Braucht der Osten christliche Alphabetisierung? Wer aber dann?

von Siegfried R. Krebs

WEIMAR. (fgw) „Die Kirche im Osten muss die Grundbegriffe des Christentums mehr unter die Leute bringen. Das haben die Teilnehmer einer Diskussionsrunde im MDR-Landesfunkhaus Erfurt gefordert. Viele Menschen wüssten heute nicht mehr, was Ostern, Pfingsten oder auch Weihnachten bedeuten, hieß es. Hier sei eine regelrechte Alphabetisierung nötig. Christliche Werte und Traditionen sollten mit Worten vermittelt werden, die die Menschen verstehen.”

Braucht der Osten christliche Alphabetisierung? Wer aber dann?

So hieß es am 19. Februar unter dem Schlagwort „Osten braucht christliche Alphabetisierung” wörtlich in einer Nachricht von MDR-Radio Thüringen. Nun, da wissen wir wieder einmal mehr, wofür unsere horrenden Rundfunkgebühren eingesetzt werden: Für Kirchenpropaganda und für den absoluten Missionierungsanspruch der christlichen Kirchen. Aber das ist ja auch kein Wunder, wenn man sich mal den MDR-Rundfunkrat genauer anschaut; hier haben Kirchenvertreter nicht nur von Gesetzes wegen (und deutlich über Gebühr!) automatisch Sitz und Stimme. Nein, sie stellen seit Bildung dieses Aufsichtsgremium stets die führenden Köpfe in diesem Rat. Aktuell ist ein sächsischer evangelisch-lutherischer Superintendent Ratsvorsitzender. Sein zweiter Stellvertreter ist ein katholischer Pfarrer aus Thüringen. Ganz verschämt fungiert da als erster Vize ein Bauernverbands-Vertreter. Nicht ganz unerwähnt sollte bleiben, daß im Sendegebiet des MDR der Anteil der Konfessionsfreien bei 70 und mehr Prozent liegt…

Aber kommen wir auf die Forderung der kirchlichen Diskutanten in der Veranstaltung eines öffentlich-rechtlichen Senders zurück. Warum bedürfen die Menschen im Osten einer „christlichen Alphabetisierung”? Allein dieses Wort stellt schon eine Beleidigung der überwiegend gut und sehr gebildeten Menschen in diesen Landstrichen dar, Analphabeten dürften unter Konfessionsfreien so gut wie keine zu finden sein. Auch 20 Jahre nach dem Ende der DDR nicht!

Und welches sind nun orginär christliche Traditionen? Geburtstag und -jahr eines Jesus waren schon den Urchristen unbekannt. Als kirchlicher Feiertag ist der 25. Dezember auch erst seit 336 in Rom belegt, also erst 300 Jahre nach dem angeblichen Todesdatum. Wie es zu diesem Datum kam, ist umstritten. Die historische Forschung vermutet hier Anleihen bei „heidnischen” Religionen und Bräuchen (Mithras-Kult, Kult um den römischen Sonnen-Gott sowie den in Europa gebräuchlichen Feiern der Wintersonnenwende).

Und welches sind nun originär christliche Werte? Ist dies etwa ein Wert: „Du sollst nicht nach dem Haus deines Nächsten verlangen. Du sollst nicht nach der Frau deines Nächsten verlangen, nach seinem Sklavin oder seiner Sklavin, seinem Rind oder seinem Esel oder nach irgendetwas, das deinem Nächsten gehört.” (Exodus 20, 1 – 21). Wobei mit dem Nächsten nur ein Angehöriger des eigenen Stammes/Volkes gemeint war. Aber schlimmer noch: eines dieser göttlichen Gebote stellt Frauen, Sklaven und Tiere auf eine Stufe! Und Sklaverei wird als etwas gottgegebenes angesehen…

Oder geht es der Institition Kirche nicht vielmehr um Macht über Menschen und um ihre immensen Vermögenswerte? Da stellt sich doch auch die Frage, wie die Kirchen überhaupt zu einem Milliardenvermögen gekommen sind.

Nein, der Alphabetisierung bedürfen vor allem die Kleriker selbst und die ihnen hörigen Politiker und Medien. Ich kann dafür nur das Buch „Der Jesuswahn – wie die Christen sich ihren Gott erschufen” des promovierten evangelischen Theologen Heinz-Werner Kunbitza empfehlen. Dieser betreibt in seiner Schrift keine atheistische Propaganda, sondern gibt „lediglich” die Ergebnisse der neutestamentlichen Forschungen (an den theologischen Fakultäten) wieder.

[Erstveröffentlichung: Freigeist Weimar]


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