Bretagne 2014 – 2. Tag: Ja, wo laufen sie denn?

Starte mit dem Bonner Freund mit einer morgendlichen Laufrunde in den Tag. Haben nämlich die Erfahrung gemacht, dass man seinen Urlaubsort und die umliegende Region durch nichts besser kennenlernt als durch Joggen. Dies trifft insbesondere auf zwei Orientierungslegastheniker wie uns zu und hat schon einige erlebnisreiche Ausflügen über Schlickwiesen, durch dichtes Gestrüpp und über Kuhweiden ermöglicht.

Laufschuhe. Noch guter Dinge.

Laufschuhe. Noch guter Dinge.

Das regelmäßige Urlaubslaufen ist darüber hinaus auch aus diätischen Gründen notwendig, um der totalen Verfettung aufgrund opulenter Urlaubsmahlzeiten und leicht erhöhtem Alkoholkonsum entgegenzuwirken. Es wäre doch sehr unangenehm, am Strand von Greenpeace zurück ins Wasser gezogen zu werden, weil man sich zu sehr hat gehen lassen. Eine traumatisierende Erfahrung, die wir den Kindern gerne ersparen möchten.

Starten daher um kurz vor acht Uhr mit dem Ziel eines lockeren 10-Kilometer-Läufchens. Stimme beim Loslaufen ein enthusiastisches „Eye of the Tiger“ an, stelle die musikalische Laufuntermalung aber nach 500 Metern und dem Auftreten der ersten Schnappatmung wieder ein. Die ersten Kilometer führen uns an der Küste entlang und der malerische Meerblick entschädigt für die etwas beschwerlichen steinigen Pfade.

Die Probleme beginnen eigentlich erst, als wir uns entschließen, nach ca. fünf Kilometern nicht einfach umzukehren, sondern noch ein wenig weiterzulaufen, um dann eine Abkürzung über die Dörfchen nach Hause zu nehmen. Hört sich für Sie absurd an? War es auch. Schon kurze Zeit später irren wir orientierungslos über Feldwege und Landstraßen lediglich grob ahnend, in welche Richtung wir zu laufen haben.

Mit zunehmender Laufdauer wird unsere Unterhaltung immer einsilbiger und spärlicher. Auch die spaßhaften Bemerkungen werden seltener und die Originalität unserer Pointen nimmt rapide ab. Stattdessen geht die volle Konzentration darauf, das immer lauter werdende Schnaufen mit der langsamer werdenden Stampffrequenz der Schritte zu synchronisieren.

Immer wieder geht es kleine aber steile Hügel hoch und wieder runter und wieder hoch und wieder runter. Mir geht dabei unablässlich durch den Kopf: „Tripp und trapp, auf und ab, tripp und trapp auf und ab!“. Das muss dieses Runner’s High sein, von dem ich mal gelesen habe und bei dem man sich quasi in einen rauschähnlichen Zustand läuft. Müsste dann allerdings auch das Gefühl haben, ewig weiterlaufen zu können. Dies ist jedoch definitiv nicht der Fall.

Endlich finden wir ein Straßenschild, dass die Richtung nach Esquibien anzeigt. Liegen uns schließlich mit Tränen in den Augen in den Armen, als wir unser Ferienhaus entdecken. Ein Blick auf die Laufuhr zeigt ein großes Defizit des Sightseeing-durch-Orientierungslosigkeit-Ansatzes auf: Mitunter kann die Laufstrecke doch erheblich länger als geplant werden. Statt der angestrebten zehn Kilometer haben wir nämlich fast vierzehneinhalb zurückgelegt.

Laufuhr. Mit unbestechlicher Geschwindigkeitsangabe.

Laufuhr. Mit unbestechlicher Geschwindigkeitsangabe.

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Nach einem ausgiebigen Frühstück überraschen uns die Kinder mit einer Einladung in ihr neu gegründetes Gartenrestaurant. Dieses besticht durch phantasievolle Speisen wie ‚Pasta Congordia‘ oder ‚Salata à la Süpp‘ sowie durch humane und fast konkurrenzlose Preise (Hauptspeisen zwischen 2,50 Euro und 5,00 Euro sowie Beilagen für 20 Cent).

Speisekarte. Avantgardistisch.

Speisekarte. Avantgardistisch.

Lediglich der Service lässt ein wenig zu wünschen übrig, denn es obliegt den Gästen nach dem Mahl das Geschirr wegzuräumen und den Tisch abzuwischen. Aber vielleicht handelt es sich auch um eine besonders avantgardistische Form der bretonischen Eventgastronomie, die ihrer Zeit noch voraus ist.

Die Speisen. Vegetarisch.

Die Speisen. Streng vegetarisch.

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Legen danach aufgrund des guten Wetters einen weiteren entspannten Strandtag ein. Kaum angekommen will der Sohn sofort ins Meer und es ist sein Wunsch, dass ich ihn begleite. Und wenn der Sohn das will, dann macht man das auch, egal wie kalt das Wasser ist.

Wenn dein Sohn ins Meer will, gehst du mit ihm. Egal, wie kalt das Wasser ist. (*ehernes Familienbetrieb-Gesetz; aufs Strandtuch gedruckt*)

— Betriebsurlaub (@Betriebsfamilie) 4. August 2014

 

Liefere beim Einstieg ins Meer wie immer ein erbarmungswürdiges Schauspiel ab. Begebe mich in Zeitlupentempo ins kühle Nass, wobei ich sehr viel Wert auf das vorsichtige Benetzen der Arme und des Oberkörpers lege. Der Sohn ist dagegen in einer fürs menschliche Auge kaum wahrnehmbaren Geschwindigkeit ins Wasser gestürmt und planscht bereits übermütig.

Drohe ihm mit Enterbung und dass ich ihn zur Adoption freigeben werde, sollte er es wagen, mich nasszuspritzen. Da ihm aber sowohl das Konzept des Erbens als auch der Adoption fremd sind, stört er sich nicht daran und spielt mit seinen Armen Karussell, so dass ich mit voller Wucht eine riesige Wasserfontäne abbekomme (Für Außenstehende sieht es vielleicht lediglich wie ein paar kleine Spritzer aus, aber dies ist natürlich vollkommen unzutreffend.). Überraschenderweise bleibt der befürchtete Herzinfarkt aus.

Da dem Sohn bereits langweilig ist, geht er zurück zur Strandmuschel und lässt mich alleine im Wasser zurück.

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Beobachte später im Sand für längere Zeit ein sandflohartiges Tier, das sich immer wieder im Sand verbuddelt, um dann mit einem großen Satz wieder hinauszuspringen. Sieht ein wenig aus wie eine Mischung aus Kellerassel und Garnele mit einem äußert blassen, fast durchsichtigem Teint.

Garnelenfloh. Wahrscheinlich mutiert.

Garnelenfloh. Wahrscheinlich mutiert.

Visuell könnte er dem maritimen Endzeitthriller ‚Der Schwarm‘ von Frank Schätzing entsprungen sein. Hoffe allerdings, dass er nicht die gleiche tödliche Wirkung hat wie die Meerestiere in besagtem Roman. Falls doch, wäre es vorzuziehen, erst am Ende des Urlaubs von einem infektiösen und todbringenden Strandfloh gebissen zu werden. Insbesondere weil das Ferienhaus bereits im Voraus bezahlt wurde.

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Kurze Zeit später verlangen die Kinder nach Eis und um meine heutige ‚French Challenge‘ zu absolvieren, übernehme ich freiwillig die Aufgabe, sie dabei zu begleiten. Wir studieren noch das Angebot in der Eistruhe, als sich der Kioskbesitzer mit einer kauderwelschigen Frage an uns wendet. Ohne zu wissen, was er gesagt hat, und die französische Grammatik und Aussprache verhöhnend, entgegne ich mit demonstrativem Selbstbewusstsein: „Un moment, s’il vous plait, Monsieur. Nous chercher les glaces.“, wobei ich eine ausladende Handbewegung in Richtung Eistruhe mache.

Der Mann schaut mich stirnrunzelnd an und fragt sich wahrscheinlich, warum der offensichtlich irre, bärtige Typ fünf Kinder bei sich hat, die ihm größtenteils überhaupt nicht ähnlich sehen. Außerdem irritiert es ihn, dass ich in einer anscheinend erfundenen Phantasiesprache mit ihm rede.

Die Kinder suchen derweil das Eis aus, das wir bei dem mich immer noch kritisch beäugenden Kioskbesitzer bezahlen. Glücklicherweise zeigt die Kasse den zu entrichtenden Betrag an, so dass sowohl ihm als auch mir eine Nachfrage meinerseits erspart bleibt.

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Zum Abendessen bereiten wir eine überdimensionierte Zucchini aus dem Nutzgarten des Ferienhauses zu, die wir mit Hackfleisch und Gemüse füllen.

Zucchini. Wahrscheinlich ebenfalls mutiert.

Zucchini. Wahrscheinlich ebenfalls mutiert.

Die faserige Konsistenz des riesigen Blütengemüslers ist allerdings etwas gewöhnungsbedürftig und der Geschmack erinnert eher an Kürbis. Die Kinder zeigen ihre Freude über das abendliche Mahl auch eher nach innen und halten sich lieber an den Kartoffelspalten schadlos.

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Aufgrund der morgendlichen Anstrengungen und des ermüdenden Strandbesuchs wird der Tag ohne abendliche Kniffelrunde beendet. Ich vermute allerdings, dass man mir einen weiteren Triumph wie den gestrigen missgönnt.

Gute Nacht!


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