Bretagne 2014 – 1. Tag: Ein Tag am Meer

Wache morgens auf und bemerke, dass mir im Bett ungefähr fünfzehn Zentimeter Platz am äußersten Rand zur Verfügung stehen. Rekonstruiere, dass zuerst der Sohn und dann die Tochter uns einen Besuch abstatteten. Beide beschlossen einfach über Nacht zu bleiben. Aber im Urlaub will man das ja nicht so eng sehen. Zumindest nicht so eng, wie es im Bett war.

Stellen nach dem Aufstehen fest, dass wir vergessen haben, Kaffeefilter mitzubringen und es auch keine Reste von Vormietern gibt. Dies löst bei den Erwachsenen eine leichte bis mittelgroße Panik aus. Erkläre mich daher gemeinsam mit dem Bonner Freund selbstlos bereit, zum nächsten Supermarkt zu fahren, um den Mangel an Kaffeefiltern zu beseitigen und auch andere Einkäufe zu erledigen.

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Unseren ersten Halt legen wir aber bei der örtlichen Bäckerei ein, wo ich meine ‚French Challenge‘ für den Tag absolvieren will. Allerdings kommt mir der Bonner Freund zuvor und gibt sehr souverän die Bestellung auf. Kann erst einschreiten, als die Bäckersfrau nach den falschen Baguettes greift. Mache mich mit einem elaborierten: „Non! Un moment, Madame.“ Bemerkbar. Mit einem rhetorisch etwas unbeholfenen „Les!“ zeige ich auf die Weißbrotstangen unserer Wahl. Die Verkäuferin schaut den Bonner Freund mitfühlend an und bringt mit einem empathischen Lächeln ihre Bewunderung zum Ausdruck, dass er mit seinem offensichtlich minderbemittelten Freund in den Urlaub fährt.

Anschließend besorgen wir im Supermarkt neben den ersehnten Kaffeefiltern Grillgut für den Abend sowie einige weitere Grundnahrungsmittel für die ersten Tage (Pudding, französischer Weichkäse, Bier und Wein). An der Kasse präsentiert die Verkäuferin uns einen von uns zu entrichtenden Gesamtbetrag in Höhe von zwei Tankfüllungen. Durchsuche unseren Berg Lebensmittel, ob wir unter Umständen aus Versehen ein paar Goldbarren in unseren Einkaufswagen gepackt haben. Haben wir aber nicht.

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Nach einem ausgiebigen Frühstück auf der Terrasse des Ferienhauses bereiten wir uns auf den ersten Strandbesuch vor. Cremen dazu die Kinder mit einer Sonnenmilch mit Lichtschutzfaktor 50 ein. Begnüge mich selbst mit Lichtschutzfaktor 20.

Erinnere mich dabei daran, wie wir früher als Kinder mit einer Sonnenlotion der Marke Pizz Bruin gegen die Sonne geschützt wurden, die maximal Lichtschutzfaktor 5 hatte. Wahrscheinlich wäre die Verwendung von ranziger Kokosmilch ebenso effektiv gewesen. Das hätte einem zumindest die ökologisch bedenklichen Inhaltsstoffen der Sonnenmilch erspart, die heute größtenteils durch diverse EU-Richtlinien verboten sind beziehungsweise allenfalls noch von Gunther von Hagens zum Leichenplastinieren verwendet werden.

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Am Strand angekommen zeigen sich die Vorzüge unserer selbstaufbauenden Strandmuschel, die es uns ermöglicht, innerhalb kürzester Zeit unser Lager zu errichten. Der Bonner Freund präsentiert voller Stolz zwei Strandstühle, die er vor dem Urlaub erworben hat und in die wir uns nun wie zwei Rentner – und damit unserem geistigen Alter entsprechend – fläzen und auf das Meer starren.

Der alte Mann. Am Meer.

Der alte Mann. Am Meer.

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Das Wasser erstrahlt in strahlenden Blau, erweist sich aber als nicht besonders warm. Der Bonner Freund traut sich trotzdem hinein. Laut seiner Auskunft beträgt die Wassertemperatur ungefähr fünf Zentimeter (Männer wissen, wovon ich schreibe.).

Blaues Meer. Kalt.

Blaues Meer. Kalt.

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Verbringe dann längere Zeit damit, gemeinsam mit der dreijährigen Tochter unserer Freunde Olivenkuchen und Fantakuchen aus Sand zu backen. Bitte fragen Sie mich nicht nach dem Rezept. Es wurde mir auch nach mehrmaligem Nachfragen nicht preisgegeben.

Strandherd. Wichtiges Utensil zum Backen von Sandkuchen.

Strandherd. Wichtiges Utensil zum Backen von Sandkuchen.

 

Ohnehin scheine ich nicht mit größerem Talent zum Sandkuchenbacken gesegnet zu sein. Muss mir nämlich mehrfach Sätze wie „So geht das nicht!“ oder „Das ist falsch!“ anhören.

“Du kannst das nicht!” Motivationssätze, die ich höre, wenn ich mit Dreijährigen Sandkuchen backe.

— Betriebsurlaub (@Betriebsfamilie) 3. August 2014

 

Überlege mir, ein Seminar zu entwickeln, bei dem junge Arbeitnehmer zum Start ins Berufsleben mit Kleinkindern Sandkuchen backen. Dies erscheint mir der beste Weg, um zu lernen, wie man sinnlose Aufgaben (Sand in ein kleines Förmchen füllen) ohne Murren durchführt und dabei lernt, mit Frustrationen und mangelnder Wertschätzung für die eigene Arbeit umzugehen („Du kannst das nicht!“).

Eine Geschäftsidee, die sich lohnt weiterzuverfolgen. Sie sollte außerdem den zukünftigen Reichtum garantieren, der es einem erlaubt, in der Bretagne ein Landhaus mit Meerblick zu erwerben.

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Schließlich wird es Zeit aufzubrechen. Nun stellt sich heraus, dass sich die Strandmuschel zwar schnell und quasi von alleine aufbaut, der Abbau derselbigen dagegen äußerst zeitintensiv und ein ingenieurwissenschaftliches Hochschulstudium voraussetzt. Für die übrigen Strandbesucher sehen unsere Einpackversuche wahrscheinlich aus, als übten wir eine eine Louis-de-Funès-Slapstick-Parodie ein.

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Zuhause angekommen bereiten der Bonner Freund und ich den Grill vor, um die heute Morgen erworbenen Putenbrüste und bretonischen Grillwürste in einen verzehrfähigen Zustand zu überführen. Streng genommen beschränkt sich mein Beitrag dabei auf die regelmäßige und konstante Zufuhr von kühlem Grillbier. Bin aber froh, dass ich mir zumindest nicht wieder Sätze wie „Du kannst das nicht!“ anhören muss.

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Beenden den Abend mit einer Kniffelrunde. Bei den Urlauben mit unseren Bonner Freunden ist es nämlich eine liebgewonnene und fast schon kultisch zelebrierte Tradition, dass abends, wenn die Kinder im Bett sind, gekniffelt wird. Übrigens, es zeigte sich heute Abend, dass es nicht auf ungeteilte Zustimmung und Freude der Mitspieler stößt, wenn man drei Kniffel wirft und von insgesamt sechs Kniffelrunden vier gewinnt. Auch mein Vorschlag, morgen mit verbundenen Augen und einem Würfel weniger zu spielen, wird nicht als sympathisches Angebot, Chancengleichheit herzustellen, angenommen. Nun ja, Erfolg macht nun einmal einsam.

Gute Nacht!


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