Buchkritik: “Girls with Guns”

In Ihrem Buch behandelt Julia Reifenberger Motive, Mechanismen und Bedeutung zu Rape und Revenge Filmen. Wie in nahezu jedem Film, der das Verhältnis zwischen den Geschlechtern thematisiert, zeigt und/oder umwandelt, gilt für das vorliegende Genre umso mehr: “Der typische Rape-Revenge-Film entwirft die Szenerie eines sprichwörtlichen Geschlechterkampfes.” den es zu sichten und decodieren gilt.

Girls with Guns - Rape und Revenge Movies: Radikalfeministische Ermächtigungsfantasien?

Girls with Guns – Rape und Revenge Movies: Radikalfeministische Ermächtigungsfantasien?

Dabei arbeitet Reifenberger alle möglichen Konstellationen, auch im historischen Verlauf, durch. Waren es zu Beginn des Genres, in den 20ern noch männliche Figuren, ehrenwerte Väter, Brüder oder Ehemänner, die die getötete Vergewaltigte rächen wollten, so treten ein paar Jahrzehnte später auch andere Frauen als stellvertretende Rächerinnen auf. Erst in den 70ern entwickelte sich das Genre zu dem, wie wir es heute kennen. Hier überlebt das weibliche Vergewaltigungsopfer die Tat und begibt sich selbst auf ihren blutigen Rachefeldzug. Und so werden auch die Stimmen zitiert, die das ganze andersherum auslegen: “Das Monster des Rape-Revenge Films sei also die rächende Frau und nicht etwa der männliche Vergewaltigungstäter.” Oder auch die Frage nach der Schuld verhandelt, warum beispielsweise ein bestimmter Frauentypus in den Rape-Revenge-Filmen zum Opfer (und später zur Täterin) wird.

Doch Reifenberger nimmt nicht nur eine historischen und inhaltlichen Überblick und Deutungsversuch vor, sie widmet ein ganzes Kapitel der Darstellung von sexualisierter Gewalt im Film. Hier stellt sie die zentrale Frage: “Wie müssen und können Vergewaltigungen im Film inszeniert werden, damit einerseits die brutale Realität von sexualisierter Gewalt als misogynes Verbrechen benannt und ausgestellt wird, andererseits aber in der Darstellung nicht selbst ein Hass gegen Frauen und eine Lust an ihrer Zerstörung zum Ausdruck kommt, beziehungsweise beim Zuschauer adressiert wird?” Denn zum Einen finden sich in vielen Rape-Revenge-Filmen explizite, auch pornographische Szenen, die die Vergewaltigung zeigen. Zum Anderen fallen aber auch die Racheszenarien immer brutaler und detaillierter aus, was sie ebenfalls in einem eigenen Kapitel über die Darstellung der Rache beschreibt.

Im Vergleich soll im vorliegenden Band nun festgestellt werden, ob die Darstellungsweisen von Vergewaltigung und Rache einander angepasst sind und nicht etwa, wie es oft zu konstatieren ist, ersteres wesentlich detaillierter, länger und “Zuschauergelüste befriedigender” sei, als zweiteres. Doch auch hier findet Reifenberger Ausnahmen, die diese Regel vielleicht widerlegen oder bestätigen. Bei wem diese Zuschauerlust evoziert wird, wovon sie gelenkt wird und was sie bewirkt, auch das wird in diesem Zuge erläutert. Julia Reifenberger ist ein zugleich umfangreicher und kurzer Überblick über das Rape-Revenge-Genre gelungen, der vielleicht gerade für Laien und Einsteiger in diesem Genre interessant sein kann. Denn auch ohne tiefgehendes Vorwissen kann man den Überlegungen und Schlussfolgerungen gut folgen und weiß sich am Ende um einen Katalog an Motiven und Mechanismen reicher, denen sich nicht nur ganze Rape-Revenge-Filme, sondern auch einzelne solcher Sequenzen in Filmen anderer Genres bedienen.

Natürlich ist bei einem Format von A6 und 112 Seiten das Lesevergnügen relativ schnell vorbei und bei einem Preis von 9,90€ nicht gerade günstig. Teilweise wirken einige Passagen auch sehr komprimiert und hoch-frequentiert an Fachbegriffen, wo man sich vielleicht einige Sätze weitere Ausführungen gewünscht hätte. Außerdem bleibt sehr zu hoffen, dass der grobe Fehler der vorliegenden Ausgabe auf Seite 78 “[...] Gewalt und der SelbtjuBitte einfügenstitz [sic!]”, neben einer handvoll kleiner Rechtschreib- und Formatierungsfehler, behoben worden sind. Solche Unachtsamkeiten lassen unbewusst und ungerechtfertigt das Werk weniger durchdacht erscheinen, als es mit Sicherheit ist.

Trotzdem werden hier wichtige Verweise auf Film-und Textproduktionen zu Rape-Revenge-Thema geliefert und eine gute Grundlage für weitere Recherche an die Hand gegeben. Zu vermerken ist außerdem noch, dass dieser Band auch unabhängig von den anderen Bänden der Reihe “Sexual Politics” gelesen und auch verstanden werden kann. Vereinzelt finden sich Anknüpfungspunkte an die ersten drei Bände der Reihe von Georg Seeßlen “Sex-Fantasien in der Hightech-Welt I-III”, in denen auch auf das Verhältnis von Mensch und Maschine eingegangen wird. Eventuell hätte man hier noch mehr Parallelen herstellen können, denn Sex-Maschinen sind von Vergewaltigungs-Maschinen nicht allzu weit entfernt, doch so bleibt die Autonomie des vorliegendes Werkes vorhanden und ein aufeinanderfolgendes Lesen ist nicht erforderlich zum Verständnis, aber ohnehin zu empfehlen.

Eine Rezension von Sarah Peters
“Girls with Guns” ist im Verlag Bertz+Fischer erschienen.

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