Vor einiger Zeit erreichte mich ein wundervolles Buch aus dem Eichborn Verlag und zwar 'Der Ozean am Ende der Straße' von Neil Gaiman. Schon das Cover hat mich direkt verzaubert und irgendwie gefangen genommen und so geschah es dann auch, dass mich das Buch direkt ab der ersten Seite tief in sich hineinzog und mich nicht mehr los ließ. Worum es in dem Buch geht, erfahrt ihr im folgenden Post.
"Ich legte mich ins Bett und tauchte in die Geschichten ein. Mir gefiel das. Bücher waren sowieso weniger gefährlich als andere Menschen."
Wer sich mit diesem Satz identifizieren kann, muss dieses Buch lesen. Es ist so schlau, so intelligent, so tiefgreifend geschrieben. Neil Gaiman hat ein wunderbares, ein schauriges, phantastisches, brutales Märchen verfasst, das so viel wahren Kern besitzt. Man kann sich über dieses Buch, über jeden einzelnen Satz, stundenlang den Kopf zerbrechen und immer neue Dinge darin entdecken.
Ein älterer Mann kehrt auf Grund der Beerdigung seines Vaters in das Dorf seiner Kindheit zurück. Ohne zu wissen warum, fährt er zu einem alten Bauernhaus, dass ihm irgendwie bekannt vorkommt. Dort trifft er auf die alte Ms. Hempstock, die er von früher zu kennen scheint und erinnert sich an einen Ententeich, der im Garten verborgen liegt. Er bittet darum, diesen besuchen zu dürfen. Als er auf einer Bank am Ententeich Platz nimmt, beginnt er sich plötzlich zu erinnern. An seine Kindheit, an Lettie Hempstock, an eine andere Welt und all die Dinge, die ihm wiederfahren sind.
Ich liebe ja Lebensgeschichten und Romane, die solch einen Charakter haben. Deswegen ist dieses Buch genau meins. Es erzählt die Lebensgeschichte eines Mannes, der als kleiner Junge schier unglaubliche Dinge erlebt hat. Sein Name wird mit keiner Silbe genannt, ist aber auch nicht wichtig. Er ist ein unglaublich sympathischer Charakter, kindlich-naiv und liebenswert. Ein bisschen erinnert er mich an Alex aus 'Das unerhörte Leben des Alex Woods', meinem absoluten Buchfavoriten 2014. Beide Jungs lieben das Wissen und die Welt der Bücher. Auch der kleine Junge, den Neil Gaiman so unglaublich charismatisch darstellt, saugt alles in sich auf, was er in die Finger bekommt. Auch er ist ein schüchternes Kind, zurückhaltend und trotzdem neugierig. Freunde hat er keine und niemand erscheint zu seinem Geburstag, was ihn zwar traurig macht, aber solange er in seine Narnia-Bücher eintauchen kann, ist die Welt in Ordnung.
"Ich war kein glückliches Kind, auch wenn ich hin und wieder ein zufriedenes war. Ich lebte mehr in meinen Büchern als irgendwo sonst"
Das Leben als normales Kind ist aber schnell vorbei, als ein mysteriöser Opalschürfer tot aufgefunden wird und die fabelhafte Lettie Hempstock in sein Leben hüpft. Lettie wohnt auf der Hempstock-Farm und ist anders, als andere Mädchen. Sie ist etwas Besonderes, ebenso wie ihre Mutter und Großmutter. Die Hempstocks sind unglaublich sympathisch und Neil Gaiman zeichnet das alte Bauernhaus so fantastisch und gemütlich, dass man beim Lesen selbst das Gefühl hat, sich am knisternden Kaminfeuer zu befinden. Man kann gar nicht anders, als diese Familie ins Herz zu schließen. Und was der Junge zusammen mit Lettie erlebt, übersteigt die Möglichkeiten der Fantasie bei Weitem.
Alles in allem ist es wirklich sehr sehr schwierig, eine Zusammenfassung zu diesem Buch zu schreiben, weil jedes Wort zur Geschichte schon ein Wort zu viel ist. Sie ist so überraschend, eigensinnig und einzigartig, dass man sie selbst lesen und erleben muss.
Ich kann euch aber sagen, was dieses Buch thematisiert: eine einzigartige Freundschaft, die Zeit, die als Kind scheinbar endlos schien. Das Erwachsenwerden, das Alleinsein, die Macht Erwachsener gegenüber Kindern, unsere Kosumgesellschaft, Gier und Grausamkeit. Ja sogar Selbstmord, häusliche Gewalt und Fremdgehen werden hier behandelt. Es geht um kindliche Naivität und die Vermischung von Realität und Fantasie.
"Wie kannst du in dieser Welt glücklich sein? Du hast ein Loch in deinem Herzen [...] du wirst immer nach etwas suchen, dass du dir nicht einmal richtig vorstellen kannst. Und dieser Mangel wird dir den Schlaf rauben, dich Tag und Nacht heimsuchen, bis du zum letzten Mal die Augen schließt."
Doch am Ende geht es in diesem Buch vor allem um wahre Freundschaft, die über das Loch im Herzen siegt.
Dieses Buch steckt voller Metaphern, Sinnbildern und Interpretationsansätzen. Ich könnte es noch fünf Mal lesen und würde immer wieder etwas Neues entdecken.
Wenn ihr mögt, dann schaut euch doch noch mein Video dazu an und lasst euch von mir noch etwas in diese einzigartige Welt entführen.
Alles in allem ist das eines der ungewöhnlichsten Bücher, die ich bisher gelesen habe. Ich bin völlig unwissend und unbedarf an diese Geschichte herangegangen, deshalb hat sie mich wahrscheinlich so überrascht.
Ich gebe dem Buch vier von fünf Erdbeeren. Es ist großartig, keine Frage, aber einen Punkt muss ich einfach abziehen, weil ich Alex Woods fünf Erdbeeren gegeben habe und mich das Buch emotional einfach noch einen Ticken mehr berührt hat. Aber nichts desto trotz ist 'Der Ozean am Ende der Straße' eine unbedingte Leseempfehlung von mir!
Liebe Grüße
Erdbeerliese