“Fat isn’t the problem. Dieting is the problem.” (Nicht Fett ist nicht das Problem. Diät halten ist das Problem). Mit dieser Aussage beginnt der Rücketext dieses empfehlenswerten Buches, das ich vor kurzem dank des Tipps im Buch von Tine Wittler entdeckt und gelesen habe.
Die Autorin Linda Bacon erzählt zunächst einmal von ihrer eigenen Odysee, von dem Auf und Ab ihres Gewichts im Laufe ihres Lebens, von ihrer eigenen Besessenheit mit Diäten und dem Druck, sich täglich, ja fast stündlich zu wiegen.
Sie vertritt den Standpunkt, dass jeder Körper sein Zielgewicht hat. Diesen Setpoint ist er bestrebt zu halten und daran passt er seinen Verbrauch und seine Speicherleistung an. Der Setpoint ändert sich im Laufe des Lebens, daher werden wir mit zunehmendem Alter durchschnittlich schwerer bis wir in sehr hohem Alter wieder an Gewicht verlieren. Dicke Hundertjährige findet man kaum, wohl aber Hundertjährige, die zwischen 60 und 70 dicker gewesen sind. Dieser Setpoint ist nicht wirklich ein Punkt auf das Gramm genau, sondern ein Gewichtsbereich innerhalb dessen Schwankungen vom Körper toleriert werden. Erst wenn das Gewicht über diesen Bereich hinaus schlägt, reagiert das Regelsystem und das mit all seiner evolutionären Macht, für die unsere modernen, selbstgewählten Hungersnöte (genannt “Diäten”) keine Gegner sind. Der Wille, eine Erfindung unseres modernen Großhirns, ist nichts im Vergleich zum Überlebenswillen, der dem Körper selbst in allen Lebewesen innewohnt. Das System, ließe man es in Ruhe, so Frau Bacons Theorie, würde (abgesehen von genetischen Störungen) von Kindesbeinen an funktionieren, einige von uns wären eben etwas schwerer als andere, ein Spiegel der Vielfalt innerhalb einer Art, genauso wie Größe, unterschiedliche Nasen- und Ohrenformen. Dadurch, dass wir versuchen, diesen Mechanismus zu kontrollieren, zu boykottieren, stören wir ihn und ist er erst einmal irritiert, hebt er den Setpoint an, um auf der sicheren Seite zu sein.
Da Essstörungen und aus der Balance geratene Essverhaltensweisen fast epidemisch geworden sind, wirft Frau Bacon ein genaueres Licht auf die bekanntesten Probleme, vom emotionalen Essen (als Reaktion auf ein Gefühlsproblem statt auf ein tatsächliches Hungersignal des Körpers) bis zum beherrschten, kontrollierten Essen. Was ist falsch am kontrollierten Essen, fragen sich da sicher Einige. Es ist die Frage, wer es kontrolliert. Der Körper selbst mit seinen klaren Signalen, mit seinem Bedarf an Nährstoffen und Vitaminen? Oder unser durch die Medien und unser verzerrtes Selbstbild gesteuereter Diätwahn.
Bewegung wird in diesem Buch sehr hoch geschätzt. Nicht als Mittel zum Gewichtsverlust, sondern als Weg, den Stoffwechsel anzukurbeln, besser drauf zu sein, stärker, widerstandsfähiger und somit an mehr Bereichen des Lebens teilhaben zu können, wenn wir dies wollen und nicht von vornherein viele Aktivitäten vermeiden zu müssen, die uns sehr wohl Spaß machen könnten, wenn wir fit genug dafür wären.
Später geht Frau Bacon auch auf die Rolle von Kohlenhydraten, Zucker (vor allem der aus Mais gewonnene Fructosezucker), Süßstoffen, Eiweiß und Fett in einer ausgewogenen Mischkost ein und rückt einige der “Volkseweisheiten” (Vorurteile) zurecht. Sie geht scharf mit Einflussnahme der Diätmittel/Diätlebensmittel-Konzerne auf die Gesellschaft und die Politik zu Gericht und weiß dies auch zu belegen. Ähnlich genau zerlegt sie langläufige Meinungen über die Gefahr von Übergewicht.
Live Well, das wünscht sie allen Lesern, dass wir unsere Sehnsüchte und verschiedenen Hunger nach… – Begierden ernst nehmen, nicht untrdrücken, sondern zulassen und beantworten, dass wir Freude an Bewegung und am Essen finden und sie schließt ihr Buch mit Apellen an verschiedene Gruppen, von Menschen, die im Gesundheitswesen arbeiten, über Leuten, welche eine nachhaltige Nahrungsmittelerzeugung und Agrarwirtsschaft unterstüzten, bis zu Therapeuten.
Ungefähr in der Mitte des Buches stellt sie ihr HAES Programm vor, das sie zusammen mitDr. Judith S. Stern (welche die Kontrollgruppe der Studie betreute) an Freiwilligen getestet hat. Sie fand 78 Frauen im Bereich zwischen BMI 30 und 45, die sich sechs Monate lang wöchentlich in Gruppen bis zu zehn trafen, um sich auszutauschen. Sie bekamen keine Vorschriften oder Regeln mit auf dem Weg, sondern nur die Rohfassung des Manuskripts. Ein Jahr nach Ende der Studie hatte die Kontrollgruppe, welche ein “normales” Diätprogramm absolvierte schlechtere Resultate als die HAES-Frauen, welche ihr Bewegungspensum vervierfachten, bessere Blutdruck- und Cholesterinwerte aufwiesen, nicht zu vergessen, das bessere Lebensgefühl, neue Energie und mehr Selbstbewusstsein, das sie an den Tag legten. Keine der beiden Gruppen verlor signifikant mehr an Gewicht als die andere, aber das war und ist auch nicht das Ziel des HAES Programms.
Wenn Sie mehr über die Community von “Health at Every Size” erfahren möchten, hier ist deren Webseite.
Linda Bacon
Health at Every Size. The surprising truth about your weight.
Benbella Books, INC.
Paperback 374 Seiten
2008/2010
ISBN: 9781935618256