Frauen im Vordergrund: Buchmesse Frankfurt 2013 – kleiner persönlicher Rückblick
Besucht habe ich die Messe dieses Mal bereits am Mittwoch (9. Oktober). An dem ersten vollen Tag, nur für Fachbesucher, war das Gedränge bis zum Nachmittag noch nicht so groß, die Menschen am Stand wirkten noch frisch, offen und wach.
Die Bilder geben einen Eindruck von den Mühen des Aufbaus, bevor der Messetrubel beginnt, und vom Besucherstrom, der sich zwischen die Stände ergießt - beides in Halle 3.
Ein Tag, kein umfassender Überblick möglich, aber viele Impressionen und - ja, auch das! - menschliche Begegnungen.
Im Vorfeld war ich gefragt worden, wieweit die (geistige) Bedeutung der Buchmesse stark abgenommen habe. Das hat sie sicherlich. Der Entertainment-Charakter, der Verdrängungswettbewerb durch die elektronischen Bücher sind überdeutlich. Und doch: Solange es noch Bücher zum Anfassen und Beschnuppern gibt - und solange noch ungeplante menschliche Begegnungen möglich sind, ist sie weiterhin (für mich) von Bedeutung. Aber vielleicht schönrede ich ja. Ein Kleinverleger auf der Rückfahrt hat mir klarzumachen versucht, wie tiefgreifend die Veränderungen gerade in den letzten Jahren (einigen wenigen) gewesen sind.
Menschliche Begegnungen: Wieder einmal habe ich in den strömenden Massen, in irgendeiner der riesigen Hallen, einen Menschen getroffen, den ich persönlich kenne und der mich mit Freude begrüßt und mir viel erzählt hat. Immer wieder einmal bin ich auf echte Begeisterung gestoßen: An einem Stand eines Verlages, der schöne Bücher als Faksimile herstellt, strahlte eine Frau geradezu vor Begeisterung und versuchte mich mitzureißen. Die Freude an dem, was sie machen, brach auch bei den MitarbeiterInnen des Verlages durch, der klassische ältere Bücher aus dem Naturbereich wieder verlegt, herausgegeben von der Schriftstellerin Judith Schalansky (Matthes & Seitz). Und es gab dort einen Besucher, der selber in dem amerikanischen Nationalpark gewesen war, der in dem einen Buch vorkommt, und mir nun in glühenden Farben alles so geschildert hat, dass ich es selber als begehrenswertes Reiseziel vor Augen hatte, und mir sogar konkrete Tipps gab, wie ich es finanzieren könne. Ruhige Gespräche. Gedankenaustausch über die Unterschiede zwischen zwei veganen Rezeptbüchern. Große Hilfsbereitschaft immer wieder. Und berührende Erlebnisse mit drei jungen Studentinnen aus drei verschiedenen Gebieten - einem afrikanischen Land, der Mongolei, Südeuropa - in dem Restaurant, das seine Speisen auf das Gastland Brasilien abgestimmt hatte. Im Bereich der Brasilien-Präsentation liebenswerte Freundlichkeit.
Wenn ich einen Gesamteindruck der diesjährigen Buchmesse wiedergeben sollte, könnte ich nur sagen: Es war eine Messe der Frauen. Dass unter den LeserInnen Frauen überwiegen, ist ja bekannt - unter den AutorInnen werden es auch immer mehr. Oft mit gebrochenen Biografien, was ihre Herkunft betrifft. Die wichtigen Preise, die vor oder auf der Buchmesse verliehen werden, gingen alle drei an Frauen: Swetlana Alexijewitsch, in der Ukraine geboren, in Weißrussland aufgewachsen, bekam den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Der Buchpreis des Deutschen Buchhandels wurde Terézia Mora verliehen, die aus Ungarn stammt, aber in Deutschland aufwuchs und in deutscher Sprache schreibt. Der Nobelpreis für Literatur ging an die über achtzigjährige Kanadierin Alice Munroe, die englisch schreibende Meisterin der Kurzgeschichte.
Swetlana Alexijewitsch wirkt auf ihre ganz eigene Weise mit dem Wort für den Frieden - indem sie selbstlos und mutig Menschen sprechen lässt (in kaum bearbeiteten Gespächsprotokollen), die sonst stumm bleiben würden; in ihrem letzten Buch Menschen, die in der "Secondhand-Zeit" (so der Titel) auf den Trümmern des Sozialismus mit ihren gebrochenen Lebensläufen zurechtzukommen versuchen. In ihrer Heimat sind ihre Bücher verboten.
Die in Ungarn geborene Terézia Mora (hier auf der Buchmesse nach der Preisverleihung) widmet sich schweren bis dusteren Themen, bewältigt sie aber mit bewundernswerter sprachlicher Meisterschaft. Darius Kopp, die Hauptfigur in ihrem neuesten Roman "Das Ungeheuer", begibt sich auf eine lange Reise - auf der Suche nach der Wahrheit über seine Frau, die Selbstmord begangen hat; über sich selbst; und über diese "dunkle und ungeheure Welt" (nach dem Verlagstext). Die Kanadierin Alice Munroe steht seit langem auf der Liste der möglichen Kandidatinnen für den Literaturnobelpreis - nun hat sie ihn mit 82 Jahren bekommen. Sie hat "nur" einen Roman geschrieben, hat es aber bei diesem Versuch belassen, denn sie ist eine Meisterin der Kurzgeschichte, darin liegt ihre Stärke. Im Fischer-Taschenbuch liegt eine Auswahl von zehn Erzählungen unter dem Titel "Zu viel Glück" vor (2011). Auf alle drei Autorinnen werde ich hier zurückkommen.
Behaglichkeit zu schaffen und an die emotionale Beziehung des Menschen zum Lesen anzuknüpfen, das war eines der Anliegen der Brasilien-Präsentation. Einen guten Einblick in die brasilianische Literatur verschafft der Sonderband der Zeitschrift "die horen".
Noch gibt es Kinder, die Freude am Lesen haben; noch gibt die Buchmesse die Gelegenheit dazu ...
Text: © Dr. Helge Mücke, Hannover; die Bilder von oben nach unten: © Peter Hirth / Frankfurter Buchmesse; © Copyright frei nur fuer journalistische Zwecke (keine weiteren Angaben); © Bernd Hartung/ Frankfurter Buchmesse; © Peter Hirth / Frankfurter Buchmesse; © Copyright frei nur fuer journalistische Zwecke. (keine weiteren Angaben); ebenso.