Werde um drei Uhr morgens vom Wecker aus dem Tiefschlaf gerissen. Brauche einige Minuten, um mich zu orientieren, wo und vor allem wer ich bin. Erinnere mich allmählich, dass wir heute den ersten Teil unserer Urlaubsanreise vor uns haben und zu unseren Freunden nach Bonn fahren.
Noch mit mir kämpfend, ob ich mir nicht doch noch fünf Minuten im Bett gestatten soll, erkenne ich schlaftrunken die Umrisse von zwei kleinen Gestalten in unserem Schlafzimmer. Tochter und Sohn stehen angezogen und mit geschulterten Rucksäcken vor dem Bett und schauen uns erwartungsfroh an. Sie sind bereit für die Fahrt. Kann das Gleiche von mir nicht behaupten. Weder körperlich noch mental.
Die Freundin und ich duschen schnell, bereiten den Reiseproviant vor und machen uns an das Packen des Autos. Dies klappt erstaunlicherweise schnell und vollkommen unkompliziert. Somit können wir pünktlich um vier Uhr losfahren. Ein sehr seltenes Phänomen, das mir aus meiner eigenen Kindheit vollkommen unbekannt ist. Wenn wir damals in Urlaub gefahren sind, kamen wir immer frühestens eine Stunde nach der angepeilten Startzeit los. (Sollten meine Eltern dies lesen, sei ihnen versichert, dass ich immer größtes Verständnis hatte und immer noch habe, dass sich unsere Abreisen verspäteten und mir sicher bin, dass es dafür immer nachvollziehbare und einleuchtende Erklärungen gab.)
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Setze mich ins Auto. Das erste Mal wieder seit ungefähr sechs Jahren. Erfreulicherweise kann ich mich sofort an die Anordnung der Pedale und sogar an ihre Funktionen erinnern. Vielleicht ist es doch mit dem Auto- wie mit dem Fahrradfahren und man verlernt es nie.
Mein folgendes Ausparken des Wagens lässt allerdings starken Zweifel an dieser steilen These aufkommen. Souveränität vortäuschend und vorgebend, ich wisse, was ich tue, manövriere ich mit ruckelnden Bewegungen und aufheulendem Motor unseren Straßenkreuzer aus der Parklücke. Werde dabei von der immer hektischer und lauter piependen Parkhilfe begleitet. Somit sollten jetzt auch alle Nachbarn wissen, dass wir losfahren.
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Trotz des etwas dilettantischen Starts klappt die weitere Fahrt vollkommen reibungslos. Da der Wagen anscheinend mit einem kraftvollen und starken Motor ausgestattet ist, kommen wir zügig voran und ich überhole ein Auto nach dem anderen. Sogar diverse BMW und auch einen großen Mercedes. Fühle mich sehr männlich. Der Testosteronausstoß wird allerdings etwas gehemmt, als ich mir vergegenwärtige, dass ich weder weiß, über wieviel PS unser Wagen verfügt noch wie groß sein Hubraum ist und schon gar nicht, was überhaupt ein Hubraum ist. Habe auch nur noch vage Erinnerungen an Marke und Modell unseres Gefährts.
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Nach einiger Zeit überqueren wir die Landesgrenze nach Sachsen-Anhalt und werden von einem freundlichen Schild im Land der Frühaufsteher begrüßt. Verspüre große Lust, das Schild mit einem barschen „Und wir sind noch früher aufgestanden, ihr Nulpen!“ zu ergänzen. In Ermangelung einer Sprühdose oder eines großen Edding-Stiftes verwerfe ich den Gedanken aber wieder.
Nach ungefähr zweieinhalb Stunden steuere ich einen Rasthof für eine Toiletten- und Kaffeepause an. Entdecke, dass im Verkaufsbereich neben der Kaffeemaschine ein Toiletten-Golf-Set angeboten wird. Versuche die Freundin zu überzeugen, dass dies doch eine sinnvolle Anschaffung sei, um die Zeit auf dem Abort zu verkürzen. Die Kinder nicken begeistert, die Freundin schüttelt wortlos den Kopf.
Toiletten-Golf. Von der Freundin abgelehnt.
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Nach dem Genuss eines vorzüglichen Raststättenkaffees übernimmt die Freundin das Steuer. Mir obliegt nun die Aufgabe, den Reiseproviant zu verwalten und für eine stetige Nahrungszufuhr bei allen zu sorgen. Bei dem Essverhalten unserer Familie ein zeitintensiver und nicht zu unterschätzender Fulltime-Job.
Die Freundin steuert das Auto, ich füttere sie mit Würstchen. Szenen einer modernen Beziehung.
— Betriebsurlaub (@Betriebsfamilie) 1. August 2014
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Da die Autobahn zu der frühen Stunde noch frei ist, kommen wir zügig voran. Erst in Bonn starten die Probleme. Die Parkplatzsituation in der ehemaligen Bundeshauptstadt als prekär zu bezeichnen, strapaziert das Konzept des Euphemismus weit über seine etymologischen Grenzen hinaus. Umfahren in immer größeren Kreisen die Wohnung unserer Freunde, um festzustellen, dass das Abstellen eines Autos nur unter Nachweis eines Anwohnerparkausweises gestattet ist. Da wundert es einen nicht, dass die Bundesregierung nach Berlin gezogen ist!
Parken. Nur für Anwohner.
Finden nach einer knappen Stunde schließlich am Stadtrand eine freie Stelle, die groß genug ist, um unser Straßenschiff einzuparken. Müssen nun ungefähr anderthalb Kilometern zu unseren Freunden zurücklegen. Die Laune der übermüdeten und hungrigen Kinder sinkt exponentiell mit der zurückgelegten Wegstrecke.
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Werden von den Freunden mit Kaffee und Nutellabrötchen entschädigt. Verbringen den restlichen Tag mit kleineren Besorgungen und beenden ihn als Vorgeschmack auf die nächsten zwei Wochen mit einem zünftigen Grillen.
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Gehen frühzeitig zu Bett. Stelle den Wecker wieder auf drei Uhr. Eine Routine, an die ich mich gar nicht erst gewöhnen möchte. Gute Nacht!