Erinnert sich noch einer an BSE?
Heute vor 10 Jahren, am 24. November 2000, wurde das erste Rind in Deutschland positiv auf BSE getestet. BSE steht für Bovine spongiforme Enzephalopathie – der so genannte Rinderwahnsinn. Mitte der 80er Jahre wurden in Großbritannien die ersten Fälle beschrieben: Bei Rindern, die man zwangsweise zu Fleischfressern machte, weil sie als Kraftfutter gemahlene Tierabfälle zu fressen bekamen, löste sich das Hirn auf. Die Tiere wurden erst aggressiv, dann orientierungslos und fielen schließlich um.
Auf der Suche nach den Ursachen dieser mysteriösen Erkrankung stellte sich heraus, dass das Hirn der vom Wahnsinn befallenen Tiere Löcher hatte wie ein Schwamm, daher auch die Bezeichnung der Krankheit, die in etwa mit „schwammartige Hirnkrankheit bei Rindern“ übersetzt werden kann. Schuld an dieser Hirnzersetzung sollen degenerierte Eiweiße, so genannte Prionen sein. Diese falsch gefaltet Eiweiße schaffen es irgendwie, in den Stoffwechsel von Zellen einzugreifen und die verhängnisvolle Degeneration auszulösen. Die Nervenzellen im Hirn sterben in der Folge ab, dadurch entstehen die auffälligen Löcher im Hirn.
Bis heute ist nicht sicher, was genau diese Prionen veranlasst, sich erst falsch zu falten und dann falsch zu verhalten. Normalerweise braucht man für die Produktion von Eiweißen DNA oder RNA, also Erbsubstanz, die die Eiweiße codiert. Und Träger dieser Erbsubstanz sind normalerweise Erreger, also etwas wie Bakterien oder Viren. Genau die hat man in diesem Fall aber (noch?) nicht gefunden. Tatsache ist aber, dass diese Krankheit existiert, eine relativ lange Inkubationszeit hat und die betroffenen Rinder nach Ausbruch der Krankheit innerhalb weniger Monaten sterben.
Wurst Case Szenarien
Als Infektionsquelle wurde verseuchtes Futter vermutet, in dem Kadaver von bereits infizierten Tieren verwendet wurden. Fakt ist, dass die Seuche, der zu ihrem Höhepunkt Tausende Tiere zum Opfer gefallen sind, mittlerweile erfolgreich eingedämmt werden konnte. Zu einem Umdenken in der Tierproduktion bzw. Fleisch-Industrie hat BSE allerdings nicht geführt – die dazu nötige Massentierhaltung ist weiterhin eine ekelhafte Sache, inklusive immer neuer Gammelfleisch-Skandale.
Es gibt noch einen anderen Verdacht, der auch nicht schön ist: Man vermutet, dass zumindest eine Variante der bei Menschen auftretenden Creutzfeld-Jakob-Krankheit (CJD) durch den Verzehr von BSE-verseuchtem Rindfleisch ausgelöst wird. CJD wird ebenfalls durch Prionen ausgelöst.Es heißt allerdings, dass nur Menschen mit einer bestimmten genetischen Veranlagung dafür anfällig sind. Die Mehrheit der europäischen Bevölkerung besitze aber ein zusätzliches Gen, das den Träger vor dieser Krankheit schütze.
Eine durchaus typische Frage unserer Zeit ist jetzt, ob die damals ja durchaus aufgeregte BSE-Debatte am Ende nur viel Lärm um nichts gewesen sei. Monatelang gab es ohne Ende Sondersendungen, Krisensitzungen und jede Menge Hintergrundartikel. Das Bundeslandwirtschaftsministerium wurde in der Folge auch für Verbraucherschutz zuständig. Andererseits wurden in den Jahren zuvor Informationen systematisch zurückgehalten, obwohl es tatsächlich eine gewisse Gefahr gab – auch wenn das Risiko, sich beim Essen von Rindfleisch mit BSE zu infizieren, relativ gering schien, so war es doch vorhanden – und wenn die Krankheit auftritt, verläuft sie tödlich. Insofern hat die Informationsflut, die nach dem ersten BSE-Fall in Deutschland auftrat, sicherlich auch mit einem gewissen Nachhol-Bedürfnis zu tun, denn im Grunde kannte man die Gefahr bereits seit 15 Jahren. Oder hätte sie eben kennen müssen.
Insofern war es sicherlich richtig und wichtig, die ganze Bandbreite der Medien zu nutzen, um die Menschen vor derartigen Gefahren zu warnen. Das Problem ist, dass diese Warnfunktion leicht übertrieben wird und ein gewisser Abstumpfungseffekt eintritt: Nach BSE wurde vor SARS gewarnt, dann vor der Vogelgrippe, überhaupt, die Grippewarnungen wiederholen sich von Jahr zu Jahr, zuletzt wars die Schweinegrippe (H5N1) vor der wieder ganz besonders gewarnt wurde. Millionen von Impfdosen wurden geordert und bereit gestellt – aber nachdem bekannt geworden war, dass der schnell produzierte Wirkstoff durchaus Nebenwirkungen hatte, blieben die Leute lieber zu Hause statt zum Impfen zu gehen – vermutlich gab es trotzdem mehr Menschen, die an der Impfreaktion litten, als an der Schweinegrippe selbst. Der Impfstoff liegt noch immer im Lager und die Katastrophe ist glücklicherweise ausgeblieben.
Aber was passiert, wenn tatsächlich einmal ein besonders gefährliches Grippe-Virus im Umlauf sein sollte?