© Universal Pictures International Germany GmbH / Aaron Cross (Jeremy Renner) und Dr. Marta Shearing (Rachel Weisz) sind auf der Flucht
Nummer 5 lebt – und damit ist nicht etwa der kleine, niedliche Roboter aus dem gleichnamigen Film aus dem Jahre ‘86 gemeint, der Freundschaft mit Steve Guttenberg schloss, sondern Jeremy Renner als Aaron Cross, dessen wissenschaftliche Betitelung im vierten „Bourne“-Film schlicht eine Nummer darstellt. Denn das wird in Regisseur Tony Gilroys Film deutlich gemacht: Jason Bourne war immer nur einer unter vielen. Gilroy hat das Regiezepter von Paul Greengrass übernommen, für den er bereits die Drehbücher zu den ersten drei Bourne-Episoden „Die Bourne Identität“, „Die Bourne Verschwörung“ und „Das Bourne Ultimatum“ verfasste, womit er mit der Welt, in der sich das Treadstone-Projekt mitsamt seinen Ablegern abspielt, bestens vertraut sein dürfte.
In “Das Bourne Vermächtnis” wird jedoch die Tragweite des Ganzen bewusst gemacht, nachdem dieses Projekt aufgeflogen ist und der damit verbundene Bourne-Skandal ein massives Chaos hinterlassen hat. Deshalb sieht sich die Central Intelligence Agency dazu gezwungen, das Nachfolgeprogramm „Operation Outcome“ gänzlich fallen zu lassen. Das bedeutet, alle damit in Verbindung stehenden Personen zu eliminieren, damit keine weiteren Informationen an die Öffentlichkeit gelangen können. Aaron Cross (Jeremy Renner) ist einer der Agenten aus der Outcome-Abteilung. Er soll ebenso sein Leben lassen wie die Biowissenschaftlerin Dr. Marta Shearing (Rachel Weisz), die an der genetischen Verbesserung der Outcome-Agenten mitgeholfen hat. Sie ist schockiert über das Vorgehen der CIA und beschließt sich mit Cross zusammen zu schließen um dieses Massaker zu überleben. Aber das ist gar nicht so einfach, hat sich mit dem CIA-Agenten Eric Byer (Edward Norton) doch ein hartnäckiger Gegner an ihre Fersen geheftet. Er will das Duo unter allen Umständen stoppen, um die Integrität seiner Firma zu bewahren.
Edward Norton als Agent Byer
Und damit setzt Edward Norton die Reihe seiner starken Rollen fort, die er zuletzt in Wes Andersons „Moonrise Kingdom“ wieder aufnahm. Durchdringend und mit Präzision erfährt der Zuschauer schnell, warum er einer der leitenden Männer dieser Operation ist. Nortons Spiel zeigt einen verbissenen Kämpfer für seine Sache, fernab von jeglicher Moral, die er irgendwann einmal zurückgelassen hat. Kleine Erinnerungsfetzen werfen ihn zurück in eine Zeit, in der er diese Charakterzüge entwickelte. Eigentlich sieht der Zuschauer relativ wenig von Norton, der sich in seiner Kommandozentrale befindet, wo er ein kleines Team herum kommandiert um die Spur von Cross und Marta Shearing nicht zu verlieren. Aber die wenige Zeit nutzt Norton, um sich zu dem berechnenden Widersacher zu machen, der er hier ist.
Der Rest gestaltet sich allerdings weniger spektakulär als Matt Damons Einstand in das Bourne-Franchise. Galten damals gerade die harten Kampfsequenzen als Neuerung im Actiongenre, fallen diese hier etwas dürftig aus. Erinnert man sich zurück an harte Schläge, präzise Tritte, keine Musik, nur die Soundeffekte von aufeinander prallenden Fäusten und Möbel die zu Bruch gehen, an die harte Realität die hierdurch suggeriert wurde, muss man nun feststellen, dass sich „Das Bourne Vermächtnis“ nicht großartig von anderen Vertretern des Genres unterscheidet. Es ist sogar eher als Rückschritt zu betrachten, dass Tony Gilroy die Kämpfe mit einem verwackelten Kamerabild einfängt, dem das menschliche Auge wenig zu folgen im Stande ist. Man sieht wieder einmal nur ein Gewirr aus menschlichen Körperteilen die aufeinander treffen, vermisst die klaren Bilder von Paul Greengrass aus der Matt Damon-Zeit.
Der neue Bourne heißt Aaron Cross (Jeremy Renner)
Viel tiefer reichen da die moralischen Zerwürfnisse, die Rachel Weisz verkörpern soll. Es war immer nur die Wissenschaft, die Dr. Martha Shearing interessiert hat. Sie hat nur Wissenschaft betrieben ist ihre Antwort auf die vielen Fragen, die Aaron Cross ihr über das Outcome-Projekt stellt, an dem sie offenkundig beteiligt, aber auch im dunklen gelassen wurde. Sie hat Forschung betrieben ohne sich über die Folgen und Konsequenzen Gedanken zu machen. Es war blinder Gehorsam, an dem ihre Leidenschaft zur Wissenschaft die Schuld tragen soll. Aber eigentlich hatte sie doch den freien Willen, den man den Projektteilnehmern mit Medikamenten genommen hatte. Wo die einen eine Wahl hatten, mussten andere wirklich gehorchen. Nun treffen diese beiden Welten aufeinander und Shearing sieht sich mit ihrem eigenen Fehlverhalten konfrontiert.
Sind diese moralischen Zerwürfnisse aber erst einmal beseitigt, weiß der Film nicht mehr so recht wohin er mit seiner ganzen Laufzeit soll. Aaron Cross, abhängig von einer kleinen blauen und grünen Pille, bekommt einen Virus verabreicht, welcher den Medikamentenkonsum unnötig macht, was bis zu diesem Punkt als das Ziel des Films galt. Danach ist nur noch die Flucht ins Nirgendwo angesagt, kein neues Ziel wird gefunden oder definiert. Ein mysteriöser Auftragskiller eines nochmals weiterentwickelten Programms wird von Byers losgeschickt um Cross und Shearing zu töten, es gibt noch eine Verfolgungsjagd auf dem Motorrad bevor sich erst einmal alles wieder in Wohlgefallen auflöst. Am Ende werden dann die weiteren Möglichkeiten gecheckt um auf eine mögliche Fortsetzung hinzuweisen. Vielleicht hätte dieser Check aber schon weitaus früher im Film erfolgen soll, um den Zuschauern einen zu erkennenden roten Faden aufzuzeigen.
Trotzdem bleibt „Das Bourne Vermächtnis“ einer der unterhaltsameren Filme dieses Sommers, was vor allem der gut ausgewählten Darstellerriege um Jeremy Renner, Rachel Weisz und Edward Norton zu verdanken ist, die dem Franchise frisches Leben einhauchen. Außerdem hat Renners Aaron Cross ausreichend Informationen über die Flucht von Jason Bourne aufgreifen können, dass er unter den ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten durchaus das Auffinden von Bourne berücksichtigen könnte. Und wenn Nummer Fünf sich mit der Nummer Eins zusammen tut, reicht das sicherlich aus um dem Bourne-Franchise ein würdiges und nötiges Finale zu setzen.
Denis Sasse
“Das Bourne Vermächtnis“