Zu allererst eine Vorwarnung: Dies ist kein objektiver Bericht, keine neutrale Analyse. Was nun folgt, ist sehr persönlich, eine Liebesgeschichte von epischem Ausmaß. Eine Geschichte, die kürzlich jemand „deine Cairomance“ genannt hat.
Wen also harte Fakten, objektive Analysen und kreischende Nachrichtensensationen interessieren, sollte genau jetzt aufhören zu lesen.
Für alle anderen – This is about me and my Cairomance.
Sonne, Hitze, Staub, dreckige Füße, Schwarz unter den Nägeln, Menschen über Millionen von Menschen, nie auch nur eine Minute Stille, Licht, elektrisches und natürliches, der Geruch nach Bleiche, chemischem Insektengift und süßlichem Waschpulver. Staub auf frisch gewaschener Wäsche, Sandwiches mit gegrillter Leber für 45 Cent, Autohupen, das den Gebetsruf zu jeder Tages- und Nachtzeit übertönt. Menschen, die dir ständig und zu jeder Zeit ihre Lebensgeschichte erzählen, so oft, dass es auffällt, wenn ein Taxifahrer mal die Klappe hält. Gechlortes Duschwasser und brüchige Haare, ein Fluss mitten in der Stadt, über den man tagtäglich mehrmals fährt, mit dem Taxi, oder unten durch mit der Metro, und jedes Mal denkt: „Verdammt, der NIL!“
Nachts, ganz spät, auf dem Dach des Zamalek Hotel, der Ort staubig, runtergekommen, auf den Gängen die Zementsäcke, der Wandbruch, die Bilder noch aus Nassers Zeit, Zeit ist kein Faktor hier, ist stehen geblieben, irgendwo zwischen Wille und Vorstellung, zwischen Traum und Trümmer.
Das Dach mit der Bar, Bier und Shisha, unter löchrigen Netzen und Baldachinen, die gespannt sind, Wind, oben über der Stadt, und es ist trotzdem noch laut und heiß.
Vom Fluss her lärmen die Boote mit den Feiernden, und auf dem Dach, da reden sie über Kunst und Fußball und Politik und fühlen sich ein paar Stunden lang frei.
Dann setzt der Regen ein, leicht, und warm, nieselig, durch die Löcher im Baldachin, auf dem Boden Staub und Asche, glückliche Gesichter in den Stühlen, Beseeltheit, Poesie und Mystik, Erbschaft und Geschichte. Nach Hause laufen in dem leichten Niesel, beseelt und voll mit Leben.
Luft, die nach Abgasen und gegrilltem Fleisch, süßem Tabak und Stadt richt, Falafel und Foul an der Straße, alles unter einem Euro, Cafés, in denen 24/7 Fußball läuft, egal welches Land, egal welche Liga. „Welcome, welcome to Eeee-jibt“, man hört es täglich zehnmal und mehr. Stadt im Dauerstau, Autofahrten am Rande der Todesgefahr, Lebenslust und Mut und Humor, egal wo man hinschaut. Tanzen bis Nachts um fünf in der ersten Disko der Stadt, irgendwas zwischen deutschem Gasthaus, linker Eckkneipe und Jazzschuppen aus den 60ern, die Band spielt mit 6-9 Instrumenten, Traditionelles und Eigenes, die Mischung zwischen Livemusik, Habibi-Pop und Dance-Trash aus dem Westen, und alle rasten aus und fühlen sich wohl. Altersdurchschnitt: 25-65. Und keinen stört’s .
Abgeblätterte Farbe, ausgetrocknetes Holz, jahrealter Staub auf noch älteren Autos. Meer aus Satellitenschüsseln, graubraune Hauswand, die mit der braungrauen Luft verschmilzt. Abende, die langsam kühler werden,
Klimaanlagen, die einen steifen Nacken und einen rauen Hals machen.
Neues auch, Menschen, die plötzlich über Politik reden, Wände ansprühen, keine Angst mehr haben. Parolen überall, auch Resignation dazwischen, und überall die ungebrochene Freundlichkeit über allem.
Cairo mon amour, was soll ich sagen. Die Angst, es könnte anders oder weniger oder fremder sein als vor 2 Jahren, war völlig unbegründet. Hier ist mein Herz, hier ist Bewegen leicht. Die Stadt will nicht mit mir kämpfen, nicht wie Berlin, sie ist einfach da, und scheint zu sagen: „Mach du mal“.
Und über allem der tiefe Wunsch, einfach zu bleiben.
To be continued….Dann auch mit Bildern, bei hoffentlich besserer Internetverbindung.