Ich war die letzten Monate ein wenig unterwegs. Ich erinnere mich noch daran, wie alles begann... da war dieser weiße, kulleräugige Van, der mich anlachte, die Ferne, die mich wie ein alter Freund mit offenen Armen zu erwarten schien und das sagenumwobene Abenteuer Panamericana, das sich in meinem Kopf breit gemacht hat.
Aus diesen vagen Anfängen im Jahr 2014 sind schließlich 1,5 Jahre geworden, die ich in einem alten VW Bulli auf der Panamericana verbrachte. Von Uruguay runter nach Feuerland, von dort aus hoch bis nach Kolumbien, Zentralamerika, Mexiko und schließlich Kalifornien. Ein ziemlicher Trip mit insgesamt fast 40.000 zurückgelegten Kilometern, die ich damit verbrachte, sprachlos an der Fensterscheibe zu kleben und die Umgebung zu bestaunen oder einfach der vorbeiziehenden Landschaft zuzuschauen und sie und meine Gedanken ziehen zu lassen.
Nun bin ich zurück von dieser Reise und bin trotz tage- vielleicht wochenlangem aus dem Fenster starren zwar um einige Erkenntnisse reicher, aber noch weit entfernt von jeglicher Erleuchtung und Glück... was bedeutet überhaupt glücklich sein?
Der Sprung ins kalte Wasser
Für viele ist eine Weltreise der Absprung aus einem alten Leben, das ihnen nicht mehr richtig passt. Das ihnen zu groß oder auch zu klein geworden ist und das sie in der Form nicht mehr glücklich macht. Den Job, die Wohnung, vielleicht auch die Beziehung aufgeben, um von 0 anfangen zu können, ganz man selbst sein zu können. Das Weite suchen, um sich selbst irgendwo da draußen vielleicht zu finden. Vielleicht zwischen den sandbestäubten Füßen und der Kokosnuss in der Hand oder der nächsten nächtlichen Ankunft an einem Ort, den man nicht kennt, schwer bepackt mit einem 20 kg Ungetüm von Rucksack und zerzaustem Haar.
Irgendwo da draußen wartet die Wahrheit auf euch, da seid ihr euch ganz sicher. Das Glück, die Ruhe, der Sinn hinter all dem. Doch ist das alles? Und wie weit muss man gehen, um sich zu finden oder überhaupt irgendwo anzukommen?
Meine wichtigsten Erkenntnisse nach 1,5 Jahren Weltreise
40.000 km. Wäre ich statt von Süd- nach Nordamerika einmal am nullten Breitengrad der Erde entlang gereist, hätte ich nun einmal die Welt umrundet. Das sind viele Kilometer mit noch viel mehr Eindrücken und Begegnungen, die mich schauen, staunen und wundern haben lassen. Doch da es auch beim Reisen oft nicht um die äußeren Werte und nur das eindeutig Schöne geht, möchte ich meine wichtigsten Entdeckungen der Inneren Art heute mit euch teilen:
1. Man kann nicht vor sich weglaufen!
Wo auch immer man hingeht, man nimmt immer sich selbst mit, mit all seinen Sorgen, Erfahrungen und Ängsten. Nur weil man auf einmal auf der anderen Seite der Welt ist, bedeutet das nicht, dass man plötzlich frei von allen Laste(r)n und ein völlig anderer, befreiter Mensch ist.
Ein Wechsel der Umgebung kann dabei helfen festgefahrene Verhaltensmuster aufzubrechen und Probleme aus einer neuen Perspektive zu beleuchten. Doch die Arbeit, die damit zusammenhängt, wird keine Reise der Welt für euch erledigen. Das müsst ihr selbst in die Hand nehmen.
2. Es geht um die Menschen!
Auf einer Reise begegnen einem unzählige wundersame und wundervolle Orte. Oft kann sich das Auge nicht satt sehen an Farben und Formen, die es in der Intensität und Weise noch nie zuvor wahrgenommen hat. Bei all der Schönheit in dieser Welt, liegt die wertvollste Schöpfung am Ende doch in den Menschen, die einem begegnen und vielleicht ein Stück des Weges begleiten.
Menschen machen Erlebnisse doppelt so schön und Leid halb so schwer. Die Reisemomente, die mich am tiefsten beeindruckt und beeinflusst haben, sind Begegnungen mit Einheimischen, anderen Reisenden oder Freunden, die mich besucht haben. Drum sucht nicht nur nach den schönsten Dingen, sondern haltet euer Herz offen für diese besonderen zwischenmenschlichen Begegnungen.
3. Reisen sollte keine Ablenkung von einem selbst sein
Manchmal geht man auf Reisen und springt von einem Abenteuer zum nächsten. Man möchte alles sehen, alles entdecken, nichts auslassen, keine Zeit verplempern.
Wer so reist tauscht die alltägliche Prokrastination mit Facebook, Instagram und Fernsehen durch Wasserfälle, Vulkanbesteigungen und abendliche Trinkgelage aus. Was nicht bedeutet, dass dies schon mal ein großer Fortschritt ist (bis auf die Trinkgelage), aber dennoch lenkt es einen wie immer nur von den eigentlichen Themen und von sich selbst ab.
Wer lange auf Reisen ist, kann nicht dauerhaft ein hohes Tempo beibehalten. Man braucht Zeit, die vielen Eindrücke zu verarbeiten und sollte immer wieder in sich hinein fühlen und sich fragen: „Was möchte ich jetzt wirklich? Will ich den 10. Wasserfall sehen oder eigentlich lieber einen Tag „Zuhause" bleiben und mich um mich selbst kümmern?" Vergesst nicht, für wen ihr reist - nur für euch. Und wenn das bedeutet, dass ihr 10 Tage lang auch einfach mal gar keine Aktivitäten macht, dann lasst euch von keinem anderen etwas anderes einreden.
4. Der Körper ist euer Tempel
Was auch immer um euch herum passiert: Eine gesunde Ernährung und Sport unterstützen euch einen klaren Kopf und einen gesunden Körper zu behalten. Gerade auf Reisen sollte man diese wichtigen Faktoren nicht unterschätzen. Oft werden unterwegs alle guten Routinen und Vorsätze über Bord geworfen. Man probiert neue Gerichte und Süßigkeiten aus, trinkt vielleicht sogar jeden Abend Alkohol und der Sportplan gerät komplett aus dem Ruder. Dabei sind eine ausgewogene, cleane Ernährung und regelmäßige Bewegung die Grundbausteine für euer gesamtes Wohlbefinden.
Achtet auf euren Körper, auf Reisen mehr noch als sonst, weil dabei die Gefahr besonders hoch ist, mühsam erarbeitete gesunde Gewohnheiten schleifen oder ganz außer Acht zu lassen. Genau dieser Körper trägt euch durch die Reise und durch euer gesamtes Leben, deswegen passt gut auf ihn auf.
5. Mehr reinschauen, statt rausschauen
Die Suche im Inneren muss nicht unbedingt im Äußeren stattfinden. Eine Reise hilft dabei, neue Anreize zu schaffen und Aspekte im Leben zu beleuchten, über die man sich vorher kaum oder gar keine Gedanken gemacht hat. Doch finden sich die wahren Erkenntnisse nicht beim Skydiving oder Whitewater Rafting, sondern in den leisen Momenten dazwischen. Darum haltet immer wieder inne, horcht in euch hinein, meditiert jeden einzelnen Tag und findet einen Sinn in euch selbst statt in allem, was euch umgibt.
Begebt euch auf eine innere Weltreise
Wenn ihr in eurem Hier und Jetzt nicht glücklich seid, dann müsst ihr etwas ändern, das steht außer Frage. Doch diese Veränderung muss nicht gleich ein Monsterprojekt wie eine Weltreise sein. Die Reize einer solchen Reise können euch auf einen richtigen Weg bringen, aber auch permanent ablenken und euch weiter von euch selbst entfernen.
Die tiefgreifendsten Veränderungen in eurem Leben kommen meist nicht mit einer Weltreise oder einem anderen großen Paukenschlag, der alle Probleme in Luft auflöst und plötzlich ist alles gut. Dazu braucht es viele kleine, stetige Bewegungen. Die eben genannten Erkenntnisse im Alltag verinnerlicht. Den Blick zuversichtlich nach vorne gerichtet, auch wenn es mal drei Schritte vor und wieder zwei zurück gehen sollte. Für diese Veränderungen braucht es keine Reise, es braucht nur euch selbst und einen Anfang. Wie wäre es mit heute?