Brüderle und Schwesterle im Geiste

Da gibt es einen wilhelminisch gebarteten Fernsehkoch. Der tätschelt seinen Kandidatinnen gerne mal das Lendchen, macht anzügliche Bemerkungen über potenzielle Schäferstündchen nach der Sendung und ist ihnen nur im Brustbereich auf Augenhöhe. Indes ein rauschgoldengelgelockter Moderationsgreis an Samstagabenden seinen weiblichen Gästen talkend an die Schenkel griff, keine Chance ausließ, um auf Tuchfühlung zu gehen und stets durchschimmern ließ, dass er mehr Nähe zu "... einer schönen Frau wie Du es bist" (so sein vielmaliger O-Ton) wünsche. Dieses widerliche Verhalten geschah und geschieht vor aller Augen und erntet Applaus, erhält Lacher, findet man irgendwie galant und niedlich und unterhaltsam.
Ob das alles gleich sexistisch ist, kann hier nicht grundlegend geklärt werden. Es ist jedenfalls schon lächerlich, dieses zweideutige Palaver und dieses unbeholfene Gefingere als Beleg für eine Machogesellschaft, eine Sozietät des Sexismus herzunehmen. Da gibt dieser gelbstichige Fraktionsvorsitzende den angegrauten Galan, beehrt mit verbrauchten Altmännercharme und prompt hockt die Schwarzer beim Jauch und gibt die Sexismus-Präventionshelferin.

Ja ja, den Brüderle haben sie also bei jenem öffentlich-rechtlichen Sender als Thema politischen Talks gefunden, in denen Köche und Moderatoren mit exakt demselben Verhalten punkten und als Garanten von Quote galten und gelten. Diese Herren spielen in einer Liga mit dem Vorsitzenden der FDP-Bundestagsfraktion, sie sind ihm Brüderle im Geiste. Wenn aber der Koch grapscht, dass alle Lichter ausgehen, dann gilt das als onkelig und das Publikum findet seinen frechen Charme einfach umwerfend. Dem besagten Moderatoren sagte man einen gottgleichen Schalk nach, der immer dann aufblitzte, wenn er die Weiblichkeit nach allen Regeln des Doktorspiels auf seiner Couch befühlte.
Dieses als Sexismus bezeichnete Lebensgefühl einiger angejahrter Männer ist ganz sicher nicht das Bild des Mannes schlechthin. Und es ist ja nicht mal auf den Mann alleine zu münzen. Wenn diese oben genannten Figuren ihr abgestandenes Getatsche mit peinlichen Sprüchen von zivilisatorisch domestizierter Notgeilheit garnieren, dann prustet ja nicht nur triebhaftes Mannesvolk, sondern ein ganzes Publikum, mit allem was darin so an Geschlechtern sitzt, findet das ja lustig und unterhaltsam. Ach, was ist der Koch heute wieder ulkig! Und man könnte noch weitergehen und den Teil der Frauenwelt heranziehen, der sich gegenseitig berät, der untereinander empfiehlt, sich nett anzuziehen, um irgendeinem Mann aus irgendeinem Grund zu gefallen. Ist das nicht auch irgendwie sexistisch? Wenn so ein Brüderle im Geiste meint, ein Dirndl würde gut passen, dann ist diese genierliche Zote eines greisen Feuchttraums schon Sexismus. Wenn Frauen sich jedoch raten, ein Dirndl obenrum stattlich auszufüllen, das Holz anständig vor der Hüttn zu stapeln, um der Männerwelt ein Stimulus zu sein, dann ist das hingegen kein Sexismus. Keiner gegen das eigene Geschlecht gerichtet und keiner gegen das andere.
Das, was wir hier Sexismus nennen, ist nicht die Nische altbackener Kerle, die ihren Altherrenwitz als eine Form antiquierter Galanterie mit in diese Zeit genommen haben. Es ist ein Lebensgefühl, eine gesamtgesellschaftliche Gemütsstimmung, ein anzüglicher Konsens. Wenn man für die Unterhaltung tätschelt und Süßholz raspelt, dann nennt sich das Flirt oder Lockerheit. Und Männer für generell so beschränkt zu halten, schon beim Anblick enger Oberteile mit einer durch Blutzufuhr entstandenen Enge in der Jeans zu reagieren, ist nicht mal mehr sexistisch - das nennt man heute arrogant einfach ein Abbild der Wirklichkeit.
Denn bei Jauch ist man natürlich gleich bei der Sache gewesen. Aus dem abgeschmackten Herrenulk wurde gleich die allumfassende Sexismus-Debatte destilliert. Jetzt ging es nicht mehr nur um halblahme Anmachen und um altherrliche Poeme eines provinziellen Bonvivants - jetzt war der ganz große Sex thematisch zu schlachten. Frauen berichteten davon, wie die Männerwelt sie eindeutig mit Zweideutigkeiten zum Sexobjekt degradiere, wie sie angefingert und angefasst werden und wir immer noch in einem Land geifernde Lüstlinge lebten. Das Morgenmagazin legte tagsdrauf nach, fragte Passantinnen nach Sexismus-Definitionen. Wenn mir ein Mann ein schlechtes Gefühl vermittelt, ist das Sexismus, sagte da eine der Damen tatsächlich. So kann jeder Kerl zum Sexisten werden. Nochmal einen Tag später präsentiert dieses Morgenmagazin einen verkappten Reporter, der den Sexismus-Test machte. Dabei ging er in eine Boutique, ließ sich erst beraten und fragte die Verkäuferin dann, ob sie einen Kaffee mit ihm trinken gehe. Oho, dreister Sexismus du, was trinkst du gerne Kaffee!
Aber wenn mal wieder in einer Küchenschlacht der Kaiser-Wilhelm-Bart irgendeine "meine liebe Erika, wie wär's mit uns beiden" (so sein vielmaliger O-Ton, Name austauschbar) abschlabbert, ihr an die Filetstücke tastet und sie zu einem Stündchen hinter den Kulissen anschäkert, dann kann man mit dieser Peinlichkeit gesellschaftlich durchaus leben. Ebenso wie mit jenem Bericht im Morgenmagazin, der gleich nach dem Sexismus-Reporter ausgestrahlt wurde. Darin waren des Bahnradlers Robert Foersters Oberschenkel zentraler Punkt, ein ganzer Kerl sei das und aus dem Off tönten Salt 'n' Pepa und En Vogue mit ihrer Coverversion von What a Man. Das aber ist lediglich flapsige Berichterstattung ...
Diese Zeilen wollen Brüderles gebrechliche Galanterie, diesen Ausbund an gönnerhafter Konzilianz und herabschauender Arroganz, gar nicht beschönigen. Diese Unart, mit der er und einige seiner Brüderle (und Schwesterle) im Geiste, jeder Frau als Kompliment einen Abklatsch von Brunftgehabe und Avancen auftragen, ist peinlich und würdelos. Beschämend und unanständig - mehr allerdings schon nicht. Und andersherum ist es nicht minder blamabel, wenn Frauen à la Sex and the City Männer bewerten und männliche Geschlechtsteile im Geiste vermessen. Es hätte ja gereicht von Peinlichkeit und Fremdscham zu sprechen - aber nein, es muss ja immer gleich der ganz große Coup her; unter dem Label Sexismus machen wir es gesellschaftlich nicht mehr, wenn wir von peinlicher Anmache sprechen.

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