spät eher lärmig gewesen wäre. Aber wir nahmen das trotzdem an, wir konnten ja in der Situation nicht wählerisch sein. Dem Herrn Comandante schien es jedoch nicht zu passen, dass die Señoritas auf der Terrasse schlafen sollten und so erhielten wir schlussendlich das Offizierszimmer (mit eigenem Bad). Ob nun jemand wegen uns von dort ausquartiert wurde, wussten wir nicht, vermuteten es aber. Da aber der Comandante der Chef der Anlage war, stellten wir den Entscheid nicht in Frage.
Auch Martina gefiel unser Offizierszimmer.
Die Feuerwehrleute von Buga waren nicht einfach nur nett, sie waren super zuvorkommend und hilfsbereit. Wir erhielten einen Kaffee, eine kurze Führung durch das Gebäude und durften sogar die Waschmaschine benutzen. Wenn das kein Luxus war! Da Buga auch ein wichtiger Wallfahrtsort ist, wollten wir noch die Kirche anschauen gehen. Eine Señora, die im Cuerpo de Bomberos arbeitete, bot uns an, uns dorthin zu begleiten, sie habe denselben Weg. Wieder einmal konnten wir uns kaum wehren vor lauter Hilfsangeboten.
Später im Restaurant lief (natürlich) ein Fernseher und wir sahen die Nachrichten (sowas kommt selten vor) und waren äusserst betroffen, von den Bildern von Überschwemmungen und von Bergrutschen weggerissenen Häusern.
Am nächsten Morgen wollten wir wieder einigermassen früh starten, was wie bei den Bomberos üblich nicht klappte. Aus Sicherheitsgründen waren unsere Velos in einem Gebäude eingeschlossen worden und der Herr mit dem Schlüssel begann erst ca. halb acht mit der Arbeit. Also schwatzten wir mit den anderen schon und noch Anwesenden bis wir unsere Velos befreien und beladen konnten. Kurz vor dem losfahren bemerkte ich, dass meine Galionsfigur verlorengegangen war. Kein Ahnung, ob das tags zuvor auf der Strasse oder am Abend beim umparkieren der Bicis passiert war, jedenfalls sass der "Typ" nicht mehr auf meinem Lowrider:-((
Feuerwehrstation in Buga bei Nacht.
Wie meistens wussten wir nicht, wie weit wir kommen und wo wir übernachten würden. Der Tag begann mit einer platten Strasse, langsam aber sicher wurde die Landschaft hügeliger, es ging munter auf und ab, nie steil und nie lang aber die Strecke bis Cartago zog sich ganz schön in die Länge. In der Stadt hatten wir schliesslich über 115 km auf dem Zähler. Da wir aber nicht sicher waren, welcher Weg von Cartago nach Medellín der geeignetste war, stoppten wir beim Polizeiposten und fragten nach der Meinung unserer Freunde und Helfer. Martina und ein Polizist unterhielten sich eine Weile ernsthaft mit Hilfe der Karte, als es plötzlich zu regnen begann und wir durchs Tor in den Hof es Postens zügelten und uns unters Dach stellten. Dort turnten noch eine Menge weiterer Policías herum, die sich bald so clownhaft benahmen wir wir das von solchen Jungs schon gewohnt waren.
Als es aufhörte zu regnen, fuhren wir weiter und suchten die Bomberos. Leider war es hier nicht möglich, eine gratis Übernachtung zu "erschleichen" da dort gerade umgebaut wurde. Wir wurden zum Roten Kreuz weiterverwiesen. Dort war aber der Präsident, die einzige Person mit einer solchen Entscheidungsbefugnis, nicht anwesend. So langsam wurde uns die Sache eh peinlich, es war ja nicht so, dass wir uns ein Hotel nicht leisten konnten. Gezwungenermassen starteten wir nun die übliche Suche mit einer etwas schwindender Motivation, da es dauerregnete und inzwischen spät geworden war. Dazu waren die Hotels, die ich anschaute, recht teuer und nicht einmal sonderlich gut. Wir entschieden uns, noch eine Runde um den Block zu drehen und fanden tatsächlich eine günstige Unterkunft mit bequemen Betten. Die Suche nach einem Restaurant war danach mindestens ebenso mühsam, schlussendlich aber doch noch erfolgreich.
Am Morgen darauf begann, kaum hatten wir die Stadt verlassen, ein längere Steigung. Es war wieder sonnig und entsprechend warm. Als wir nach den ersten ca. 10 km an diversen Ananasständen vorbeikamen, nutzten wir darum den Vorwand (oder die Gelegenheit), eine feine Ananas zu essen. Danach ging's weiter, immer auf und ab, tendenziell aber aufwärts. Auch hier begegneten wir einigen Rennfahrern, mit denen wir ein paar Worte wechselten. Diesmal waren wir an der Reihe, beeindruckt zu sein: einer der Ciclistas hatte nur ein Bein! Fuhr aber trotzdem schnell den Berg hoch, einzig anfahren schien für ihn etwas mühsamer zu sein. Respekt, sich von so einer Behinderung so wenig beeinträchtigen zu lassen.
Wir befanden uns hier in der Zona Cafetera, dem Kaffeeanbaugebiet Kolumbiens und die Hügel ringsum waren voller dunkelgrünen Kaffeebüschen. Im Unterschied zu den bügelbrettflachen und maschinell bewirtschafteten Kaffeeplantagen, die ich in Hawai'i gesehen habe, werden hier billige Arbeitskräfte eingesetzt, die von Hand ernten und alle anderen nötigen Arbeiten verrichten. Auch sind die Sträucher häufig nicht in miltärisch genauen Reihen gepflanzt, sondern einigermassen wild durcheinander. Und es wächst hier nicht ausschliesslich Kaffee, immer wieder sahen wir die uns auch schon längst bekannten hellgrünen Bananenpalmen.
Da wir an jenem Tag kein Brot dabei hatten, assen wir in einem Restaurant zu Mittag. Wirklich bewährt hat sich das aber nicht, so ein Menu ist bedeutend mehr als unsere üblichen Sandwiches und wir waren hinterher eher zum schlafen als zum weiterfahren motiviert. Nach einem Kaffee sah alles ein Bischen besser aus, sehr verlockend wirkte der Rest der Steigung aber immer noch nicht. Aber rauf mussten wir dort ja trotzdem und es wurde sogar noch ganz interessant. Wie schon an mehreren Stellen in Kolumbien ist die Panam auch hier nämlich nicht einfach eine, sondern zwei Strassen. Die beiden Richtungen, je zweispurig, werden total voneinander losgelöst geführt, bergauf auf einer Seite des Tals, bergab auf der anderen Seite. Und irgendetwas muss hier gegen die üblichen Serpentinen gesprochen haben, stattdessen schraubt sich die Strasse mittels Tunnel und einer Art langgezogener Brücke den Berg hoch. Sieht recht futuristisch aus.
Futuristischer Strassenbau.
Bald hatten wir diesen letzten Stutz auch geschafft und konnten die Abfahrt hinunter nach Chinchiná geniessen. D.h. hätten geniessen können. Auf dem Pass wurde ich aber von einem fiesen Bauchweh attackiert, dass so stark wurde, dass ich anhalten und mich hinlegen musste. Nach ein paar Minuten war alles wieder in Ordnung und wir fuhren weiter. (???Was soll sowas???) In Chinchiná fanden wir ein hübsches Hotel mit unsympatischer Señora. Kaum zu glauben, dass es in diesem Land auch Leute gibt, die nicht so nett und hilfsbereit sind. Und nicht nur das, in jener Stadt gab es auch einige recht fordernde, ja agressive Bettler. Von denen förmlich angeschnauzt zu werden ist nicht gerade grosszügigeitsfördernd.
Da unsere Señora am nächsten Morgen noch unsympatischer wurde, waren wir froh, als wir wieder unterwegs waren. Das Ziel des Tages, die Stadt La Pintada war wieder über 100 km entfernt und die Landschaft war alles andere als flach, tendenziell ging es für uns aber abwärts. Wir befanden uns immer noch in der Zona Cafetera und hatten hügelweise Kaffeepflanzen um uns herum.
Kaffeeplantagen soweit das Auge reicht.
Es sollte wieder ein langer, nicht gerade ereignisreicher Tag werden. Bald einmal erreichten wir den Río Cauca, der sein Bett auch randvoll ausfüllte. Nach einer Brücke führte die Strasse dem Fluss entlang, mal sahen wir die braunen Fluten fast auf gleicher Höhe, mal von Hügeln herab. Wieder einmal versuchten wir uns abzukühlen, indem wir unsere T-Shirts in einem Bächlein tränkten. Extrem viel nützte es nicht, aber das Wasser schien immerhin etwas kühler als an den Tagen zuvor. Anlässlich der diversen Pausen frönten wir zweier unserer Lieblingsbeschäftigungen: Essen und Ameisen füttern. Während wir an unseren trockenen Crackern und anderen teilweise etwas faden, brösmeligen Sachen selber nicht immer so viel Freude haben, scheinen die Ameisen so etwas super zu finden und sie geben sich jede Mühe, alles so schnell wie möglich heimzuschleppen.
Ameisen beim Abtransport unserer Snacks.
Nach unzähligen Auf und Abs mussten wir einmal mehr eine Zwangspause einlegen. D.h. ich hatte Pause, Martina musste einen von einem winzigen Stück Draht zerstochenen Schlauch wechseln. Zu unserer Freude war die Strasse danach bald nicht mehr so hügelig und wir kamen wieder zügiger vorwärts. Kurz nachdem wir weitergefahren waren, stellte Martina fest, dass ihr Haustier, ein Eichhörnchen, fehlte. Entweder hatte sie vergessen, es beim Velo-wieder-aufladen anzuschnallen, oder der Wind hatte es weggeweht (das war so ein aufblasbares gewesen, wie mein Drachen). Kurz vor La Pintada mussten wir kurz warten, da ein Bagger gerade die Strasse freiräumte. Wir haben nie versucht, die Derrumbes zu zählen, aber wir hatten schon in Ecuador gefunden, es habe viele, Kolumbien schägt jedoch alles.
Dann fuhren wir auch schon zwischen den ersten Häusern der "Stadt" durch und stoppten gleich darauf im Zentrum. Diesmal war wieder ich dran mit Matratzen testen. Ist noch verblüffend, wie oft Zimmerpreise und Bettqualität nichts miteinander zu tun haben. Hier zeigte sich aber auch wieder einmal, dass man günstigere Hotels genauer anschauen sollte (was ich an jenem Nachmittag verhängt hatte). Unser Zimmer hatte keine Fensterscheiben, kein Lavabo im Bad (wir benutzten dasjenige im Zimmer gegenüber) und als ich in der Dusche war, kam auf einmal Wasser aus einem Rohr am Boden und überschwemmte fast das Zimmer. Was es hier auch häufig gibt, sind Plastiküberzüge auf dem Matratzen. Hygienetechnisch vermutlich das beste, zum schlafen aber nicht sehr konfortabel weil man, wenn es warm ist, bald einmal auf dem Plastik klebt.
Tags darauf war keine lange Etappe mehr angesagt. Nach wenigen hundert Metern begann eine Steigung, die insgesamt ungefähr 45 km lang war und auf der 2'200 Höhenmeter überwunden werden wollten. Angeblich soll das die längste Steigung Kolumbiens sein, was wir zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht wussten. Da die hohen Pensen der letzten Tage etwas an unseren Kräften gezehrt hatten, war das Ziel des Tages klar: Sta. Barbara, ein Dorf etwa auf halbem Weg nach oben. Wir starteten früh und nahmen uns Zeit. Am Morgen war es bewölkt, ja neblig und es herrschten perfekte Aufstiegstemperaturen. Später wurde es sonnig und heiss, zum Glück waren da aber viele Wolken unterwegs, die immer wieder für Schatten sorgten.
Am Mittag hatten wir Sta. Barbara schon erreicht, nach knapp 27 km seit La Pintada. Das Hotel, das Martina aussuchte, sah aus wie ein Museum oder Antiquariat. Da standen einige alte Schreibmaschinen, es hingen Telefone mit Wählscheibe an einer Säule und es gab einige weitere recht antike Gegenstände. Unser Zimmer, bzw. das Bad war auch speziell. Ein kleines Abteil, das aussah wie die Klo- und Duschkabine in einem Wohnmobil, WC, Lavabo und Dusche in einem. Das war wohl auch das Modernste im ganzen Haus und schien dort irgendwie nicht so recht hinzupassen. Das Zimmer hatte grosse Fenster ohne Scheiben und wir hatten Aussicht auf eine quirrlige Kreuzung.
Aussicht vom Hotelfenster:
Typisches kolumbianisches Strassenbild.
Den Rest des Tages verbringen wir mit Mittagessen, Haare schneiden lassen und Mails schreiben. Kurz bevor es dunkel wurde, trafen wir Anita und Andi, ein österreichisches Radlerpaar, die nach Süden unterwegs sind. Wir plaudern eine Weile und konkurrieren dabei mit einer grossen Kinderschar, die diese beiden Gringos genauso spannend finden wie wir. Um die beiden nicht vom Duschen abzuhalten, verabredeten wir uns für später um News und Infos auszutauschen. Logischerweise wurde so nichts aus der geplanten Zu-Bett-geh-Zeit (ca. 20.30 Uhr), dafür wurde der Abend unterhaltsam und informativ.
Nach einem nur halbfrühen Start (6.45 Uhr) ging es dann erst mal wieder aufwärts. Andi hatte gesagt, es seien noch 17 km, so abschreckend war das also nicht mehr. Dieser Morgen war nicht nur neblig, zeitweise regnete es sogar. An sich wäre das kein Problem gewesen, es war locker warm genug. Die diversen Bergstürze, die inzwischen wieder weggeräumt waren, hatten aber eine feine Erdschicht hinterlassen, die vom Regen nun in eine glitschige Schmiere verwandelt wurde, über die man mit äusserster Vorsicht drüberfahren musste. Unterwegs telefonierte ich mit Santiago, einem Freund einer Kollegin vom Spanischunterricht in der Schweiz. Wir waren seit Beginn der Reise in E-Mail-Kontakt und Martina und ich sollten einige Tage bei seiner Familie in Medellín verbringen.
An jenem Morgen stellte Martina fest, dass nach ihrem Nager nun auch noch ihre Galionsfigur, die blonde, bewaffnete "Chica Superpoderosa", wie Santiago in Tumbaco sie genannt hatte, verschwunden war. Vermutlich hatten die Kids im Hotel sie geklaut. Die war nämlich mit Kabelbinder befestigt gewesen und konnte nicht so leicht weggekickt werden wie mein "Typ".
Um ungefähr 10 Uhr hatten wir den Pass, den Alto de Minas (rund 2'700 müM) erklommen. Zu unserer Überraschung wurden wir von dutzenden Ciclistas mit Applaus empfangen. Etwas verwirrt blieben wir stehen und sahen uns um. Es war Sonntag, da waren Unmengen Rennvelofahrer unterwegs und die Restaurants auf dem Pass schienen beliebte Treffpunkte zu sein. Sofort waren wir umringt und wurden von allen Seiten mit Fragen bestürmt. Zu meiner Freude waren da nicht nur Velofahrer, sondern auch einige Läufer, die von Medellín dort hinaufgerannt waren. Das hat nun widerum mich beeindruckt, bis zur Stadt waren es immerhin noch weit über 20 km.
Nach einer Weile tratschen starteten wir die Bajada, die wir aber leider nicht so schnell wie erhofft runterfetzen konnten. Das lag an den etlichen langsam fahrenden Lastwagen, die man bei dem vielen Verkehr und der eher schmalen Strasse nicht so leicht überholen konnte. Wie bei jeder Abfahrt waren wir trotzdem viel zu schnell unten und es blieben noch zwei kleinere Steigungen und dann einige flache Kilometer bis zum verabredetem Treffpunkt, der Metrohaltestelle Expocisiones, die wir nach einer extra Runde schliesslich ohne weiteren Probleme fanden. Das Problem war nun ein anderes. Wie im Film war natürlich gerade jetzt der Akku meines Natels tot und ich konnte Santiago nicht benachrichtigen. Ich kämpfte gerade mit einer Telefonkabine als er auch schon da stand und uns leicht erkannte, viele Gringas mit schwer bepackten Velos hängten dort nicht rum.
Santiago hatte uns per Velo abgeholt, so konnten wir ihm jetzt nachfahren und kamen bald bei ihm zu Hause an. Dort wurden wir von seinen Eltern überschwänglich empfangen, seine Mutter war anscheinend schon sehr besorgt gewesen, da wir uns nicht mehr gemeldet hatten. Wie uns erzäht wurde, habe schon seit Tagen die halbe Familie nach uns gefragt, man scheint unsere Reise hier sehr auserordentlich zu finden. Wir bekamen Santiagos Zimmer zugewiesen, das hübsch eingerichtet aber nicht sehr gross ist. Wir sind uns enge Verhältnisse aber gewöhnt, so war das für uns kein Problem. Seine Tante, die ein sehr grosses Haus hat, hat das offenbar anders gesehen und unseren "Umzug" zu sich nach Hause veranlasst. D.h. wir schlafen nun bei Santiagos Tante und verbringen die Tage bei ihm.
Besucher in Santiagos Büro: Babygecko.
Das Wetter hier in Medellín ist auch äusserst wechselhaft. Die Stadt hatte uns aber netterweise mit Sonne empfangen und selbst wenn es regnet, ist es hier nicht so kalt wie z.B. in Bogatá. Die Stadt befindet sich zwischen 1500 und 1800 müM und hat ein geniales Klima. Nach den ersten paar Tagen, die wir mit Velo putzen und nicht viel tun verbracht hatten (wir mussten schliesslich ausruhen:-), haben wir am Mittwoch mit Santiago eine kurze Velotour zum Pueblito Paisa gemacht. Das ist eine Art Freiluftmuseum eines winzigen Dörfchens der Region Antioquia.
Erster Ausflug mit Santiago,
im Hintergrund Smog über Medellín.
Wie lange wir hier in Medellín bleiben werden, ist noch nicht ganz klar. Martina und ich hatten uns etwa eine Woche vorgestellt, es scheint nun aber, als lässt man uns nicht mehr so schnell wieder gehen.