Braucht Die Freiheit eine Reise nach Jerusalem als Persilschein?

Ein Notiz der Allgäuer Zeitung über die Gründung eines bayerischen Landesverbandes durch die neue Partei "Die Freiheit"* führte mich zur Webseite dieser Partei. (Hier geht es zu dem entsprechenden Wikipedia-Stichwort.)
* vgl. auch die Notiz "CSU droht mit Ausschluss" der Süddeutschen Zeitung vom 28.05.11. Auch "Endstation Rechts", das "Das Informationsportal über Neonazis und Rechtsextremismus in Bayern" observiert "Die Freiheit".]
Nachdem die bestehenden Parteien nicht nur wesentliche Wünsche, sondern aus meiner Sicht auch vitale Interessen des Volkes schon längst nicht mehr abbilden, erscheint mir - ebenso wie vielen anderen Mitbürgern - eine Neugründung durchaus wünschenswert. Das "Wofür wir stehen" könnte ich durchaus unterschreiben; aber solche Erklärungen stehen zwangsläufig auf einem Abstraktionsniveau, das keine zuverlässigen Rückschlüsse auf die Praxis zulässt. Und auf die Praxis kommt es an.
[Es wäre überhaupt ganz generell wohl besser, wenn Parteien bzw. politische Bewegungen ihre Positionen weniger abstrakt als vielmehr (sozusagen nach dem Vorbild des angelsächsischen "case law") durch Beispiele definieren würden. Also statt "wir sind für Freiheit" sagen: "Wir wollen die und die Gesetze abschaffen, weil sie die Freiheiten* der Bürger unnötig begrenzen" oder "Wir wollen das Asylrecht in der und der Form ändern, um die Einwanderung in unsere Sozialsysteme zu stoppen" usw.
*Bei dem Begriff "Freiheit" ziehe ich den Plural, der die konkret-realistische Ebene anspricht, allemal dem pathetischen Singular vor, unter dem sich jeder alles Mögliche vorstellen kann!]
Jedenfalls: auch in Sachen Thilo Sarrazin ein eindeutiger Text der (zwar keine programmatische Fixierung der Partei darstellt, aber doch:) erkennen lässt, dass man eindeutig für Sarrazin und gegen ein Übermaß von Einwanderung, und insbesondere von Hängemattenimmigration, eintritt.
Die "Konservativen Werte" erscheinen beim flüchtigen Drüberlesen (zu mehr fehlt mir die Zeit, aber auch das Interesse) ok.
Selbstverständlich positioniert sich die Partei auch gegen die Eurozonen-Rettungspakete und gegen eine europäische Transferunion (vgl. auch hier); sehr ausführlich ist der einschlägige Aufsatz "Der Euro auf dem Prüfstand – wie „alternativlos“ ist der Rettungsschirm wirklich?" von René Stadtkowitz, einem der Gründer (und der Initiator?) der Partei, vom 18.02.11.
Was mich dann aber einigermaßen stutzig gemacht hat, war eine auf der Parteiwebseite veröffentlichte "Jerusalemer Erklärung". Diese Erklärung vom 07. Dezember 2010 wurde unterzeichnet von:

  • Heinz Christian Strach, Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ), Österreich;
  • René Stadtkewiz, Bürgerrechtspartei für mehr Freiheit und Demokratie (DIE FREIHEIT), Deutschland;
  • Filip Dewinter, Vlaams Belang, Belgien und
  • Kent Ekeroth, Schwedendemokraten, Schweden.

"Die Grundlage unserer politischen Tätigkeit ist unser unverbrüchliches Bekenntnis zu Demokratie und freiheitlichem Rechtsstaat, zu den Menschenrechten im Sinne der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, zum Völkerrecht und zum Wertekanon der westlichen Zivilisation, der auf dem geistigen Erbe der griechisch-römischen Antike, der jüdisch-christlichen kulturellen Werte, des Humanismus und der Aufklärung basiert"
lautet der erste Absatz. Das sind altvertraute Mainstream-Sentenzen.
Auch mit dem zweiten Absatz habe ich auf der allgemein-abstrakten Ebene keine Probleme:
"Nachdem die totalitären Systeme des 20. Jahrhunderts überwunden wurden, sieht sich die Menschheit gegenwärtig einer neuen weltweiten totalitären Bedrohung ausgesetzt: dem fundamentalistischen Islam. Wir betrachten uns als Teil des weltweiten Kampfes der Verteidiger von Demokratie und Menschenrechten gegenüber allen totalitären Systemen und deren Helfershelfern. Damit stehen wir an vorderster Front des Kampfes für die westlich-demokratische Wertegemeinschaft."
Ich sehe nicht nur den fundamentalistischen Islam als eine Bedrohung an, sondern den Islam überhaupt als eine potentielle Bedrohung. Der Islam ist eine Religion; Religionen bedrohen tendenziell jeden der, wie ich, areligiös ist.
Dass viele bei uns das nicht sehen oder nicht wahrhaben wollen liegt daran, dass sie das Christentum für eine Religion halten. Es ist aber keine mehr. Die Aufklärung und die Säkularisierung der nachfolgenden Jahrhunderte haben dieser Religion soweit die Giftzähne gezogen, dass das Christentum heutzutage im Wesentlichen mehr eine Folkore ist. (Das gilt natürlich nicht für alle Gruppen, und nicht für alle in gleichem Maße. Die Evangelikalen in den USA sind ganz gewiss keine harmlosen Folkloregruppen.)
Über meine Abgrenzung Religion / Folklore kann man natürlich streiten (wie überhaupt darüber, welche Sachverhalte man wie benennen will); in jedem Fall ist es aber Fakt, dass das Christentum bzw. die Christen weitestgehend tolerant ist/sind. In meinen Augen ist es problematisch, solchen Vereinen noch das Prädikat "Religion" zuzuerkennen. Denn schließlich schließen sich die unterschiedlichen "Glauben" (das Wort hier im Plural gedacht) gegenseitig aus. Entweder eine Religion ist die richtige oder (aus meiner Sicht) keine. Wenn ich aber überzeugt bin, dass meine Religion richtig ist, dann ist es psychologisch normal (weil entlastend), dass ich zum einen versuche, meinen Glauben zu verbreiten. Denn wie kann ich sicher sein, den richtigen Glauben zu haben, solange es immer noch Leute gibt, die etwas anderes - oder gar nichts - glauben? Zum anderen ist es normal, eine möglichst enge Verbindung zwischen Glauben und Lebenswirklichkeit herzustellen. Die islamische Verquickung von Staat und Religion ist also logisch wie psycho-logisch ganz normal. Dass wir im Abendland dem Christentum eine Trennung von Staat (und weitgehend auch von Gesellschaft) und Religion abgetrotzt haben, hat u. a. sicherlich auch damit zu tun, dass diese Trennung in der abendländischen Zivilisation auf der politischen von Anfang an vorhanden war (Dualismus Kaiser - Papst usw.). Das ist aber aus meiner Sicht ein eher fragiler und potentiell ständig bedrohter Zustand, der nicht einfach so passiv besteht, sondern aktiv verteidigt werden muss. Die Verlockung, sich zwecks psychologischer Entlastung in die Arme einer Religion zu flüchten (und diese, wiederum zur geistigen Entlastung, das tägliche Leben wie auch Gesellschaft und Politik immer mehr durchdringen zu lassen) mag nicht ständig präsent sein; in Krisensituationen sehe ich darin aber als eine reale Gefahr.
Die Fragestellung, ob "der Islam" terroristisch ist oder nicht, ist infantil. Was wir konstatieren, ist die Tatsache dass es hier eine Religion gibt, die auf eine ganze Reihe ihrer Anhänger (und nicht zuletzt und ganz besonders auf Konvertiten!) einen derart starken Einfluss ausübt, dass nicht wenige zu Terroristen und Selbstmordterroristen werden.
Was immer im Koran steht oder nicht: eine solche Religion ist für eine säkuläre Gesellschaftsordnung (mit religiösen Resten - eben das, was ich oben als "Folklore" bezeichnet habe) potenziell gefährlich.
Ob eine solche Gefährdung dann auch real wird, hängt von weiteren Umständen ab: Krisen z. B., aber insbesondere auch von den Zahlenverhältnissen. So viel sollten wir doch immerhin aus der Geschichte des Urchristentums gelernt haben, dass die ersten Christen in der Gesellschaft (intern haben sie sich, vermute ich mal, auch damals schon um das richtige Dogma gestritten) so lange liebe, nette Menschen waren (aber auch ziemlich fanatische - sonst hätte es keine Märtyrer gegeben!), wie sie die Minderheit stellten. In dem Moment, wo sie die Mehrheit ausmachten (oder, falls das zur Zeit von Kaiser Konstantin noch nicht zutraf: wo ihre Religion zur Staatsreligion wurde), wurden sie zusehends weniger nett und praktizierten schließlich ihrerseits (erfolgreich) jene gewaltsame Unterdrückung der Gegner, welche der Staat vorher an ihnen (erfolglos) versucht hatte.
Es ist, wie ich schon mehrfach betont habe, nicht nur (und am Ende vielleicht nicht einmal in erster Linie?) die religiöse Dimension des Islam, die ich (bei entsprechenden Kräfteverhältnissen) als bedrohlich für unsere Lebensform ansehe, sondern insbesondere das clanistische Familienverständnis, das nicht nur im Islam zu finden, aber dort vermutlich eng mit der Religion verfilzt ist. Auch im sogenannten "Westen" kann man etwa in Süditalien oder in Griechenland die Folgen beobachten, wenn persönliche Beziehungen etwa für die Postenvergabe wichtiger sind als Sachgründe. Emotionale Bindungen innerhalb einer Familie sind einerseits eine gute Sache; sie gewähren Geborgenheit und ggf. bis zu einem gewissen Grade auch eine materielle Absicherung. Zugleich aber können sie die den modernen Industriestaaten weitestgehend reine Sachorientierung des Verwaltungshandelns (und größtenteils auch der Politik) unterminieren.
(Außerdem will der unter dem Psedonym "Spengler" schreibende gläubige jüdische Autor  David Paul Goldman weltweit eine erheblich stärkere Geburtenrate bei den religösen Teilen der Bevölkerung festgestellt haben, was für uns dann ebenfalls wenig Gutes verheißen würde:
"Underlying the demographic crisis of the industrial world, I believe, is a spiritual crisis. If the above analysis has any merit, the issue is not wealth, but rather the desire of men to continue to inhabit this planet. Secular ideologies - socialism, positivism, and so forth - promised a world free of bigotry and hatred, and an unending vista of peace and prosperity. Humankind, however, has vomited up these ideologies. Secular Europe and radical Islam in that sense represent two sides of the same coin: both have rejected the secular order, the latter through open battle, and the former through fatal resignation. Demographic analysis can help strip secularism of its progressive mask and reveal the death's-head underneath. The analysis shown above may be the work of an amateur, but it will serve a good purpose if it provokes the professionals to do a more thorough job.")
Kurzer Rede langer Sinn: auch ich bin dagegen, die Scheunentore Deutschlands aufzureißen und Einwanderer aus aller Welt willkommen zu heißen. Das insbesondere dann, wenn der Abstand zwischen ihrer und unserer Kultur auf einer ganzen Reihe von Gebieten groß ist.
Auch die fernöstlichen Kulturen sind uns fremd, vielleicht sogar noch fremder als der Islam. Immerhin besteht aber in der dort (und sogar noch mehr als bei uns) verankerten Lern- und Leistungsbereitschaft ein wichtiges Bindeglied; diese Bereitschaft ist in islamischen Gesellschaften ganz offenkundig deutlich weniger ausgeprägt.
Wenn ich dennoch mit dem o. a. 2. Absatz der "Jerusalemer Erklärung" meine Probleme habe dann deshalb, weil

  • er nach seiner Stellung und in seinem Wortlaut mit einer Wucht daherkommt, die der Bekämpfung des islamistischen Terrorismus denn doch eine in meinen Augen allzu großen Stellenwert innerhalb der bestehenden und absehbaren Gesamtprobleme unseres deutschen bzw. unserer westlichen Staatswesen einräumt und
  • eine allzu enge Solidarität mit Israel impliziert. Meine Position im Palästina-Konflikt habe ich u. a. in meinem Blott "Bravo Israel! oder: Wider den Mythos der allzeit nichtagressiven Zivilisten!" erläutert. Mein Respekt für den Nachdruck, mit dem Israel seine jüdische Identität verteidigt, und meine Reserviertheit gegenüber arabisch-islamischen Lebensformen gehen nicht so weit, dass ich nicht mehr in der Lage wäre, die juristischen und moralischen Fragwürdigkeiten der aktuell (durch die Siedlungspolitik im Westjordanland) betriebenen israelischen Expansionspolitik nicht sehen könnte, oder für dagegen gerichteten Empfindungen der Palästinenser unempfindlich wäre.

Noch ausgeprägter erfolgt die Solidarisierung der 3 Parteienvertreter mit der zionistischen Interessenposition in einem späteren Absatz der Jerusalemer Erklärung:
"Israel als einzige wirkliche Demokratie im Nahen Osten ist uns wichtiger Ansprechpartner in dieser bewegten Weltregion. Eine Region, die sich in den letzten Jahrzehnten immer wieder mit Extremismus und Terror auseinander setzen musste. Ohne jede Einschränkung bekennen wir uns zum Existenzrecht des Staates Israel innerhalb sicherer und völkerrechtlich anerkannter Grenzen. Ebenso ist das Recht Israels auf Selbstverteidigung gegenüber allen Aggressionen, insbesondere gegenüber islamischem Terror, zu akzeptieren. Wir glauben, dass dies bei gleichzeitigem Respekt gegenüber den Menschenrechten und auch den politischen Rechten der arabischen Bevölkerung möglich sein muss.*" [Asterisk im Original]
Das war sogar der "Freiheit" etwas zu mulmig; zu dem o. a. Asterisk gehört die Fußnote:
"* Gegen diesen Satz hat DIE FREIHEIT Vorbehalte und ersetzt ihn durch folgenden Satz: Die Anerkennung der Menschenrechte – auch die der arabischen Bevölkerung – muss selbstverständlich sein."
Es stellt sich dann für den Beobachter die Frage nach den Hintergründen und den Zielen, welche die Unterzeichner der Jerusalemer Erklärung verfolgten. Auch ohne die Lektüre einschlägiger Artikel (wie "Neue Freunde für Israel. Reise nach Jerusalem" von Lorenz Jäger, FAZ 13.12.10, "D: „Die Freiheit“ auf NRW-Kurs" auf der Webseite "NRW Rechtsaußen" vom 15.12.10 und - dort mehr am Rande - den Bericht "Stadtkewitz sucht rechten Schulterschluss" im Neuen Deutschland vom 13.01.11) kann man sich denken, worum es den Partnern dieser Erklärung ging:

  • Israel freut sich über jede Unterstützung gegen palästinensische Positionen (nachdem im europäischen Mainstream die israelische Anti-Friedenspolitik sehr kritisch gesehen wird). [Es mag für das Zustandekommen der Jerusalemer Erklärung nicht ganz unwesentlich gewesen sein, dass ein gewisser Stefan "Aaron" König (hier sein Blog), aus der Piratenpartei vergraultes früheres Vorstandsmitglied, eines der Gründungsmitglieder von "Die Freiheit" ist.] Zugleich kann Israel nur daran gelegen sein,
  • Dass innerhalb der anderen westlichen Gesellschaften Gegensätze zwischen islamischer und sonstiger Bevölkerung wahrgenommen werden oder sogar anwachsen, die Israel für die breiten Massen in Europa ebenso als natürlichen Freund erscheinen lassen, wie es das in den Augen wohl der großen Mehrheit der US-Amerikaner bereits ist.
  • Und auf gar keinen Fall kann Israel es wünschen (und insoweit besteht eine Identität auch mit unseren eigenen objektiven Interessen), dass der Islam / die Muslime einen wesentlichen Einfluss auf unsere Gesellschaft/Politik bekommen.
  • Die drei von den sog. "Antifaschisten" teils als "rechtspopulistisch", teils als "rechtsextrem" bezeichneten Parteien (die jedenfalls nicht auf der Linken, und in der Einwanderungspolitik auch nicht in der gleichgültig-trägen Mitte anzusiedeln sind) haben ein doppeltes Interesse an einem Schulterschluss mit Israel:
  • In der Identität der gemeinsamen Ablehnung des Islam einerseits;
  • Andererseits und wohl mehr noch aber lässt sich eine gemeinsam mit (wenn auch nicht hochrangigen) israelischen Politikern verfasste Erklärung intern als Persilschein nutzen: "Schaut her: Wir sind nicht rechtsextremistisch, wir sind nicht antisemitisch ... usw."

Das erscheint mir nun freilich bedenklich. Denn zum einen deutet es auf einen gewissen Mangel an Selbstbewusstsein hin - nicht gegenüber Israel, denn die Stoßrichtung einer derartigen Rechtfertigung geht ja auf die eigene Gesellschaft. Eine nachdrückliche Vertretung der Interessen des eigenen Volkes, wie sie z. B. Stadtkewitz im letzten Absatz seiner o. a. Kritik des Eurozonen-Rettungsschirms postuliert ("Tatsächlich soll das der Schlusspunkt sein: Deutsche Interessen. Die sind nämlich in der Europäischen Union nicht ansatzweise so präsent wie deutsche Steuergelder") muss sowohl von den Wählern als auch von der Partei selbst als die natürlichste Sache der Welt betrachtet werden, für die man sich bei niemandem 'rückversichern' (und auch bei niemandem entschuldigen) muss.
Zum anderen riskiert man es, in einer solchen scheinbar zum gegenseitigen Nutzen geschlossenen Allianz zum babylonischen Gefangenen des Partners zu werden. Dies auch deshalb, weil ein derartiges Bündnis asymmetrisch ist:

  • den drei Neuparteien kann es in dieser Hinsicht nur als Rechtfertigung vor dem eigenen Publikum dienen, also um Mitglieder bzw. Wähler zu werben, d. h. sein Nutzen bzw. seine Folgen beschränken sich auf die Parteien;
  • für Israel hätte es dagegen (wenn es sich aus dem Stadium bloßer Erklärungen dermaleinst in die Realität einer konkreten Außenpolitik verwandeln sollte) einen Nutzen für den Staat. Dagegen wäre zunächst noch nichts einzuwenden, wäre nicht die israelische Palästina-Politik teilweise rechtswidrig, illegitim und würde nicht deren Unterstützung unsere eigenen Interessen und unsere außenpolitische Unabhängigkeit massiv beeinträchtigen.


Jenseits der Verflechtung mit israelischen Interessen und jenseits der Einwanderungsproblematik bin ich aber ganz generell skeptisch gegenüber der Fixierung auf die Zuwanderung und insbesondere die islamische Zuwanderung. Ohne dass ich die Bedeutung dieser Politikfelder leugnen würde, sehe ich eine ganze Reihe weiterer Gefahren auf uns zukommen, die damit nichts (oder allenfalls indirekt etwas) zu tun haben.
Zwar stellt Martin Kröger in seinem oben zitierten Artikel im "Neuen Deutschland" fest, "dass sich Stadtkewitz und Mitstreiter darum bemühen, nicht nur als Ein-Punkt-Antiislam-Partei rüberzukommen, sondern auch Politikfelder wie beispielsweise den Ruf nach direkter Demokratie abzudecken." Das bestätigt auch ein flüchtiger Blick auf das vorläufige  (Version 1.0) Parteiprogramm.
Indes bin ich mir nicht sicher, dass die Fülle der Probleme im Verhältnis zur Einwanderungsfrage in der richtigen Proportion gesehen wird.
Für mich wären z. B. folgende "Baustellen" anzugehen:

  • Die bundesstaatliche Gliederung Deutschlands erscheint angesichts des Aufbaus einer neuen staatlichen Ebene (nämlich Europas), die bei Abfassung des Grundgesetzes noch nicht vorhersehbar war, zumindest in Form des derzeitigen 'Flickenteppichs' obsolet.
  • Die Kulturpolitik der Länder hat nicht geleistet, was sie hätte leisten können, wenn sie auch de facto im Sinne einer Konkurrenz (wie sie in der Länderhoheit de jure ja angelegt ist) durchgeführt worden. 
  • Die öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten haben unter dem Deckmantel der Grundversorgung eine mediale Rundversorgung entwickelt und eine Art von Selbstversorgung zu Lasten der Gebührenzahler. Hier müssten Schranken gesetzt und Wildwuchs zurückgeschnitten werden, was ebenfalls durch unsere überholte Kleinstaaterei behindert bzw. verunmöglicht wird.
  • Europa- und weltpolitisch müssen wir eine Form der Neuen Härte kultivieren. Wir dürfen uns dabei nichts vormachen: die Not ist groß, in Griechenland und anderswo. Es ist auch durchaus wahrscheinlich, dass es speziell in Griechenland kracht, wenn wir die Süchtigen auf Entzug des fremden Geldes setzen. In Ägypten droht eine Hungersnot (vgl. den Artikel "The hunger to come in Egypt" des oben zitierten "Spengler" vom 10.05.11. Libyen dürfte schon mangels Öleinnahmen in Kürze ein Welt-Sozialfall werden, und in Tunesien, vermute ich, sieht es auch nicht rosig aus. Wir können nicht die ganze Welt vor Not und Tod retten (zumal unsere "Retter" das weniger aus der eigenen Tasche tun, sondern - weil "wir" ja angeblich so reich sind - immer auf Kosten der Steuerzahler). Wenn wir immer die Börse zücken, sobald auf dem Bildschirm blutige Bilder erscheinen, werden wir bald selbst ausgeblutet. Es ist nicht unsere (damit meine ich nicht nur Deutschland, sondern überhaupt den Westen bzw. die entwickelten Ländern), wenn sich weltweit die Menschen über die ökonomischen Möglichkeiten ihrer jeweiligen Volkswirtschaften hinaus vermehrt oder (Griechenland & Co. - auch die USA!) über die Produktivität ihrer Wirtschaften hinaus gelebt haben. Sich hier zu verweigern, wird hart: moralisch, weil es tatsächlich um Menschenleben geht; ökonomisch, weil eine Hilfsverweigerung etwa beim Eurozonen-Rettungsschirm (ein solcher ist es, kein "Euro-Rettungsschirm") unmittelbar zu gewaltigen Verwerfungen am Finanzmarkt führen wird, von denen die interessierten Kreise immer unwiderlegt behaupten können, dass sie sich durch den Einsatz von Hilfskrediten usw. hätten vermeiden lassen. Sich hier zu erweichen, wird jedoch irgendwann tödlich sein. Die Party läuft aus, die Ressourcen verknappen sich. Auch aus diesem Grund müssen wir unsere Gesellschaft so restrukturieren, dass sie den ökologisch ja doch eigentlich erfreulichen demographischen Schrumpfungsprozess bewältigt und der Versuchung widersteht, das scheinbare Vakuum mit Humankapitalimporten zu füllen. [Wobei es - ähnlich wie bei der Staatsverschuldung - interessanter Weise gerade die Linken sind, welche die objektiven Interessen der Realkapitalbesitzer, also der "Kapitalisten" mit ihrer Einwanderungsfreundlichkeit fördern. Denn das Realkapital - Immobilien z. B., aber auch Fabriken usw. - entwertet sich, wenn es an Humankapital mangelt, das die Immobilien/Wohnungen nachfragt bzw. die Maschinen bedient.]
  • Härter werden wir früher oder später auch gegenüber den Piraten auftreten müssen. Mit zunehmendem Zerfall von staatlichen Ordnungen wird die See vor Somalia nicht das letzte Operationsgebiet von Piraten bleiben.
  • Nicht zuletzt auch im Inneren werden wir Verfallserscheinungen sehen, denen mit unserer überflussgenerierten Eierkuchenmentalität nicht beizukommen sein wird. Den Anschlag auf die Berliner Stadtbahn, Diebstähle wertvoller Rohmaterialien (speziell Kupfer) von Bahntrassen (s. a. hier). Bei einer dramatischen Ressourcenverknappung könnte es sein, dass wir das Abschreckungspotential unser Justiz drastisch erhöhen müssen (etwa indem wir die Todesstrafe wieder einführen).
  • Auch ist etwa die missbräuchliche Inanspruchnahme der sozialen Netze keineswegs auf Zuwanderer beschränkt. Darüber wird freilich wenig gesprochen, denn wenn z. B. ein Psychiater solche Zustände öffentlich anspricht (wie etwa Christian Dogs in dem Artikel "Burn-out-Syndrom - Patienten täuschen um System auszubeuten" in der Allgäuer Zeitung vom 21.05.11), mobben ihn sogleich die eigenen Standesgenossen (die ja an solchen Zuständen gut verdienen) und versuchen, die "Berufsordnung der bayerischen Ärzte" zur Anti-Kritiker-Keule umzufunktionieren (der diesbezügliche Artikel "Patient schauspielert gut oder Arzt therapiert  schlecht. ... Kollegen  widersprechen   Psychotherapeut: Vorgetäuschte   Krankheiten lassen sich im Gespräch erkennen" vom 25.05.11 ist im Gratisbereich nicht online). Selbst wenn man Simulation im engeren Sinne für ein randständiges Phänomen halten würde ist nicht zu leugnen, dass sich das 'Krankheitssystem' schon aufgrund seiner eigenen Gesetzmäßigkeiten metastasenartig erweitert. Dazu Dogs: "Früher waren psychische Erkrankungen stigmatisiert. Heute sind sie salonfähig und werden zu einer ernsthaften Belastung der Volkswirtschaft und der Krankenkassen. Hinzu kommt, dass auch die Fachwelt immer wieder neue Diagnosen kreiert, die als behandlungsbedürftig dargestellt werde. Zum Beispiel die Verbitterungsstörung für Menschen aus der ehemaligen DDR, die vom Westen enttäuscht wurden, es gibt die Spielsucht, die Sexsucht oder neuerdings auch die ängstliche Blase, die so genannte Panuresis. Es gibt einen Trend zu einer geradezu unendlichen Ausweitung der Behandlungsindikationen. Diagnosekriterien werden nach unten geschoben, weswegen Menschen mit einer leichten Symptomatik krank diagnostiziert werden". Angesichts der dramatisch steigenden Krankheitskosten brauchen wir auch hier den Mut, Grenzen zu ziehen und etablierten Interessen schmerzhaft auf die Füße zu treten. Ein anders gelagerten Beispiel von Steuergeldverschwendung im Gesundheitsbereich habe ich in meinen Blott "Hochgefährliche Bande im Landkreis Ostallgäu aktiv. Erwartete Schadenshöhe bis zum Jahresende 9 Mio. Euro!" geschildert. Ein wesentlicher Unterschied liegt darin, dass Missbräuche des Gesundheitssystems weit weniger sichtbar sind als z. B. Defizite von Kliniken, weil die Ergebnisse in den aggregierten Daten - Ausgaben der Krankenkassen - untergehen und weil dort, wo Missbräuche sichtbar werden, nämlich in den Praxen, der ökonomische Fehlanreiz besteht, solche zu verschleiern und sogar Kritiker mundtot zu machen.
  • Das Projekt einer "Nation Europa" ist für mich gestorben. Indem die Politiker die europäische Union rein geographisch definiert und dadurch überdehnt haben, sind nunmehr Teile zusammengequetscht, die weder zusammengehören, noch zusammenpassen, noch passend zu machen sind. Es geht in der aktuellen Situation wohl über die Dimension eines Parteiprogramms hinaus, diese Perspektive zu erörtern. Aber wenn wir "Europa" wollen, müssten wir das bestehende Politkonstrukt sprengen und nicht kompatible Teile wie etwa Griechenland, aber - aus anderen Gründen - auch Großbritannien, absondern. Das Kerneuropa wäre dann als ein Staat neu zu formieren. Wahrscheinlich werden wir das aber nicht schaffen, und deshalb fürchte ich, dass der Europagedanke auf dem absteigenden Ast sitzt.


Angesichts der kommenden Herausforderungen (die nach meinem Dafürhalten eher in der Ressourcenverknappung als im Klimawandel liegen werden, sowie daneben innergesellschaftlichen mentalen Alterungserscheinungen) brauchen wir eine neue Art, Politik anzugehen:

  • Im Verhältnis Politik - Volk eine offenere Kommunikation.
  • Innerhalb der Parteien bzw. des Politiksystems eine Abkehr vom Taktieren und von der Jagd nach möglichst vielen Wählerstimmen und statt dessen eine Partei, die Ziele aufstellt und diese konsequent verfolgt (auch wenn dann und wann Gegenwind kommt). Eine Partei in der Art, wie es die Grünen einst waren, die in der Opposition allein durch ihr Dasein und ihre Positionierung vielleicht mehr bewirkt haben (wie immer man inhaltlich dazu stehen mag), als in der Regierungsverantwortung. Wir brauchen eine Partei mit langem Atem, robuste politische Marathonläufer statt hochgezüchteter Kurzstreckensprinter.

Ich fürchte indes, "Die Freiheit" ist nur eine neue Partei alter Art, welche die Macht verfehlen wird, weil sie die Macht anstrebt.
[Falls jemandem der vorliegende Text zu kurz sein sollte ;-) empfehle ich die Lektüre meines buchlangen Blotts "Das Ende des Wei(s)sen Mannes. Polit-Plädoyer ohne Leidenschaft". Darin hatte ich (sozusagen 'unter dem Vorwand' einer Rezession des Buches von Prof. Dr. Manfred Pohl) meine Überlegungen zur Politik noch weitaus breiter ausgewalzt.]


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